Ein Gastbeitrag von Rainer Roeser
Matthias Helferich will hoch hinaus. Wenn im September ein neuer Bundestag gewählt wird, soll auch für den Geschäftsführer der Dortmunder AfD-Ratsfraktion ein Mandat herausspringen. Helferich reist dabei auf dem Ticket der „Jungen Alternative“ (JA). Die Mitglieder der AfD-Nachwuchsorganisation in NRW haben ihn Mitte Dezember „mit satter Zweidrittelmehrheit“, wie es anschließend hieß, zu ihrem „Spitzenkandidaten“ bei der Bundestagswahl bestimmt.
Helferich als Kandidat der Jüngeren in einer Partei alter weißer Männer
Ob das reicht, um Helferichs Karriereambitionen Realität werden zu lassen, muss Ende Februar ein Landesparteitag zeigen. Im niederrheinischen Kalkar sollen die Delegierten nach dem derzeitigen Stand der Planung den ersten Teil der AfD-Landesliste beschließen. Schon jetzt kursieren intern die unterschiedlichsten Empfehlungslisten der diversen Lager und Grüppchen. Helferichs Name dürfte auf einigen stehen. ___STEADY_PAYWALL___
In einer Partei alter weißer Männer macht es sich nicht schlecht, wenn zumindest einer mit dem Geburtsjahr 1988 als Kandidat der Jüngeren präsentiert werden kann.
Ratsam ist es auch nicht, sich mit der „Jungen Alternative“ anzulegen, ist man doch auf die JA’ler angewiesen, wenn es ums Plakatekleben geht oder um niedere Arbeiten bei der Organisation von Veranstaltungen.
Freilich: Unumstritten ist Helferich in der AfD nicht. Die alte Crew der Höcke-Anhänger, die sich im formal aufgelösten „Flügel“ sammelte, mag ihn nicht, weil er im parteiinternen Streit mit der Gegenseite zu kungeln begann.
Zu völkisch, zu neurechts, zu Höcke-nah und zu verbalradikal
Dabei hatten sie doch so gehofft auf den jungen Mann, der einst stolz die blaue Kornblume am Revers trug, die in Anlehnung an die FPÖ eine Zeitlang Erkennungszeichen von AfD-Rechtsaußen war.
Doch Helferich hat die Kornblume längst abgelegt und angebandelt mit denen, die sich nach den verqueren Maßstäben der AfD „gemäßigt“ nennen.
Als die sich beim Parteitag im Oktober 2019 in Kalkar durchsetzten, war Helferich mit dabei. Eine Mehrheit wählte ihn zum stellvertretenden Landesvorsitzenden in einem gänzlich „Flügel“-losen NRW-Vorstand.
Auch von den „Gemäßigten“ wird er nicht so ganz gemocht. Nicht zu Unrecht steht er bei ihnen unter Radikalismusverdacht. Nach ihrem Geschmack kommt er, obwohl mit dem Vize-Amt doch eigentlich ruhiggestellt, immer noch zu völkisch, zu neurechts, zu Höcke-nah und zu verbalradikal daher.
Der NRW-Landesverband ist zerstritten – und eine Schlangengrube
Nordrhein-Westfalens AfD ist eine Schlangengrube. Da ist vor allem der Streit zwischen dem Alt-„Flügel“, der komplett aus der Führungsspitze abgewählt wurde, und denen die jetzt im Vorstand Regie führen. Doch auch in dessen Reihen tun sich Brüche auf.
Angeblich „Gemäßigte“ finden sich dort, die auf offene Konfrontation mit allem setzen, was nach „Flügel“ ausschaut – nicht zuletzt, um selbst als sauber, solide, demokratisch zuverlässig zu erscheinen. Da gibt es – zweitens – die Gruppe derer, die zumindest behaupten, sie wollten die Partei zusammenhalten.
Landeschef Rüdiger Lucassen gehört zu ihnen. Helferich steht für ein weiteres Lager: jene, die mit dem „Flügel“ verbal nichts (mehr) zu tun haben wollen, tatsächlich aber ähnlich radikal ticken.
Als unzuverlässig musste Helferich den „Gemäßigten“ spätestens erscheinen, als er vor dem Landesparteitag im Januar 2020 einen Antrag zur „Schaffung einer neuen Landesverbandskultur“ vorlegte. Die „Marler Erklärung“ und ihre Begründung, verfasst von Helferich und dem stellvertretenden JA-Landesvorsitzenden Tim Csehan, enthielt zum einen AfD-typisches Gedröhn: Pathosgeschwängert ging es ihnen gleich um die „Rettung unserer Heimat“ oder sogar um die „Rettung Deutschlands in der von uns geliebten Form“.
Hinzu kam eine Portion Geschwurbel: „Als Bezugspunkt einer Großgruppen-Identifikation erfüllt die nationale Identität, so wie Stamm oder Volk, dabei ein tief verwurzeltes menschliches Grundbedürfnis.“
Helferichs Wunsch an seine Partei: Er wünscht sich in „Mosaik bürgerlicher, liberal-konservativer, libertärer, souveränistischer, nationalkonservativer und rechtsintellektueller Kräfte“
Jene „Gemäßigten“ empörte jedoch vor allem, dass Helferich anders als sie selbst die offene Konfrontation mit den „Flügel“-Kräften eben nicht suchte.
Ohne die von „Moderaten“ gewünschte einseitige Schuldzuweisung monierten Helferich und Csehan, in NRW fühlten sich „verschiedene Protagonisten unterschiedlicher Lager dazu berufen, ihre persönlichen Befindlichkeiten und halbgaren Wahrheiten über unseren gemeinsamen Auftrag zu stellen“.
Im Landesverband würden „manche“ glauben, „zuvörderst politreligiöse Grabenkriege im Innern führen zu müssen“. Das ging gegen die alte Garde des NRW-„Flügels“ – aber auch gegen einige, die sich „bürgerlich“ geben.
Statt eine Abspaltung von unliebsamen Teilen der Partei zu befürworten, beschrieb das Duo Helferich/Csehan seine Wunsch-AfD als „Mosaik bürgerlicher, liberal-konservativer, libertärer, souveränistischer, nationalkonservativer und rechtsintellektueller Kräfte, die im Rahmen der Freiheitsordnung unserer Verfassung für ihre Heimat gemeinsam zu streiten bereit sind“.
Sein Wunsch: Der „widerständige Glutkern“ in der AfD soll „Seit‘ an Seit‘“ auftreten
„Seit‘ an Seit‘“ müssten „Mitglieder, die von einem in ihrer Lesart grundsätzlich-widerständigen Glutkern der Partei beflügelt sind, und auf Sachlichkeit ausgerichtete Realpolitiker“ auftreten. „Mancherorts mag aufgrund eines entsprechend vorfindbaren Kollektivbewusstseins ein fundamentaloppositioneller Kurs besser verfangen. Anderswo rät es sich, etwas bedächtiger vorzugehen, um die Gemütslage der Landsleute bestmöglich aufzugreifen und sie einer parlamentarischen Entsprechung zuzuführen.“
Helferichs „Marler Erklärung“ wurde beim Parteitag im vorigen Jahr nicht beraten. Für Anträge blieb dort am Ende keine Zeit. Ein paar Monate später aber lieferte er neuen Anlass für Streit in der Landesspitze. Die AfD in Höxter organisierte eine Veranstaltung, bei der Landeschef Lucassen und Björn Höcke gemeinsam auftraten. Die Höcke-Gegner waren angemessen empört. Einer der Helferich-Gegner sprach gar von einem „Kuscheln mit Höcke“.
Helferich förderte die Veranstaltung so intensiv, dass Höxters Stadtverbandsvorsitzender Elia Sievers vor allem ihm für die „enorme“ finanzielle und organisatorische Unterstützung des Landesvorstands dankte. Die war allerdings in der Landesspitze nicht unumstritten. Andere Vorstandsmitglieder hätten versucht, „uns die finanziellen Mittel wieder wegzunehmen“, klagte Sievers. Zwar nannte er den Rückforderer nicht namentlich, doch jeder im Saal verstand, dass Helferichs Ko-Vize Martin Schiller gemeint war, der im Landesverband gern den Ober-„Gemäßigten“ gibt.
Der „Verfassungsschutz-Beauftragte der AfD NRW“ preschte unabgesprochen vor
Für viele in der AfD ist Helferich zu forsch, zu radikal. Auch in der aktuellen Diskussion über die mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Der VS sei eine „eine rechtspolitische Fehlkonstruktion“ und nicht reformierbar, erklärte der Dortmunder unlängst.
„Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist längst überfällig“, notierte er auf seiner Facebookseite. Damit handelte er sich einmal mehr intern Ärger ein. Vor allem, weil er seine Auflösungsforderung mit dem Hinweis versah, er, Helferich, sei „VS-Beauftragter der AfD NRW“. Für die Bochumer Landtagsabgeordnete Gabriele Walger-Demolsky war es ein „unüberlegter Post“.
Petra Schneider, wie Helferich Mitglied im Landesvorstand, wurde deutlicher: Eine „dämliche Vorlage“ nannte sie Helferichs Vorstoß. „Ich hätte Dich für klüger gehalten…“, gab sie ihm mit auf den Weg. Auf Distanz ging auch Helferichs Ko-Landesvize Michael Schild: Er sprach von einer „reinen Einzelmeinung. Vollkommen unabgesprochen im LaVo“. Nicht ausgeschlossen, dass Helferich um die Position des „VS-Beauftragten“ fürchten muss. „Über die Besetzung dieses Amtes werden wir intern sprechen“, deutete Schild schon einmal an.
Den Verfassungsschutz will er sich jedenfalls nicht nehmen lassen: „Wir selbst werden einen reformieren (sic!) VS brauchen, um in der Machtposition die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Um gegen Linksextreme, Islamisten und echte Rechtsextreme vorzugehen.“
Mag sein, dass Helferich nun einen Posten verliert. Seinen Berliner Ambitionen tut das keinen Abbruch.