Debatte im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen des Stadtrates in Dortmund: Die CDU-Fraktion steht mit ihrer Ablehnung des anvisierten Großprojektes im südöstlichen Zugangsbereich zur Innenstadt recht einsam dar. Planungsdezernent Ludger Wilde informiert die VertreterInnen der Parteien über aufschlussreiche Einzelheiten des Vorhabens. So hat die Stadt beispielsweise ein Vorkaufsrecht, sollte der Investor später sozusagen auf „krumme Gedanken“ kommen. Damit soll unter allen Umständen eine Katastrophe wie beim „Horrorhaus“ in der Kielstraße oder Dorstfelder Hannibal vermieden werden.
Bauvorhaben über der Stadtbahn-Station „Stadthaus“ auf gut 22.000 Quadratmetern
Erwartungsgemäß ging es während der gestrigen Sitzung im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen eingangs ziemlich gemütlich zu: hier wird beim Abarbeiten der Tagesordnung seitens der Fraktionen einmütig empfohlen, dort ohne speziell konfliktträchtigen Redebedarf wie üblich zur Kenntnis genommen. Dann kommt es, wie absehbar, zur Debatte um ein Bauvorhaben, deren Ausgang genauso klar war.
Immerhin, es wird ein wenig lebendiger: Mit dem Konsens werde es nun vorüber sein, weiß die Ausschussvorsitzende Ingrid Reuter von Bündnis90/Die Grünen, als sie Top 4.2 ansagt. Gegenstand des Tagesordnungspunktes ist die Verabschiedung oder Verweigerung einer Empfehlung zum Streitpunktthema: „Städtebauliche Entwicklung am ‚Platz von Rostow am Don‘ hier: aktueller Sachstand“.
Was die Stadtverwaltung zwischen B 54 und Märkischer Straße vor der südlichen Innenstadt auf gut 22.000 Quadratmetern – Dachterrassen und Garage eingeschlossen – anstrebt, ist die Errichtung eines modernen Hochhausensembles über der Stadtbahn-Station „Stadthaus“ als realisierter Mischkonzeption mit den Schwerpunkten Wohnen und Hotel – ergänzt durch Dienstleistungs- und Gewerbeeinrichtungen sowie gastronomischen Angeboten.
CDU wiederholt ihre Einwände gegen eine gemischte Nutzung des Hochhausensembles
Mit dem Großprojekt erhofft sich die Stadt, die bislang weitgehend einseitige Flächennutzung um die U- und S-Bahn-Station als Verkehrsknotenpunkt niedriger Aufenthaltsqualität zugunsten einer lebendig gemischten Nutzungsstruktur abzulösen und das Areal auf diese Weise städtebaulich mit Nachdruck aufzuwerten.
Die vom Investor vorgelegten Entwürfe des Bochumer Architekturbüros Archwerk stießen allerdings im Vorfeld auf politischen Widerstand – von der Ratsfraktion der CDU. Im Umweltausschuss wiederholt deren planungspolitischer Sprecher, Uwe Waßmann, die bereits zuvor medial verbreiteten Argumente seiner Partei gegen das Vorhaben (mehr dazu im Vorbericht – Link am Ende).
Im Kern wird dort inhaltlich bedeutet, das Projekt in der jetzt zur Debatte stehenden Entwurfsform sei: städtebaulich unangemessen, mit disproportionalen sozialen Folgerisiken im Sinne einer Ghettoisierung verbunden, zudem ein Gau des guten Geschmacks. Zudem habe die Bezirksvertretung der Innenstadt-Ost gerade eine Empfehlung mehrheitlich abgelehnt. Nun sucht die CDU nach Verbündeten aus der näheren Umgebung.
Alternative für die Christdemokraten: ein reines Bürogebäude vor den Toren der Stadt
Die CDU sei keineswegs generell gegen eine Bebauung. Wegen der Bedenken könne sich seine Partei dort aber allenfalls ein Hochhaus als reines Bürogebäude vorstellen, erklärte Waßmann auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden. Das klappte schließlich auch in der Nachbarschaft gegenüber, dem Ellipson, und entspräche dem vom Rat verabschiedeten Citykonzept 2030, dessen diesbezüglicher Ansatzpunkt der Mangel an Büroflächen im City-Bereich gewesen sei.
Zu dieser von der CDU favorisierten Alternative hat Ingrid Reuter allerdings, offenbar ganz wie die Mehrheit der Ausschussmitglieder eine eindeutige Vorstellung: die eines toten Klotzes zu jenen Zeiten, wenn die Büros geschlossen seien: nach Feierabend, an den Wochenenden.
Doch nach Auffassung der CDU steht viel auf dem Spiel: Entscheidungen zum jetzigen Zeitpunkt implizierten eine Verantwortung für Jahrzehnte, betont Planungsspezialist Waßmann; daher wolle man seitens seiner Fraktion keinen „Risikobau“.
Andere Fraktionen sehen weniger Risiken und eher die Vorteile bei Realisierung des Vorhabens
Genau an den etwaig negativen Folgen zweifeln im Fachausschuss freilich die BefürworterInnen des Multifunktions-Baus; andererseits stellen sie die Zielerreichungsqualität eigener parteipolitischer Priorisierungen für diesen Fall in den Vordergrund.
So begründen Bündnis 90/ Die Grünen ihre Zustimmung einer Empfehlung der Beschlussvorlage damit, dass die klaren Kriterien, so ihr Sprecher in der Sache, Uwe Tietz, welche zuvor vor allem in ökologischer Hinsicht an sie geknüpft worden seien, als weitgehend erfüllt betrachtet werden müssten.
Für die SPD sei es insbesondere das Energieversorgungskonzept in dem Entwurf gewesen, das positive Eindrücke hinterlassen habe. Hinzukäme, dass ihre Partei ein Mehr an Wohnen in die City bringen wolle, erklärt Monika Lührs die Zustimmung der Sozialdemokraten zum Planungsentwurf. Denn ein attraktives Hotel, von dem aus im neunten Stock die Stadt überschaut werden könnte – nähme sie als Besucherin.
Multifunktionales Nutzungsdesign soll erwünschte soziale Kontrolle um den Gebäudekomplex garantieren
Gerade dieser Nutzungsmix habe für die SPD letztendlich zu einer positiven Entscheidung geführt. Obendrein, so Monika Lührs: genau dadurch würde notwendige soziale Kontrolle geschaffen.
Bei einer Realisierung des Vorhabens war die nämlich von der kommunalen CDU als im Prinzip gefährdet betrachtet worden. Argumentativ ins Feld geführt worden war der CDU-Einwand gegen das Wohnen in südlicher Innenstadtlage über die Vorstellung, es gäbe einen tendenziellen Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und sozial abweichendem Verhalten.
Es ging den Dortmunder Christdemokraten neben dem Büroraumargument also weniger darum, dass in der bevorzugten Lage am Platz von Rostow im Grundsatz niemand wohnen solle. Sondern vielmehr durften dort nicht die falschen Menschen wohnen: jene, die sie als Risikofaktoren erachten, weil sie arm sind. So einfach ist das.
Angekündigter 27-Prozent-Anteil öffentlich geförderter Wohnungsbau scheint in den Sternen zu stehen
Lösungshilfen für diese CDU-Befürchtungen kann erstaunlicherweise auch ein anderer Opponent in der Sache liefern: Planungsdezernent Ludger Wilde. Und zwar, indem er mögliche Fehlinterpretationen aus dem Beschlussvorschlag der Verwaltung an den Stadtrat korrigiert.
Dort heißt es wörtlich: „Im Wege einer freiwilligen Selbstbindung verpflichtet sich der Investor, analog zur 25 %-Regelung mietpreisgebundenen Wohnraum zu schaffen. Der Anteil soll ca. 27 Prozent der Gesamtwohneinheiten betragen.“
Wer hier nun naheliegenderweise (wie die CDU vielleicht) dachte, es handele sich zwingend um öffentlich geförderten Wohnraum, also um sozialen Wohnungsbau, weswegen sie ja gleich eine Art Ghettoisierungsgefahr witterte, durfte sich getäuscht sehen, wie Ludger Wilde erklärt:
„Wir wissen im Augenblick nicht, ob wir tatsächlich diese 27 [Prozent] Wohneinheiten mit öffentlichen Mittel gefördert bekommen“, muss er zunächst gestehen. Fördermöglichkeiten in Hochhäusern bedürften landesseitig nämlich jedes Mal einer Ausnahmegenehmigung.
Investor soll sich gegebenenfalls dazu bereit erklärt haben, eine Mietpreisbindung einzugehen
Aber, die Verwaltungsspitze der Stadt meint offenbar, einen Ausweg gefunden zu haben: „Der Vorhabensträger hat sich bereit erklärt, selbst, wenn es keine öffentlichen Mittel gibt, eine langfristige Mietpreisbindung einzugehen“, so Wilde. Die läge vielleicht nicht beim üblichen Dortmunder Satz von 5,55 Euro, sondern irgendwo zwischen sieben und acht Euro.
Es liegt auf der Hand: das ist trotzdem noch so richtig günstig für die Lage – und, das ist die hübsche Logik: die Nummer ist von der Miete her erfreulicherweise auch nicht mehr zu stemmen für Menschen von ganz unten, die nur das Risiko von Ärgernissen erhöhen.
Gemeint ist also eine Art Selbstverpflichtung seitens des Investors zu einer „Mietpreisbindung“, deren konkreter Inhalt aber völlig im Dunkeln liegt. Was nichts anderes besagt, als dass über einen Zeitraum t1 => t2 eine Miete der Höhe X lediglich nicht überschritten werden darf. Damit sind weder die Länge des Zeitraums, noch die Höhe des anfänglichen Quadratmeterpreises explizit ausgezeichnet – vieles bleibt offen bei dem Konzept.
Stadt Dortmund hat sich beim Investor Vorkaufsrecht für die Immobilie gesichert
Immerhin dürfte es die CDU beruhigen: das Schreckgespenst potentiell dissozial auftretender Menschen, die mit dem Wohnberechtigungsschein wedeln und sich in Luxuswohnungen mit Stadtblick für fünfeinhalb Euro pro Quadratmeter breit zu machen, rückt in weite Ferne.
Neben diesen aus landeseigenen Förderrestriktionen in NRW bei Hochhauswohnungen herrührenden, quasi automatischen Versicherungen gegen unerwünschten Wildwuchs im Wohnungssektor war die Stadt aus den Erfahrungen beim Hannibal und in der Kielstraße an anderer Stelle richtig aktiv, wie Ludger Wilde weiter berichtet.
Entsprechend ihrer Forderungen sei ihr ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden – was konkret hieße: käme etwas bei der auf dem Platz von Rostow geplanten Immobilie in Bewegung – fände zum Beispiel eine Einzelvermarktung statt oder der Verkauf an einen nicht regelgetreuen neuen Eigentümer: dann habe man einen Fuß in der Tür und könne Einfluss nehmen; im schlimmsten Falle selbst erwerben und bewirtschaften.
Daher könnten die von der CDU befürchteten Risiken ausgeschlossen werden, denn die Einrichtung eines Vorkaufsrechts sei ein wesentliches Steuerinstrument, schließt Wilde. Beschlossen wurde im Ausschuss in der Sache gegen die Stimmen der CDU: Empfehlung der Verwaltungsvorlage an die weiteren Gremien. Am 15. November wird schlussendlich im Stadtrat zum Finale gebeten werden.
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Cornelia Wimmer
Zwei aus Metall gegossene Kosakenpferdchen, ein blau-weiß-rotes Nashorn (Aufschrift: „Dortmund“) in den Hortensien, ein stillgelegter Springbrunnen, eine DHL-Paketstation plus separater Briefkasten, ein alter Fahrradständer, eine zusätzliche Metropol-Rad-Station samt Solarzelle, verstreute 5-eckige Beton-Blumen-Pflanzkästen, teils bepflanzt, teils leer, und neuerdings noch ein Reklamescreen, der die Vorzüge von Jägermeister rühmt oder darüber informiert, dass sich schon wieder ein Single über parship verliebt habe, – der Platz von Rostow am Don beherrbergt ein wahrhaft absurdes Allerlei stadtverschönernder und -verschandelnder Elemente.
Weg damit. – Soweit kann man folgen. Aber was stattdessen? Doch nicht etwa Grün und vielleicht ein funktionierender Brunnen oder gar eine neue Bepflanzung statt wildgewordener Brombeeren und Holunderbüsche? –
Lieber ein Hochhaus. Da ham wir wenigstens was Werthaltiges. Wer drin wohnt, werden wir sehen. – Wer immer irgendwann vor die Tür tritt, wird wahlweise vom Lärm zweier stark befahrender Straßen empfangen. Auf der Südseite gibt die S-Bahn ihren Elektrosmog dazu. Der Schatten des Riesentrümmers streift im Tagesverlauf weit durch die Gegend und erreicht mühelos das Stadthaus.
Vielleicht doch noch mal überlegen?