Im Kindesalter stand sie bereits auf der Bühne, gefolgt von jahrelangem internationalem Erfolg, ehe sie sich mit dem Aufkommen des islamischen Regimes im Iran zurückziehen musste. Jahre später trat sie im Exil wieder an die Öffentlichkeit. Die iranische Künstlerin Googoosh, die mit bürgerlichem Namen Faegheh Atashin heißt, verkörpert für viele Iraner:innen eine künstlerische Ikone und Kultfigur der iranischen Popszene. Die deutsch-iranische Regisseurin Niloufar Taghizadeh hat es sich zur Aufgabe gemacht, die persönliche Geschichte der Künstlerin in „Googoosh – Made of Fire“ zu erzählen. Die Biografie, die stets vom Einfluss der Politik geprägt ist, wird am 19. Januar um 15 Uhr kostenlos im Dortmunder U zu sehen sein, bei der die Regisseurin im Anschluss vor Ort für ein Gespräch zur Verfügung stehen wird.
Frau Taghizadeh, Ihr neuester Film „Googoosh – Made of Fire” handelt von der aus dem Iran stammenden Schauspielerin und Sängerin Googoosh. Sie selbst stammen ebenfalls aus dem Iran. Was waren Ihre ersten Berührungspunkte mit der Künstlerin?
Meine ersten Berührungspunkte mit Googoosh, glaube ich, waren wie bei allen, die im Iran gelebt haben, kultureller Natur. Obwohl sie nicht mehr gesungen hat, gehörte sie trotzdem zu den wichtigsten Schauspielerinnen und Sängerinnen des Landes.
Vielleicht sogar gerade deshalb, weil nach meiner Geburt all das – ihre Musik, ihre Filme – im Iran verboten war, wurde sie für viele Menschen, auch für mich, noch bedeutsamer und sichtbarer.In meiner Kindheit fand ich natürlich ihre Musik und ihre Filme toll.
Aber als ich älter wurde, vor allem als Teenager, begann ich, mir intensivere Gedanken zu machen. Es ging mir nicht nur um Googoosh, sondern auch um viele andere Künstlerinnen und Künstler, die es offiziell nicht geben durfte, die aber dennoch im Land lebten. Ihre Filme wurden gesehen, ihre Musik gehörte zum Leben der Menschen – und trotzdem tat man so, als wären sie nicht da. Das hat mich schon sehr beschäftigt.
Sie haben es bereits angesprochen: Nach der islamischen Revolution 1979 im Iran mussten viele Künstler:innen im Untergrund arbeiten, da ihre Werke in der Öffentlichkeit nicht mehr erlaubt waren. Warum fiel Ihre Wahl für die Verfilmung letztlich auf Googoosh?
Ich glaube, die Idee, einen Film über Googoosh zu drehen, ist sicher schon vielen Regisseurinnen und Regisseuren gekommen. Aber sie selbst hat sehr viel von sich abgelegt, fast alles.Es gibt nur eine Handvoll Interviews mit ihr und, soweit ich weiß, eine Dokumentation – und die stammen von Menschen, die ihr sehr nahestanden. Ich kannte sie jedoch nicht persönlich, auch niemanden aus ihrem Management.
Trotzdem: Warum sollte man nicht auf die Idee kommen, über sie einen Film zu machen? Für mich war das selbstverständlich. Sie ist eine Ikone, eine unglaublich bedeutende Persönlichkeit – nicht nur für den Iran, sondern für viele Frauen und Männer weltweit. Der entscheidende Moment kam, als ich mitbekam, dass sie ihre letzten Konzerte angekündigt hatte. Da dachte ich: Jetzt muss ich aktiv werden und den Film realisieren.
Während der Dreharbeiten haben Sie sicherlich viele persönliche Einblicke in Googoosh als Person erhalten. Sie gilt, wie Sie selbst gesagt haben, als Musikikone des Iran und war auch international erfolgreich, bevor sie sich 1979 zurückziehen musste. Was glauben Sie, was hat sie so erfolgreich gemacht?
Ich glaube, ihr Erfolg liegt auf der einen Seite an ihrer Kunst – ihrer Musik, ihrem Schauspiel und ihrer Professionalität. Sie hat eine einzigartige Fähigkeit, Emotionen zu vermitteln und diese an ihr Publikum weiterzugeben. Auf der anderen Seite ist es ihr außergewöhnlicher Lebensweg, ihre Art, mit Unterdrückung, Gewalt und den vielen Hindernissen in ihrem Leben umzugehen.
Ihre Geschichte spiegelt die Erfahrungen vieler Iraner:innen wider: von Müttern, von Söhnen, die von ihren Familien getrennt wurden, von Menschen, die versucht haben, weiterzumachen, obwohl sie kaum eine Chance hatten. Ikonen wie Googoosh sind oft ein Spiegel für den Schmerz und die Sehnsüchte einer Gesellschaft.
Sie hat so viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht, dass sie Menschen aus den verschiedensten Lebenswelten versteht und ihre Gefühle nachempfinden kann. Das gibt sie in ihrer Kunst zurück. Natürlich ist das nur meine Theorie, aber ich glaube, sie schafft es, sich in uns allen wiederzufinden.
Seit dem Aufkommen des islamischen Regimes gab es zahlreiche Widerstände gegen die Repression. Welche Rolle spielen die jüngsten Proteste in Ihrem Film?
Wie der Film aussehen sollte, hatte ich schon lange im Kopf. Die Verbindung zwischen ihrem Lebensweg und der Politik im Iran war für mich nichts, das ich erst inszenieren oder konstruieren musste – es war von Anfang an offensichtlich.
Doch als wir endlich mit den Dreharbeiten begannen, passierte etwas, das alles veränderte: Am ersten Abend unseres Drehs in Frankfurt, nur zwei Tage nach dem Tod von Jina (Mahsa) Amini, wurde alles plötzlich sehr viel aktueller.
Ursprünglich war der rote Faden des Films ihre letzten Konzerte und Tourneen. Die Idee war, sie dabei zu begleiten und die Reise mit ihr zu dokumentieren. Aber wie sie selbst zu Beginn des Films sagt:
„Die Politik hat mein Leben immer wieder unterbrochen und beeinflusst“. Genau das passierte auch hier. Dadurch hat das Projekt eine unerwartete Wendung genommen.
War es manchmal emotional herausfordernd für Sie als Regisseurin, da Sie Googooshs Lebensweg gut nachvollziehen konnten?
Als Filmemacherin agiere ich als Beobachterin und bewahre einen gewissen Abstand. Mein Ziel war es, wie ein Spiegel zu sein für das, was meine Protagonistin erzählen möchte. Dabei versuche ich zu verstehen und das Gelernte zu reflektieren. Natürlich fließen meine eigenen Gefühle, Gedanken und Erfahrungen mit ein, aber ich achte darauf, dass sie den Blick auf die Geschichte nicht überlagern.
Für mich hat dieser Film zwei Protagonisten: Googoosh und den Iran – beziehungsweise die Iranerinnen. Meine Aufgabe war es, das, was ich von beiden aufgesogen habe, zurückzugeben. Ob mir das gelungen ist, hoffe ich natürlich. Aber ich hatte große Angst, es nicht richtig zu machen.
Auf der einen Seite geht es um Googoosh, eine Ikone, und wer Iraner:innen kennt, weiß, wie hart sie in ihrer Kritik sein können, wenn etwas nicht ihren Erwartungen entspricht – und selbst wenn es passt, finden sie oft trotzdem etwas zu bemängeln. Auf der anderen Seite geht es um den Iran und die Iraner:innen insgesamt, also ein noch viel größeres Thema.
Wie waren bisher die Reaktionen der iranischen Community auf Ihren Film?
Großartig. Das, was ich bis jetzt aus diesem Film mitnehme, ist für mich persönlich das Wertvollste. Diese Gespräche, diese unglaublichen Emotionen, die mir entgegenkommen. Menschen erzählen mir ihre ganz persönlichen Geschichten. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, als ich diesen Film gemacht habe.
Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen, was ich erzähle, das Gefühl haben, dass ich ihre Geschichte erzähle. Und das nehme ich mit, und das wird mich, glaube ich, noch sehr lange beschäftigen. Googoosh verkörpert sowohl den Schmerz als auch die große Sehnsucht nach Freiheit vieler Iraner:innen.
Der Film spricht besonders Menschen an, die aus dem Iran stammen oder sich intensiv mit dem Land auseinandergesetzt haben. Kann er auch ein Publikum erreichen, das keine direkten Berührungspunkte mit dem Iran hat?
Mehr als die Hälfte unserer Zuschauer:innen waren Nicht-Iraner:innen oder Menschen, die keine Verbindung zum Iran haben. Ich denke – und hoffe –, dass ich einen Film gemacht habe, der als Geschichte funktioniert. Geschichten, wenn sie gut erzählt sind, sind ja für alle gemacht. Im Film bekommt man das nötige Hintergrundwissen, um ihre Erfahrungen zu verstehen.
Mein Ziel war es, einen Film über eine Ikone und ihre Heimat zu machen. Sie sollte ihre eigene Geschichte erzählen, aber auch die Geschichte ihrer Heimat – das, was sie beobachtet und erlebt hat. Denn sie ist eine wichtige Zeitzeugin. Und wir leben in einer Zeit, in der es unglaublich wichtig ist, einander zu verstehen und die Geschichte anderer zu begreifen.
Sie haben bereits mehrere Projekte mit Bezug zum Iran umgesetzt. Gibt es in Zukunft weitere Projekte in dieser Richtung?
Ich bin bereits in der Drehbuchphase meines nächsten Projekts. Es wird ein Spielfilm, der in Deutschland spielt. Mehr kann ich noch nicht verraten, außer dass der Film sehr vielfältig ist. Es wird sowohl deutsche als auch persische Schauspieler:innen geben. Wenn alles gut läuft, werden wir Anfang nächsten Jahres mit den Dreharbeiten beginnen. Der Film soll dann hoffentlich auch in den Kinos laufen.
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