Die Null steht immer häufiger – nicht nur im Fußball, sondern auch bei den Covid-19-Neuinfektionen in Dortmund. Auch die in den vergangenen Wochen ergangenen Lockerungen lassen sich zumindest bisher nicht in der Statistik ablesen. Allerdings – und das ergibt eine Auswertung der bisherigen Zahlen in Dortmund – vergeht zwischen Erkrankungsbeginn und Meldedatum viel Zeit. Bei der statistisch größten Gruppe der Betroffenen – 184 – dauerte es zehn oder mehr Tage. Daher warnt das Gesundheitsamt vor weiteren Lockerungen. Und Schnellschüsse wird es daher auch bei der Freibadöffnung nicht geben. Einen Termin gibt es weiterhin nicht. Gleiches gilt für Reihentestungen von Kita-Beschäftigten, die ver.di fordert. Diese lehnt die Stadt ab.
Stadt ist weit entfernt von der Notwendigkeit, die Regeln wieder zu verschärfen
„Spitzenreiter“ in Sachen Infektionen sind Männer um die 50. „Das ist durchaus ein interessanter Hinweis“, sagte OB Ullrich Sierau mit Blick in seine Dezernent*innen-Runde. Zu Beginn waren es zudem überwiegend Menschen aus dem Dortmunder Süden, die sich mit Corona infiziert hatten – es waren überwiegend Rückkehrer*innen aus dem Winterurlaub.
Am heutigen Dienstag kam kein weiteres positives Testergebnis dazu. Somit liegen seit dem ersten Auftreten der Erkrankung in Dortmund weiterhin insgesamt 729 positive Tests vor. 711 Patient*innen haben die Erkrankung bereits überstanden und gelten als genesen. Zurzeit werden in Dortmund neun Corona-Patientinnen und -Patienten stationär behandelt, vier von ihnen intensivmedizinisch, darunter zwei beatmete Personen. Es gibt in Dortmund bislang vier Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19.
Durch die geringe Zahl der Neuinfektionen – zuletzt waren es keine oder nur eine Neuinfektion täglich – ist Dortmund weit weg von der Notwendigkeit, Verschärfungen einführen zu müssen. 300 Neuinfektionen pro Woche müsste es in einer Stadt wie Dortmund geben. „Selbst wenn wir die zehnfache Dunkelziffer annehmen, sind wir dabei weit weit weg“, so Sierau. Dennoch halte man die Entwicklung sehr genau im Blick.
Zum Glück gebe es keine solchen Fälle wie in der Fleischwirtschaft, wo das wohl eher am Wohnort passiert sei – gemeint war die fragwürdige Unterbringung von prekär Beschäftigten Werkarbeitnehmer*innen aus Südosteuropa. „Wir haben daher nach prekären Wohnverhältnissen in der Stadt geschaut“, berichtete Sierau.
Der städtische Krisenstab war in Zusammenarbeit mit dem Wohnungsamt Hinweisen nachgegangen, u.a. ging es dabei um ein Haus, wo Monteure untergebracht sein sollten, sowie Gebäude in der City sowie im Roma-Milieu. Doch auch das habe sich nicht bestätigt. Zudem hatte das Gesundheitsamt Listen von Mitarbeiter*innen der Fleischindustrie abgearbeitet, die in Dortmund leben, aber woanders arbeiten, ergänzte Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes. Probleme seien dabei nicht entdeckt worden.
ver.di fordert flächendeckende Corona-Testungen der FABIDO Beschäftigten
Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner sah dennoch keinen Grund zur vollkommenen Lockerung. „Wir befinden uns noch mitten in einer Pandemie.“ Und warnte vor Leichtsinnigkeit. Einen Grund für Überreaktionen oder Reihentestungen sieht die Stadtspitze aber nicht. So hatte beispielsweise die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit Blick auf die weitgehende Wiedereröffnung der Kitas gefordert, alle Beschäftigten von FABIDO flächendeckend auf Corona zu testen.
„Im Umgang mit Kindern sind Abstands- und Hygieneregeln nur schwer umsetzbar. Daher begrüßt ver.di die im Bundestag diskutierte Ausweitung der Corona-Testungen“, betont ver.di-Sekretär Martin Steinmetz. Mit der weiteren schrittweisen Wiedereröffnung der Kindertageseinrichtungen erhöhe sich das Infektionsrisiko für das Kitapersonal erheblich.
Daher fordert ver.di die Ausweitung des im Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz bisher vorgesehenen Personenkreises auf die flächendeckende Testung von Hauswirtschaftskräften sowie dem pädagogischen Personal in den Kindertageseinrichtungen.
Da offensichtlich ein starker Rückgang an Infektionen zu verzeichnen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass auch die erforderliche Infrastruktur für Testungen zur Verfügung stehe. „Regelmäßige und symptomunabhängige Tests des Personals sind nicht nur in Krankenhäusern sowie Senioreneinrichtungen notwendig, sondern vor allem auch in den Kindertageseinrichtungen“, sagt Martin Steinmetz, vom Fachbereich Gemeinden im ver.di-Bezirk Westfalen.
Das frühzeitige Erkennen einer Corona-Infektion durch regelmäßige Testungen diene dem dringend notwendigen Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Und es schaffe Sicherheit für das pädagogische und hauswirtschaftliche Personal. „Mehr Tests der Kitabeschäftigten bedeutet auch mehr Sicherheit und Verlässlichkeit in der Betreuung der Kinder“, ergänzt Yvonne Ellerbrock, ver.di Vorsitzende der örtlichen ver.di-Fachkommission Kita.
Gesundheitsamt hält Reihentestungen für epidemiologisch nicht geboten
„Weil diese Tests der epidemiologischen Gefahrenabwehr dienen, sind sie als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe einzuordnen. Deswegen gehören sie in die Finanzverantwortung der öffentlichen Hand und sind nach ver.di Auffassung aus Steuermitteln zu finanzieren“, heißt es von ver.di weiter.
Doch genau das bestreitet die Stadt. Das geringe Infektionsgeschehen – derzeit gibt es aktuell 19 bestätigte positive Getestete in ganz Dortmund – widerlege die Notwendigkeit. Selbst wenn man die zehnfache Zahl – so die Schätzung der Dunkelziffer – zu Grunde lege, seien diese Reihentestungen nicht geboten.
„Reihentestungen sind dann sinvoll, wenn ich etwas vermute, zum Beispiel in fleischverarbeitenden Betrieben, die Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten haben und wo Menschen unter ungewöhnlichen Wohnbedingungen leben. Da macht eine Reihenuntersuchung Sinn, wenn ich vermute, dass eine Person infiziert ist und viele angesteckt hat“, erklärt Dr. Frank Renken.
Die Forderung nach anlasslosen Testungen von Erzieher*innen sei nicht infektiologisch unbegründet. Weder gebe es die Zahl der Infektionen noch den Hinweis, dass Kinder besondere Überträger seien. „Unsere Meldestatistik widerspricht dieser Annahme. Es gibt keine Belege und keinen infektiologischen Grund – zumindest derzeit nicht in Dortmund.“
Kritik an ver.di, warum sich die Gewerkschaft nur eine Berufsgruppe herauspickt
Irritationen löst der Vorschlag beim Verwaltungsvorstand auch deshalb aus, weil nur eine Berufsgruppe getestet werden soll. „Ich bin irritiert, dass ver.di auf städtische Kitas zugeht und andere Beschäftigte nicht testen will. Kitas sind uns auch lieb und teuer, aber warum nicht auch andere Bereiche?“, fragt Sierau.
Auf die Argumentation von ver.di, in Düsseldorf würde Kita-Personal getestet, bezog sich die zuständige Familiendezernentin Daniela Schneckenburger: In der Stadt Düsseldorf gebe es solche Reihenuntersuchungen zwar, aber im Rahmen eines Modellversuchs. „Es ist ein wissenschaftliches Projekt und nicht eine Arbeitsschutzmaßnahme.“ Auch sie fragte sich, warum nur die städtischen Bediensteten getestet werden sollten – sie machten nur rund 30 Prozent der Kita-Beschäftigten in Dortmund aus.
„Es ist ein hoch emotionales Thema und eine hoch emotionale Karte, die ver.di spielt. Es ist eine Aufgabe der Gewerkschaft, sich für die Belange der Beschäftigten einzusetzen“, kommentierte Personaldezernent Christian Uhr die Forderung und kritisierte, dass die Gewerkschaft sich nur eine Berufsgruppe herauspicke. Auch Schulsekretärinnen, Beschäftigte im Gesundheitsamt, bei der Feuerwehr oder den Bürgerdiensten seien in einer ähnlichen Lage.
Neue Probleme für Familien: Betreuungszeiten in den Kitas werden reduziert
Derzeit befinden sich 6.300 Kinder in Dortmund in der Notbetreuung. Ab dem 8. Juni will das Land zu einem eingeschränkten Regelbetrieb kommen, wodurch wieder alle Kinder kommen können – aber in einem sehr eingeschränktem Umfang. Was zwar positiv klingt, zieht aber neue Probleme nach sich.
Denn dadurch wird auch die Notbetreuung eingestellt, was die Familien vor neue Probleme stellen kann. Denn klar ist nur, dass künftig pauschal zehn Stunden Betreuungszeit pro Woche weniger möglich sind als mit den Eltern vertraglich vereinbart. Diese können sich für 25, 35, 45 oder teilweise sogar mehr Stunden Betreuungszeit pro Woche entscheiden.
Das Jugendamt soll zwischen betroffenen Eltern und Einrichtungen moderieren. Wie sich das im konkreten Fall bei jedem Träger einer Einrichtung darstellt, hängt vom zur Verfügung stehenden Personal ab und ist derzeit nicht absehbar. FABIDO muss mit 20 Prozent weniger Personal auskommen, weil diese Beschäftigten zu Risikogruppen (über 60 Jahre alt, vorerkrankt oder schwanger) gehören. „Kleine Einrichtungen können schnell an Grenzen kommen“, bedauert Schneckenburger die Landesregelung.
Freibäder bleiben noch zu: Betreiber*innen müssen bei Öffnung mit massiven Verlusten rechnen
Apropos Landesregelung: Die Öffnung der Freibäder in Dortmund ist weiterhin fraglich. „Wir wissen alle, was man da macht. Das passt nicht zu Kontaktverbot und Abstand halten. Es gibt unglaublich hohe Auflagen“, erinnerte Birgit Zoerner, die auch für Sporteinrichtungen zuständig ist.
In Dortmund habe man sich mit den Betreiber*innen von Freibädern darauf verständigt, dass das Konzept erst verschriftlicht werden muss, was Aussagen darüber trifft, wie eine Öffnung stattfinden kann und ob man dann ein Freibad öffnet.
„Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Gerade für solche Bereiche, wo viel Begegnung von Mensch zu Mensch stattfindet, müssen Zweifel ausgeräumt werden“, so die zuständige Dezernentin. „Wir haben uns vorgenommen, alles mit maximaler Sicherheit zu machen.“
Ein nicht unerheblicher Aspekt sind dabei die Finanzen. Denn den Betreiber*innen drohen massive Einnahmeausfälle, weil der personelle Einsatz deutlich erhöht werden muss, aber die Besucher*innenzahlen massiv begrenzt werden müssen. Viele der Bäder werden aber in Dortmund von Vereinen betrieben.
„Es gibt Hinweise an die kommunalen Gebietskörperschaften, dass man einen Betrieb nur mit erheblichen finanziellen Einbußen machen kann. Die Zahlen werden deutlich unter einem schlechten Sommer liegen. Wenn die Erwartung im Raum steht, dass die Stadt für die Verluste in die Bresche springen soll, muss man erst mit Politik sprechen. Müssen alles vorher klären“, erteilte Zoerner Schnellschüssen eine Absage.
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Gesundheitsschutz in den Kitas muss gestärkt werden: ver.di fordert Gefährdungsbeurteilung durch Arbeitgeber (PM)
Gesundheitsschutz in den Kitas muss gestärkt werden:
ver.di fordert Gefährdungsbeurteilung durch Arbeitgeber
Die Corona-Krise hat das öffentliche Leben sichtbar verändert. Im öffentlichen Personennahverkehr, beim Einkaufen und überall dort, wo Menschen sich nahekommen, werden Masken getragen. Wenn die Kitas in NRW am 8. Juni ihre Notbetreuung beenden und im eingeschränkten Regelbetrieb wieder öffnen, bleiben laut der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in NRW noch viele Punkte unberücksichtigt. Bei der direkten Arbeit mit Kindern ist der Schutz der Kita-Beschäftigten kaum aufrechtzuerhalten, deshalb hat die Gewerkschaft eine eigene Fachempfehlung zum Arbeitsschutz entwickelt.
„Der Schutz der Kita-Beschäftigten ist nachhaltig gefährdet. Land und Kommunen tragen hier die Verantwortung. Um den Schutz von Eltern, Kindern und Beschäftigten so gut wie möglich umzusetzen, haben wir bereits am 15. Mai 2020 flächendeckende Corona-Tests für die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas gefordert“, erklärte Gabriele Schmidt, Landesbezirksleiterin ver.di NRW. „Je prekärer die Arbeitsverhältnisse mit jedem Lockerungsschritt werden, desto unattraktiver wird die Arbeit in den Kitas. Ein Ergebnis, das den Fachkräftemangel verschärfen wird.“ Die Beschäftigten würden durch die konkreten Öffnungsschritte vermehrt unter Druck gesetzt. Die Arbeitgeber, die diese umsetzen müssten, würden den Druck an die Kolleginnen und Kollegen weitergegeben, so Schmidt. „So werden individuelle Risikogefährdungen heruntergespielt, die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit bei Risikogruppen eingefordert, oder Haftungsausschlusserklärungen zur Unterschrift vorgelegt. ver.di rät den Beschäftigten hier klar von der Unterschrift ab!“, mahnte Schmidt. „Außerdem rufen wir das Land NRW, die Kommunen und Träger dazu auf, den Arbeitsschutz in den Kitas sicherzustellen und um Corona-Tests auszubauen. Die Beschäftigten, die in diesem systemrelevanten Bereich bereits seit Jahren mit den Folgen des Fachkräftemangels arbeiten müssen, dürfen nicht im Stich gelassen werden.“
Um die Beschäftigten in den Kitas ausreichend über ihre Rechte zu informieren, stellt ver.di NRW ihnen die ver.di Fachempfehlung Nr. 1: Arbeitsschutz in den Kitas zur Verfügung.