In den Ring steigen, und das für jede Person – möglich soll es die erste inklusive NRW-Meisterschaft im Kampfsport machen. Am Samstag (7. Dezember 2024) treten in der Dortmunder Nordhalle Personen mit und ohne Behinderungen gemeinsam gegeneinander an. Ein Zeichen für Demokratie, Vielfalt und den Kampf gegen Rassismus, das Anahita Lotfi und Pourya Solizadeh setzen möchten. Interessent:innen sind dabei herzlich eingeladen.
Im Kampfsport miteinander, statt getrennt, trainieren
Inklusion – ein Vorhaben, das viele Institutionen anstreben, um Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen zu ermöglichen. Ein Event, das viele als Vorzeigebeispiel vor Augen haben, sind die Paralympics. Sie sollen auch Profisportler:innen mit Behinderungen die internationale Teilhabe an Wettkämpfen ermöglichen.
Doch Lotfi und Solizadeh streben keine Separierung zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen im (Kampf-)Sport an. Sie wollen ein gemeinsames Miteinander schaffen und „zeigen, dass Inklusion möglich ist und es nicht den Ablauf eines Boxkampfes stört“, so Lotfi.
Der erste Schritt dafür war die Gründung ihres inklusiven Kampfsportvereins Sparringpartnerforyou e.V. Dort werden seit Oktober 2022 Menschen mit und ohne Behinderungen trainiert.
Unter anderem agiert Solizadeh als mehrfacher Weltmeister im Muay Thai und K1 selbst als Trainer. Nun wurde ein weiteres Event ins Leben gerufen, das am Samstag stattfinden soll: die erste inklusive NRW-Meisterschaft im Kampfsport.
Persönliche Geschichte motivierte zur Gründung eines inklusiven Sportvereins
Die Idee, einen inklusiven Kampfsportverein zu gründen, hat dabei persönliche Hintergründe. Solizadeh trainierte bereits seine eigene Schwester, die eine Behinderung aufwies. Dadurch wurde er früh auf das Training mit Personen mit Behinderungen sensibilisiert, während Solizadeh selbst als Kämpfer an Wettkämpfen teilnahm.
„Ich habe ihn dann immer auf den Wettkämpfen begleitet. Als ich zu Hause war, habe ich gesagt, das finde ich richtig scheiße, dass niemand dort ist, der eine Behinderung hat“, erzählt Lotfi.
Ihr Unverständnis verstärkte sich besonders durch die Tatsache, dass Solizadeh bereits einmal wöchentlich bei der Lebenshilfe Kampftraining für Personen mit Behinderungen anbot. Zusätzlich besitzt er eine Qualifikation, die darauf abgestimmt ist, Personen mit Behinderungen zu trainieren.
„Pourya trainiert schon so lange Menschen mit Behinderung. Das kann doch nicht sein, dass das so nicht funktioniert. Dann haben wir gesagt, lass uns das doch mal probieren. Wir machen jetzt einfach einen Inklusionsverein für Menschen mit und ohne Behinderungen“, fügt Lotfi hinzu. Dabei sei es ganz egal, ob es sich um geistige oder körperliche Behinderungen handelt, betont Lotfi.
Tägliche Begegnung mit Vorurteilen und Ablehnung beim Kampfsport
Sport verbindet – eine Annahme, die sich jedoch nicht immer bestätigen lässt. Besonders in ihrer Inklusionsarbeit begegneten Solizadeh und Lotfi Vorurteilen und Ablehnungen. „‘Das ist voll ekelhaft’ – so etwas habe ich schon alles gehört“, berichtet Lotfi.
Ähnliche Erfahrungen haben sie auch bei geplanten Kooperationspartner:innen gemacht: „Der letzte Verband wollte erst mit uns diese Inklusionsveranstaltung planen. Wir waren so glücklich, sie dazu zu holen“ berichtet Lotfi.
„Knapp zwei Monate vorher haben sie dann doch abgesagt mit der Begründung: ‚Das mit diesen Behinderten ist nicht so unser Ding‘. Das ist ein Inklusionsverein. Wenn du keinen Bock auf Menschen mit Behinderung hast, geh lieber“, fügt Lotfi entsetzt hinzu.
Personen mit Behinderungen „möchten einfach ganz normal sein“
Der Wettkampf, der mit aufwendigen und zeitintensiven Vorbereitungen verbunden war, stellt für Lotfi und Solizadeh einen bedeutenden Schritt in ihrer Inklusionsarbeit dar. Umso größer ist die Aufregung, die nicht nur bei den Veranstalter:innen des Events spürbar ist. „Da sind Tränen geflossen bei denen. Es ist ja auch verständlich – sonst interessiert sich niemand für diese Gruppe, und plötzlich bekommen sie bei uns eine Bühne“, erzählt Lotfi.
„Sie dürfen sich öffentlich präsentieren, was für sie etwas völlig Neues ist. Sonst sind sie immer im Abseits, und jetzt dürfen sie ganz normal sein. Und das ist auch das, was sie wollen – sie möchten einfach ganz normal sein“, fügt sie hinzu.
Ursprünglich war geplant, dass aus ihrem Verein drei Personen mit Behinderungen an dem Event teilnehmen würden. Aufgrund einer Verletzung musste jedoch eine Person kurzfristig absagen, sodass nur zwei Kämpfer:innen mit Behinderungen in den Ring steigen werden.
Abseits der Inklusionskämpfe nehmen über 150 Teilnehmer:innen am Event teil, darunter auch professionelle Kämpfer:innen, die aus ganz Europa anreisen, wie Lotfi erzählt.
Barrierefreiheit wird bislang nicht immer bewahrt
Im Rahmen ihrer Arbeit stoßen Solizadeh und Lotfi häufig auf ein ganz bestimmtes Problem: die eingeschränkte Barrierefreiheit. Die Suche nach einer geeigneten Trainingshalle, die für alle Personen gut erreichbar ist, gestaltete sich unter anderem aus diesem Grund als langwierig. Letztlich war es im Sommer 2023 möglich, die Sporthalle der Lessing-Grundschule zu verwenden – eine der wenigen Hallen, die gut erreichbar für Rollstuhlfahrer:innen ist, wie Lotfi erzählt.
Doch auch für den geplanten Wettkampf mussten Maßnahmen zur Barrierefreiheit getroffen werden. So wurde extra ein Boxring konzipiert, der es auch Rollstuhlfahrer:innen ermöglichen soll, eigenständig und sicher in den Ring treten zu können.
„Wir haben mit Ingenieuren geschaut, wie man das gestalten kann. Wir haben im Verein auch Rollstuhlfahrer, und die können ja nie in den Ring steigen, obwohl das zum Boxen dazugehört“, so Lotfi.
„Menschen mit Behinderungen vergessen häufig, dass sie Einschränkungen aufweisen. Und sie fragen die ganze Zeit: ‚Was ist das Problem? Ich will auch in den Ring gehen. Warum geht das nicht?‘ Für uns war das kein Hindernis. Deswegen haben wir dann extra einen Boxring bestellt. Das hat auch ungefähr acht bis neun Monate gedauert“, ergänzt die Mitgründerin des Vereins.
Ein Meilenstein für inklusive Meisterschaften in der Zukunft
Die anstehende NRW-Meisterschaft ist für Solizadeh und Lotfi nicht das letzte geplante Event: „Wenn jetzt alles gut geht und alles funktioniert, dann richten wir auch die deutsche Meisterschaft aus. Das wird dann riesig“, erzählt Lotfi. Zwar treten bei der anstehenden Meisterschaft nur Personen aus ihrem Verein mit Behinderungen an, doch hoffen sie, so einen Startschuss zu setzen.
Umso mehr liegt es den Vereinsgründer:innen am Herzen, dass sich in Zukunft inklusive Wettkämpfe im Kampfsport langfristig etablieren. „Man kann sich das gar nicht vorstellen, wie viel wir da jetzt investieren und einfach was für Inklusion zu schaffen – Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung zu schaffen.“
Mehr Informationen:
- Für Interessent:innen der Meisterschaft: Das Event findet am Samsatg (7. Dezember) in der Nordhalle 3 in der Burgholzstraße 151, 44145 Dortmund statt.
- Weiterführende Informationen zum Event finden sich unter dem Link: Internationale NRW Meisterschaft Inklusion 2024 – SP4U
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