Kehrtwende nach massiver Kritik an Jury-Entscheidung: Die Stadt Dortmund wird ihren Literaturpreis, den Nelly-Sachs-Preis, in diesem Jahr nicht vergeben. Die achtköpfige Jury hat jetzt entschieden, ihre am 6. September 2019 getroffene Entscheidung über die Preisvergabe an die Autorin Kamila Shamsie zu revidieren, die sich aktiv für einen Israel-Boykott ausspricht. Gleichzeitig wurde beschlossen, für das Jahr 2019 keine andere Preisträgerin zu benennen. Damit wird der Literaturpreis erst wieder im Jahr 2021 vergeben.
„Kulturboykott steht im deutlichen Widerspruch zum Geist des Nelly-Sachs-Preises“
„Mit Ihrem Votum für die britische Schriftstellerin Kamila Shamsie als Trägerin des Nelly-Sachs-Preises 2019 hat die Jury das herausragende literarische Werk der Autorin gewürdigt. Zu diesem Zeitpunkt war den Mitgliedern der Jury trotz vorheriger Recherche nicht bekannt, dass sich die Autorin seit 2014 an den Boykottmaßnahmen gegen die israelische Regierung wegen deren Palästinapolitik beteiligt hat und weiter beteiligt“, teilt die Jury des Nelly-Sachs-Preises mit.
Der § 1 der Satzung des Nelly-Sachs-Preises bestimmt, dass auch ,Leben und Wirken‘ einer Persönlichkeit bei einer Juryentscheidung einzubeziehen sind. Aufgrund der bekannt gewordenen Sachverhalte über die Autorin Kamila Shamsie trat die Jury am 14. September nochmals zur Beratung zusammen.
Engagement der Autorin steht im Widerspruch zum Gedanken der Versöhnung
Die Jury fasste den Beschluss, ihr ursprüngliches Votum aufzuheben und die Preisvergabe an Kamila Shamsie zurückzunehmen.
„Die politische Positionierung von Kamila Shamsie, sich aktiv am Kulturboykott als Bestandteil der BDS-Kampagne (Boykott-Deinvestitionen-Sanktionen) gegen die israelische Regierung zu beteiligen, steht im deutlichen Widerspruch zu den Satzungszielen der Preisvergabe und zum Geist des Nelly-Sachs-Preises“, heißt es in einer von der Stadt verschickten Erklärung.
„Mit dem kulturellen Boykott werden keine Grenzen überwunden, sondern er trifft die gesamte Gesellschaft Israels ungeachtet ihrer tatsächlichen politischen und kulturellen Heterogenität. Auch das Werk von Kamila Shamsie wird auf diese Weise der israelischen Bevölkerung vorenthalten. Dies steht insgesamt im Gegensatz zum Anspruch des Nelly-Sachs-Preises, Versöhnung unter den Völkern und Kulturen zu verkünden und vorzuleben“, lässt die Jury mitteilen.
„Die Jury bedauert die eingetretene Situation in jeder Hinsicht“
Weder die Jury-Mitglieder noch die Vorsitzende der Jury – Bürgermeisterin Birgit Jörder – standen zu einem persönlichen Gespräch bereit. „Die Jury bedauert die eingetretene Situation in jeder Hinsicht“, teilt die Stadt-Pressestelle mit.
Zur Jury unter dem Vorsitz von Bürgermeisterin Birgit Jörder gehör(t)en folgende FachpreisrichterInnen: Dr. Kersten Knipp (Kulturjournalist und Moderator), Ursula März (Literaturkritikerin, Autorin und Kulturjournalistin), Claudia Kramatschek (Literaturkritikerin, Autorin, Kulturjournalistin), Jörg Stüdemann (Stadtdirektor, Kulturdezernent der Stadt Dortmund), und Dr. Johannes Borbach-Jaene (Leiter der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund).
SachpreisrichterInnen aus Reihen des Stadtrates beziehungsweise des Kulturausschusses waren die Ratsmitglieder Birgit Jörder, Barbara Brunsig, Brigitte Thiel und Joachim Pohlmann.
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FDP/BL stellt die Vergabepraxis des Nelly-Sachs-Preises in Frage (Pressemitteilung Ratsfraktion FDP/Büergerliste)
FDP/BL stellt die Vergabepraxis des Nelly-Sachs-Preises in Frage
Die Fraktion FDP/Bürgerliste sieht in der derzeitigen Vergabepraxis beim Nelly-Sachs-Preis eine Entfremdung vom eigentlichen Sinn des Preises. Sowohl in den Grundlagen der Preisstiftung (Satzung 1961), als auch in dem literarischen Werk der Namengeberin gibt es keinen Hinweis darauf, dass literarische Werke qualitativ einen besonderen Geschlechtsbezug beanspruchen.
Ihr eigenes Wirken lässt keinen Trend zu irgendeiner Quote im Zusammenhang von literarischem Anspruch mit einem bestimmten Geschlecht erkennen.
Bei der Preisvergabe 2019 führte das angeblich „umfassende Juryverfahren“ zu einem mehr als peinlichem Ergebnis. Es galt eine würdige Preisträgerin zu finden und traf laut Veröffentlichung „eine überzeugende Wahl“. Da die Verfasserin/Schriftstellerin politisch nicht in das Bild gegenwärtiger Nahostpolitik passt, wurde ihr der Preis wieder aberkannt. An diesem Vorgehen wird deutlich, dass es hier gar nicht mehr um das literarische Werk an sich, bzw. um die Wertschätzung von Nelly Sachs geht, die sich bewegt und motiviert durch den jüdischen Glauben (isrealitisch) und dessen Verfolgung zu einer weltweit anerkannten literarischen Persönlichkeit entwicklen konnte.
1961 hat die Stadt Dortmund die Aufführung des „Eli“ zum Anlass genommen, einen werkbezogenen Preis zu stiften.
Die Konzentrierung auf den Geschlechtsaspekt führt zwangsläufig zu einer Einschränkung des Teilnehmerinnen-Felds. Eine Abkehr von dieser Systematik würde erlauben, dass sich mehr Kandidatinnen in einem Vergabe-Jahr finden lassen könnten. Um solche zukünftig auszuschließen.
„Die Konzentrierung auf den Geschlechtsaspekt führt zwangsläufig zu einer Einschränkung des Teilnehmerinnen-Felds. Eine Abkehr von dieser Systematik würde erlauben, dass sich mehr Kandidatinnen in einem Vergabe-Jahr finden lassen könnten. Um solche zukünftig auszuschließen“, fasst Hein Dingerdissen, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion zusammen, „Eine solche Regelung würde der Autorin Nelly Sachs als auch dem Preis den gebührenden Respekt zukommen lassen“