Es wird eine halbe Milliarde Euro für Gebäudemodernisierung benötigt

„Illusorisch und unrealistisch“: DOGEWO-Chef kritisiert die Klimaziele von Stadt und Bund scharf

Luftwärmepumpen für die neue Heizanlage – noch haben sie bei DOGEWO Seltenheitswert. Foto: Oliver Schaper für DOGEWO21

Eigentlich wollte der Chef der DOGEWO „nur“ die Bilanz seines Wohnungsunternehmens für das Jahr 2023 vorstellen. Doch das tritt regelrecht in den Hintergrund. Stattdessen holt Klaus Graniki zu einem Rundumschlag aus und stellt der Politik  – und damit auch seinen Dienstvorgesetzten – ein schlechtes Zeugnis aus. Die Klimaziele der Stadt Dortmund, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden, nennt Graniki illusorisch. Und selbst die Vorgaben des Bundes 2045 hält er für nicht realistisch. Zudem kritisiert er die fehlenden Förderprogramme und nennt die Bauvorschriften in Deutschland zu bürokratisch und zu teuer. Deren Zahl habe sich in den letzten Jahrzehnten von 5.000 auf 20.000 vervierfacht. „Wir werden anders bauen müssen, damit es bezahlbar wird.“

Nur ein Prozent der DOGEWO-Wohnungen sind bisher klimaneutral

Neben Spar- und Bau gehört die DOGEWO – eine Tochter von den Dortmunder Stadtwerken und der Sparkasse – zu den beliebtesten Vermietern. Beide investieren viel in ihren Bestand und haben vergleichsweise bezahlbare Mieten. Doch von der Klimaneutralität sind sie noch meilenweit (oder besser Jahrzehnte) entfernt.

Klaus Graniki und Oliver Laske stellten die Bilanz vor und übten massive Kritik an der Politik. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„70 Prozent unseres Wohnungsbestandes ist 60 Jahre und älter. Diesen Bestand klimaneutral zu sanieren ist eine „Mammutaufgabe“. Wir erwarten hier einen Investitionsbedarf von mehr als einer halben Milliarde Euro“, rechnet Andreas Laske, Prokurist Betriebswirtschaft bei DOGEWO, vor.

„Derzeit ist nur ca. ein Prozent unseres Bestandes von rund 16.500 Wohnungen klimaneutral. Dazu zählen neben Gebäuden mit Luftwärmepumpen, auch solche, die mit grüner Nah- oder Fernwärme oder Erdwärme ausgestattet sind“, so Laske. 

Diese bis 2035 zu sanieren sei nicht ansatzweise zu realisieren, zumal die städtische Wärmeplanung erst 2026 vorliegen wird. Dann wird klar, wo beispielsweise Fernwärme möglich bzw. verpflichtend sein wird. Aktuell schafft es das kommunale Unternehmen, ein Prozent des Bestandes zu sanieren. Selbst bei einer Verdoppelung der Anstrengungen brauche es Jahrzehnte und sehr viel Geld. 

Weiteres Problem: „Wir konkurrieren um Handwerkerleistungen“

Rund 45 Millionen Euro habe das Unternehmen allein im vergangenen Jahr in die Modernisierung investiert. Doch bisher gebe es noch keine Fördermittel für Wohnungswirtschaft: „Wir warten dringend darauf, dass Wirtschafts- und Finanzminister sich einigen. Doch auch dann wäre 2045 ohnehin unhaltbar, eine Lösung aus dem Stand kann ich nicht sehen“, so Klaus Graniki.

Der Rat der Stadt Dortmund hatte das Erreichen der Klimaneutralität bis 2035 als Ziel vorgegeben – zehn Jahre früher als die Bundesvorgabe. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

An den Parteien, die sich für günstige Mieten einsetzen, lässt er kein gutes Haar: „Sie hängen nur Wahlplakate auf, aber keiner kümmert sich um Wohnungswirtschaft. Das sind nur Lippenbekenntnisse. Sie kümmern sich nicht um unsere Branche“, kritisiert Graniki die Politik in Stadt, Land und Bund.

Den vom Dortmunder Stadtrat gefassten Beschluss, die Klimaneutralität zu erreichen, halten sie bei DOGEWO für unrealistisch. „Da, wo man Fernwärme hat, ist man vielleicht schneller co2-neutral, aber nicht für alle Wohnungen. Das würde ich eher Anfang 2050 sehen“, so Graniki. Doch diese Investitionen träfen alle Unternehmen. „Deren Eigenkapitalquote wird massiv belastet, das macht uns das Leben schwer.” Weil DOGEWO so viel investieren müsse, würde perspektivisch kein Geld mehr an die Konzernmutter bzw. die Stadt abfließen: „Auf lange Sicht werden wir kein Ergebnisbringer im Konzern mehr sein können“, kündigte Graniki an.

Abgesehen von dem massiven Investitionsbedarf, müsse der ja auch verbaut werden: Die nächsten 20 Jahre gebe es keine komfortable Situation: „Wir konkurrieren um Handwerkerleistungen. Um bei über 16.500 Wohnungen klimaneutral gestalten zu wollen, brauchen sie individuelle Lösungen und über eine halbe Milliarde Euro. Das Geld muss da sein und verbaut werden, das betrifft ja alle”, sagte Laske mit Blick auf die Zukunftsinvestitionen, die beispielsweise DEW21 leisten müsse: In Dortmund müssten rund 2,7 Milliarden Euro allein in Fernwärme investiert werden.

Große Sorge: „Nach der Sanierung werden die Mieten steigen“

„Die Umsetzung der Klimaschutzthemen wird nicht zu schaffen sein, wenn erst 2026 die Wärmeplanung vorliegt. Wir arbeiten jetzt für die Schublade und untersuchen Bestände, was gemacht werden muss“, so Graniki. Klar sei schon jetzt, dass es rund 10.000 Gasthermen im Bestand gebe, die dann weg müssten. „Wir sind in der Vorbereitung. Das kostet zwar Geld, aber auch viel Zeit. Und ich bezweifle auch, dass das alles in der zeitlichen Abfolge so machbar ist“, so der DOGEWO-Chef. 

Heizungstausch am Kapellenufer in Sölde.
Heizungstausch am Kapellenufer in Sölde. Foto: DOGEWO21

Ein weiteres riesiges Problem: „Nach der Sanierung werden die Mieten steigen, sie liegen dann zwei bis drei Euro höher als heute. Wir wollen niemanden vertreiben, aber wir machen jetzt durch Sanierungen die Bestände so teuer, dass man man Menschen vertreibt. Das muss man sich überlegen, bevor man die Menschen in die falschen Arme treibt”, warnte Graniki. 

In allen Ruhrgebietsstädten würden die kommunalen Wohnungsunternehmen dies in den Aufsichtsräten zum Thema machen und den Politiker:innen sagen, dass das Geld koste. Die Hoffnung, dass durch die Sanierungen die Betriebskosten sinken würden, teilt Graniki nicht. Die modernen Techniken wie Luftwärmepumpen seien sehr wartungsintensiv und damit im Unterhalt teuer. 

Vermietungen in Neubauten müssten 18 Euro pro Quadratmeter kosten

Von Neubau wollte Graniki gar nicht erst anfangen. Denn aktuell seien die Mieten auf 7,40 Euro bei öffentlich geförderten Wohnungen gedeckelt. „Dafür können wir heute gar nicht bauen – die Kosten liegen bei 18 Euro pro Quadratmeter.  Die Menschen werden das, was man jetzt anfasst, nicht bezahlen können“, so der Chef des kommunalen Wohnungsunternehmens. „Wir werden anders bauen müssen, damit es bezahlbar wird.“

Dachgeschoss-Aufstockung in der Semerteichstraße.
Dachgeschoss-Aufstockung in der Semerteichstraße. Foto: Oliver Schaper für DOGEWO21

„Seit dem Jahr 2000 sind die Baukosten um den Faktor 2,5 gestiegen, die Mieten aber nicht. Allein der Zement wurde um 42 Prozent teurer“, rechnet Klaus Graniki vor. Doch um bezahlbar zu bleiben, müsse man Abstriche beim Schallschutz, der Barrierefreiheit und der technischen Ausstattung machen. Den Verzicht auf Keller, Aufzüge oder Tiefgaragen könnte sich die DOGEWO vorstellen. 

Zudem gebe es im Bestand keine Grundstücke mehr – man müsse diese erst kaufen, was das Bauen zusätzlich verteuere. Um überhaupt bauen zu können, bräuchte es eine Förderkulisse, wo man öffentlich gefördertes Bauen von der Zinsentwicklung abkopple. Alles über ein Prozent Zinsen müsse über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert werden, formuliert Graniki sein „Wünsch Dir was“.

Apropos öffentliche Förderung: Anders als in den Vorjahren seien die öffentlichen Mittel stark überzeichnet. „Öffentlich gefördertes Bauen ist so interessant wie nie. Alle stürzen sich auf öffentliche Mittel. Die Frage ist, wer sie bekommt. Solange stellen wir unsere Projekte zurück“, ergänzt Laske. Lediglich Dachausbauten und einen Neubau in Huckarde hatte das Unternehmen im vergangenen Jahr realisiert und dafür auch Zuschüsse bekommen. Ob es für 2024 Geld geben könnte, sei fraglich. 

DOGEWO hat 2023 einen deutlichen Überschuss erzielt

Apropos 2023: Da gab es – bei aller vorgetragener Kritik – ein erfolgreiches Geschäftsjahr, welches das Unternehmen selbst mit „Aufbruch in energieeffiziente Zukunft bringt neue Herausforderungen für  DOGEWO21“ beschrieben hatte.

Neue Heizzentrale im Massener Weg.
Neue Heizzentrale im Massener Weg. Foto: Oliver Schaper für DOGEWO21

Das kommunale Unternehmen war im Geschäftsjahr 2023 erneut wirtschaftlich erfolgreich und hat mit knapp 9,2 Millionen Euro (Vorjahr 8.3 Millionen Euro) erneut einen deutlichen Jahresüberschuss erwirtschaftet. Das Ergebnis (vor Steuern) beträgt 10,07 Millionen Euro (Vorjahr 9,16) und übersteigt damit das geplante Ziel von 9,75 Millionen Euro. Im Bilanzzeitraum hat das Unternehmen 47,5 Millionen Euro in den Gebäudebestand investiert.

Zum Stichtag (31.12.2023) standen 1.189 Auszügen insgesamt 1.182 Neuvermietungen gegenüber. Die sehr hohe Wiedervermietungsquote von nahezu 100 Prozent verdeutlicht die sehr angespannte Lage am Wohnungsmarkt. Die Fluktuationsquote ist mit 7,26 Prozent erneut unter das ohnehin niedrige Vorjahresniveau von 7,58 Prozent gesunken. Es gibt kaum Leerstand – in der Regel nur Wohnungen, die gerade saniert werden.

Zum 31. Dezember 2023  umfasste der Wohnungsbestand 16.380 Wohneinheiten (WE) (Vorjahr 16.367). Davon sind 13.186 Wohnungen (Vorjahr 13.179) preisungebunden. 3.194 Wohnungen (Vorjahr 3.188) –  rund 20 Prozent des Bestandes – unterliegen einer Preisbindung.

„Mieten bei DOGEWO21 bleiben bezahlbar und fair“

Die Durchschnittsmiete im Bestand lag 2023 bei 6,24 Euro/m² (Vorjahr 5,97 Euro/m²). Die durchschnittlichen Mieten für preisungebundene Wohnungen lagen bei 6,49 Euro/m² (Vorjahr 6,20 Euro/m²) und für preisgebundene bei 5,36 Euro/m² (Vorjahr 5,19 Euro/m²). Neumieter:innen zahlten im Schnitt 7,05 Euro/m² (Vorjahr 6,74 Euro/m²) und damit deutlich weniger als im Dortmunder Durchschnitt 8,26 Euro/m² (Vorjahr 7,91 Euro/m²). 

Dachgeschoss-Aufstockung im Verlorenen Holz.
Dachgeschoss-Aufstockung im Verlorenen Holz. Foto: Oliver Schaper für DOGEWO21

Mietanpassungen erfolgten auf Basis des Anfang 2023 veröffentlichten Dortmunder Mietspiegels. Im Durchschnitt betrug die Erhöhung monatlich 20,83 Euro (Vorjahr: 15,04 Euro). Die Zustimmungsquote lag mit rd. 99 Prozent auf Vorjahresniveau.

Die Bestandsmieten bei DOGEWO21 liegen zu rd. 90 Prozent im niedrigen Preissegment, einschließlich aller öffentlich geförderten Wohnungen, entsprechend den Kategorien des Dortmunder Wohnungsmarktberichtes 2023. (Öff. gef.: 3.194 Wohnungen; Niedriges Preissegment (bis 7,30 Euro): 11.231; Mittleres Preissegment (7,30 bis 9,60 Euro): 1.889 und lediglich 66 Wohnungen liegen im oberen Preissegment (über 9,60 Euro).

Schwerpunkt: Energetische Modernisierungen im Bestand

„Wir blicken sehr zufrieden auf den Geschäftsverlauf 2023 zurück. DOGEWO21 war auch im letzten Jahr ein verlässlicher Partner für unsere Mieter. Unsere hohen Investitionen in den Bestand haben die Wohnqualität für eine Vielzahl unserer Mieter verbessert. Dabei ist das Wohnen bei DOGEWO21 aber weiterhin bezahlbar geblieben“, erklärt Prokurist Andreas Laske.

Die Mehrfamilienhäuser Am Hombruchsfeld 49-55 wurden einer umfangreichen energetischen Modernisierung unterzogen. Foto: Oliver Schaper für Dogewo21

Die Schwerpunkte der energetischen Modernisierungen lagen im Geschäftsjahr 2023 in den Ortsteilen Aplerbeck, Eving, Löttringhausen und Sölde. In der Evinger Märchensiedlung wurden im vergangenen Jahr insgesamt 51 Häuser mit knapp 250 Wohnungen auf den neuesten energetischen Stand gebracht.

Zusätzlich haben die Mieterinnen und Mieter Anstellbalkone erhalten. Am Hochhaus Langeloh 4 in Löttringhausen wird die gesamte Wärme- und Warmwasserversorgung von 129 Wohnungen von Gas auf Wärmepumpen umgestellt. 

Der Umschluss erfolgt im Sommer 2024. Die Häuser in Aplerbeck und Sölde wurden umfangreich gedämmt (Fassaden, Keller, Dachgeschossdecke), die Fenster ausgetauscht und die dezentralen Heizungsanlagen durch Luft-Wärmepumpen ersetzt. Bei 209 Wohnungen waren Einzelmodernisierungen erforderlich, um diese, insbesondere bei Beendigung langjähriger Mietverhältnisse, wieder in einen marktgerechten Zustand zu versetzen.

Bereitstellung von neuem Wohnraum ist ein Problem

Die Herausforderung besteht weiterhin darin, unter den gegenwärtig schwierigen Bedingungen bezahlbaren Wohnraum insbesondere für das untere und mittlere Preissegment zu schaffen.

Im Geschäftsjahr 2023 hat DOGEWO21 die Dachgeschossaufstockungen von sechs öffentlich geförderten Wohnungen in Renninghausen sowie acht frei finanzierten Wohnungen in Hörde final abschließen können. Die Verschiebung der Fertigstellung ergab sich aufgrund von Lieferengpässen. 

Durch den Umbau eines von einer Wohngemeinschaft genutzten Gebäudes in Sölde entstanden vier weitere Wohnungen.

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