Demonstrativer Zusammenhalt beim AK gegen Rechtsextremismus

„Keine Zeit für Pessimismus“: Über 4000 Menschen leuchten für eine helle Welt ohne Faschismus

Breite Unterstützung der Kundgebung „Dortmund – bunt statt braun“ Leopold Achilles | Nordstadtblogger

„Unser Kampf für Demokratie braucht jetzt einen langem Atem“, erklärte Friedrich Stiller vom Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus bei der Kundgebung direkt auf der Kampstraße. „Dortmund – bunt statt braun“ organisierte die Veranstaltung am 20. Februar, an der über 4000 Erwachsene, Kinder, Jugendliche und Senior:innen teilnahmen. In Zeiten politischer Unsicherheit bewiesen bunte Plakate, Flaggen, Lichterketten, Seifenblasen und Kerzen solidarischen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft. Zugleich appellierten verschiedene Sprecher:innen an die Wahlberechtigten, demokratischen Parteien ihre Stimmen zu geben.

Zeichen setzen für Demokratie, Toleranz und Respekt und gegen gesellschaftliche Spaltung

Klaus Waschulewski vom DGB begrüßte für den Arbeitskreis die große Menschenmenge, die sich vor und neben der Bühne auf der Kampstraße verteilt hatte. Friedhelm Evermann sprach als Sonderbeauftragter des Oberbürgermeisters für Vielfalt, Toleranz und Demokratie als Erster.

Teilnehmende feierten das Gefühl der Gemeinsamkeit Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Stellvertretend für die unterschiedlichen Altersgrupen, die sich hier zusammenfanden, standen Justin Sathiskumar vom Jugendring und Brigitte Kalthoff von „Omas gegen Rechts“. ___STEADY_PAYWALL___

Sie seien heute dabei, „um in Dortmund ein Zeichen zu setzen, für Demokratie und Toleranz, ein Zeichen gegen Spaltung, ein Zeichen von Respekt“, so Brigitte Kalthoff. Das Lichtermeer sei „ein klares Signal: Wir alle wollen eine helle Welt, ohne Faschismus, ohne Rechtsextremismus, ohne Antisemitismus, ohne Islamismus und ohne Islamfeindlichkeit.“

Und sie wurde auch konkret: „Die Diskussion über Zuwanderung löst kein einziges der wirklichen Probleme. Lasst uns alle solidarisch sein. Wir fordern: Verzichtet auf Symbolpolitik!“

„Wir haben keine Zeit für Pessimismus. Unsere Demokratie braucht unsere Mitarbeit!“

Sie bezeichnete vergangene und aktuelle Anschläge und Attacken als „unermessliches Leid“. Kein Mensch auf „unserer wunderbaren und gefährdeten Welt“ solle solch ein Schicksal erleiden, niemand solle Angst haben „nicht vor Christen und nicht vor Muslimen, vor keinem Menschen und vor keiner Ideologie“, so Brigitte Kalthoff .

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„Wir Omas gegen rechts stehen für Respekt, für das Menschenrecht auf Asyl und für faire Chancen, für Unterstützung derer, die sie benötigen ohne Unterscheidung nach Herkunft, Kultur oder Weltanschauung“, betonte sie.

Brigitte Kalthoff argumentierte: „Die Diskussion über Zuwanderung löst kein einziges der wirklichen Probleme. Lasst uns alle solidarisch sein. Wie arm wäre unser Land ohne die, die einmal als Fremde kamen und heute Freunde und Freundinnen, ja Familie, wurden“. Ihr Appell war eindeutig: „Wir haben keine Zeit für Pessimismus. Unsere Demokratie braucht unsere Mitarbeit!“

Keine Wahlempfehlung von den christlichen Kirchen

Friedrich Stiller sprach für die evangelische Kirche. Es sei gut und richtig, dass beide Kirchen in Dortmund seit fast 20 Jahre im Arbeitskreis aktiv seien und auch an diesem Tag zusammenstünden. „Und wir müssen es auch am 24. Februar und am 25. Februar und in der Zeit danach tun, denn unser Kampf für die Demokratie verlangt jetzt einen langen Atem“.

Seifenblasen begleiteten die vielen, bunten Lichter auf der Kampstraße Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Er fragte rhetorisch, ob es die Aufgabe der Kirche sei, eine politische Partei zu verurteilen, die nicht mal verboten ist? Und antwortete: „Ich meine: nein. Wir leben in einem demokratischen Land und Christinnen und Christen sind frei ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Wir werden sicher keine Wahlempfehlung aussprechen wie das in den 50er Jahren mal war“.

Mit einer zweiten Frage kam er dann aber zu einer anderen Schlussfolgerung: „Ist es die Aufgabe der Kirche, eine politische Partei zu beurteilen, die Menschenrechte in Frage stellt, die Demokratie untergräbt und Hass und Hetze verbreitet? Ich meine eindeutig: ja.“, so Stiller.

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„Da kann sich Kirche nicht auf Gottesdienst und Seelsorge zurückziehen, da muss sie Farbe bekennen und wenn’s drauf ankommt, auch auf die Straße gehen. Denn die Kirchen und die Christinnen und Christen treten ein für die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen und für eine Nächstenliebe, die allen gilt. Das verträgt sich nicht mit völkischem Nationalismus“, so der evangelische Pfarrer.

Und auch nicht mit „dem unerträglichen und rechtswidrigen Gerede von millionenfacher Remigration“. Die AfD stehe im Gegensatz zu Positionen der evangelischen Kirche, auch die deutsche Bischofskonferenz habe entschieden, dass rechtsextreme Parteien nicht wählbar seien. Ebenso sei die Verbreitung rechtsextremer Positionen mit dem Dienst in der Kirche unvereinbar. Das Dortmunder Kirchenparlament habe sich zu dem Thema schon 2017 positioniert.

Erinnerung an Fred Ape: „Ich will meine Stadt nicht braun“

Georg Deventer leitete dann für den Arbeitskreis über zum Lied „Ich will meine Stadt nicht braun“ von Fred Ape. „Wir tragen die Verantwortung, dass sich das dunkelste Kapitel unserer Geschichte nicht wiederholt: die Zeit des Nationalsozialismus. Wir müssen alles dafür tun, dass es sich nicht wiederholt“.

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Anschließend las er den Refrain des Liedes vor: „Ich will meine Stadt nicht braun. Ich will sie bunt und verrückt oder anders ausgedrückt, die sich traut und sich zeigt, die einfach nicht schweigt und die hilft, Brücken zu bauen. Ich will meine Stadt nicht braun“.

Auch Tim Hammerbacher, Geschäftsführer der AWO, der für die Wohlfahrtsverbände sprach, bezog sich auf die Geschichte des Ruhrgebiets: „Seit über 80 Jahren ist das Ruhrgebiet und besonders diese Stadt ein Symbol für Vielfalt und Stärke. Menschen aus aller Welt arbeiten und leben zusammen und machen Dortmund und das Ruhrgebiet zu dem, was es ist. Unsere Wirtschaft in Dortmund ist gewachsen, weil wir seit Jahrzehnten Talente aus allen Kulturen der Welt zusammenbringen.  Unsere Gesellschaft ist bunt, tolerant und erfolgreich“.

„Unsere Gesellschaft ist bunt, tolerant und erfolgreich“

Er zeigte sich erschrocken und empört über die aktuelle Situation auf den Straßen: „Freundinnen, Freunde, Nachbarn und Bekannte sitzen in der Straßenbahn, laufen durch die Stadt und werden auf einmal mit ganz anderen Augen angeguckt: Wo kommt der her, was macht der hier, ist das einer von den Illegalen? – Das kann ja wohl verdammt nochmal nicht wahr sein!“ – darauf folgten Applaus und Jubelrufe.

Das Hochputschen des Themas Migration, auch durch demokratische Parteien, kritisierte er scharf. „Es treibt Menschen, die wir kennen, von denen wir es niemals erwartet hätten in den Populismus und auf der anderen Seite schreckt es auch Menschen ab, die wir zum Beispiel im Gesundheitswesen dringend als Arbeitskräfte brauchen, nach Deutschland zu kommen“. Andere Dinge gerieten in den Hintergrund: „Themen wie Kinderarmut, Betreuungsplätze für Kinder in Kitas und OGS, Unterstützung in der Wohnungslosenhilfe, die Arbeit mit psychisch kranken Menschen“. Ohne Migration sei die „soziale Infrastruktur überall gefährdet“.

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Es werde „seit Monaten ein Problem vorgegaukelt, das viel kleiner ist als das, was daraus gemacht wird. Seit Jahrzehnten leben wir Tür an Tür in einer vielfältigen Gesellschaft. Wir werden in den gleichen Krankenhäusern geboren, wir gehen in die gleichen Kitas, wir gehen in die Schule, Ausbildung. Wir machen alles gemeinsam. Und auf einmal wird uns suggeriert: ihr habt ein Problem. In Dortmund arbeiten 18.000 Menschen im Sozial- und Gesundheitswesen. 18.000 Menschen aus weit über 70 Nationen. Wir alle halten das System am Laufen und das machen wir richtig gut“.

Viele Jugendliche machten auf sich und ihre Anliegen aufmerksam Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Als Vertreter der Studierenden sprach Darius Weitekamp vom AStA der TU Dortmund: „Demagogogen sabotieren unsere Gesellschaft Tag für Tag. Damit muss Schluss sein. Wir müssen für unsere Werte einstehen. Hass, Hetze und Ignoranz zu widerstehen und zu widersprechen muss wieder Praxis werden, hier auf den Straßen, in den Universitäten, in den Betrieben, in der Politik und überall“.

Justin Sathiskumar, war für den Jugendring und die evangelische Jugend in Dortmund auf der Bühne dabei. Er machte deutlich: „Wir stehen ohne Wenn und Aber für Grundrecht, für Kinderrechte, für Menschenrechte ein. Und wir hören nicht auf, mitzukämpfen für mehr Mitbestimmung junger Menschen“.

Die Wahl entscheide auch über Klima und andere Themen, daher richtete er sich direkt an die Wahlberechtigten: „Wählt für die, die nicht wählen können! Wählt für eine Zukunft, die lebenswert ist. Wählt für Kinderrechte, wählt für den Schutz von Minderheiten, wählt für Armutsbekämpfung, wählt für Klimagerechtigkeit, für ein starkes, solidarisches Europa, wählt für Frieden, wählt für Liebe und gegen den Hass!“

Die Stimmung in der Menschenmenge, die sich über die drei Straßen der Kreuzung drängte, war solidarisch und kämpferisch. Allerdings kamen auch Zwischenrufe: nach Erwähnung der CDU begann eine kleine Gruppe beispielsweise „Refugees are welcome here“ zu singen. Und beim Hinweis, man gebe keine Wahlempfehlung für die Christ*innen erklangen „Buh“-Rufe. Zustimmung erfuhren die Redner*innen hingegen bei den Themen „Klimaschutz“ und beim Aufruf, auch für Jüngere mit abzustimmen.


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