Mit ihrem Schild steht Miriam in der Innenstadt von Dortmund. Darauf steht geschrieben: „Ich habe eine Frau! Habt ihr Fragen?“. Der Satz hinterlässt Fragezeichen bei den PassantInnen, die an ihr vorbeigehen. Dass Miriam lesbisch ist, kommt den meisten Menschen nicht sofort in den Sinn. Bei einigen fällt der Groschen erst nach dem Hinweis von Reporterin Lisa, die Miriam begleitet und PassantInnen befragt.
Nette Worte von PassantInnen und oberflächliche Toleranz gegenüber Miriams Coming-out
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Warum fällt es so schwer, zu erkennen, dass Miriam gerade ein öffentliches Coming-out hat? Reporterin Lisa hat eine Erklärung: „Miriam passt nichts in Klischees. Keine kurzen Haare, keine ausgefallene Kleidung. Da wird sie nicht direkt als lesbisch gelesen.“
Ansonsten bekommt Miriam viel positives Feedback. Ein Passant findet die Aktion „speziell“ und dass das „in der jetzigen Zeit keinen mehr interessiert“. Aber ist das nur ein oberflächlicher Eindruck? Ein Mann fragt in einem Witz verpackt: „Sehen die alle so aus wie ihr?“ – und spielt damit auf gängige Vorurteile über das Aussehen lesbischer Frauen an.
Ein älterer Mann, dessen Begleitung gerade ihre Toleranz vor der Kamera bezeugt, reißt einen vermeintlichen Witz: „So lange mich keine Kerle anpacken, habe ich da nichts dagegen.“ Die Gruppe von SeniorInnen um ihn herum lacht herzhaft.
Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben sind keine Angelegenheit von gestern
„Aussagen wie diese zeigen, dass es noch immer Vorurteile sowie schwulen- und lesbenfeindliche Denkweisen gibt – selbst dann, wenn sich die Personen selbst als tolerant und offen bezeichnen würden“, erklärt Miriam.
Andere hingegen machen keinen Hehl um ihre Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit. Zwei junge Männer versuchen, die Menschen für Jesus und ihre Auslegung der Bibel zu begeistern. Sie wollen nicht, dass Miriam sich in ihrer Nähe aufhält und bitten um Abstand.
In einem kurzen Gespräch legen sie offen, dass sie die Grenze der menschlichen Moral überschritten sehen, „indem man Lesben und Schwule toleriert“. Sie führen an: In der Bibel würde nicht von Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen gesprochen.
Lesbische Mädchen in Öffentlichkeit unterrepräsentiert – Video soll mehr Sichtbarkeit schaffen
„Wir werden mit diesem Video niemanden bekehren. Das ist aber auch nicht das Ziel“, betont Reporterin Lisa. Sie und Miriam wollen damit vielmehr zum Nachdenken anregen und vor allem Sichtbarkeit schaffen. Denn nach wie vor sind lesbische Mädchen und ihre Themen auf YouTube, aber auch in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert.
Eine solche Aktion könnte da ein kleiner Beitrag sein. Der kommt allerdings nicht überall gut an. „Das ist, wie wenn ich mit einem Schild ‚mein Lieblingsessen ist Lasagne‘ in der Innenstadt stehen würde. Peinlich.“, schreibt eine Person bei YouTube. Wie einem das Video gefällt, muss jeder selbst herausfinden. Dass es zum Diskutieren anregen wird, ist absehbar.
Das schwule Pendant hat auf YouTube bereits mehr als 650.000 Menschen erreicht und wurde über 6.000 Mal kommentiert. Abgerufen werden kann es hier.
Weitere Informationen:
- Das Video zum Experiment mit Miriams Coming-out auf Youtube, hier:
- Medien spielen eine entscheidende Rolle im Coming-out. Deshalb engagiert sich queerblick e.V. für lgbt-Medienarbeit. Youtube-Kanal queerblick e.V., hier:
- Unterstützung ist jederzeit willkommen; das geht kostenlos beim Online-Shopping oder mit einer Spende
- Der Verein queerblick e.V.: Medienarbeit mit schwulen, lesbischen, bisexuellen und transidenten Jugendlichen. Falk Steinborn – Vorstand und Redaktionsleiter; c/o Sunrise, Geschwister-Scholl-Str. 33 – 37, 44135 Dortmund. Kontakt: info@queerblick.tv
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