Herausforderungen neuer Arbeitswelten begegnen – Agentur für Arbeit startet in Dortmund „Qualifizierungsoffensive“

1600 Jugendliche suchen noch eine Lehrstelle.
Berufsausbildung – nicht nur Jugendliche haben eine Chance verdient. Qualifizierungen und Weiterbildungen sollten in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt allen offenstehen.

„Lernen, lernen, nochmals lernen“ – im Bekenntnis zu einer solchen Lebensmaxime wären sich zwei Strategen mit ganz unterschiedlichen Weltbildern wohl einig. Die einen werden angeführt von einem mittlerweile verblassten Sozialrevolutionär namens Lenin, der die Redewendung prägte. Auf der anderen Seite stehen ArbeitsmarktpolitikerInnen der Gegenwart, denen es um individuelle Anpassungsqualifizierungen an ökonomische Erfordernisse bestellt ist. Ob als kontinuierliche Fortbildung von Fachkräften oder als Weiterbildung für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung: am Ende sollen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftssektoren stimmen – vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen durch fortschreitende Automatisierung. Und Menschen die Chance vermittelt werden, durch berufliche Qualifizierung den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Dafür nimmt die Arbeitsagentur Dortmund eine Menge Geld in die Hand – und ist auch bereit, unkonventionellere Wege zu gehen. Anschaulich erläutert wurde das Modell jetzt bei einem Besuch in einem Fachunternehmen für Keramik, das an der Maßnahme mit zwei Auszubildenden teilnimmt.

Wirtschaft im Wandel redefiniert Rollen menschlicher Arbeitskraft und bestimmt neue Anforderungen

Die beiden jungen Männer, die sich beim Pressetermin vorstellen, sind Mitte zwanzig und nach herkömmlichem Bild eigentlich schon ein bisschen zu alt, um jetzt noch eine Lehre zu beginnen. Doch auf einem Arbeitsmarkt im Wandel steht so manche Üblichkeit infrage.

Ewig weiter in ein und derselben Logik?
Es geht letztlich um eine gesellschaftlich möglichst vernünftige Vorbereitung auf absehbare Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0. Foto: Wikipedia

Früher etwa – fast noch bis vor einigen Jahrzehnten – ergriffen Jugendliche mit ihrer Lehre einen Beruf, in dem sie höchstwahrscheinlich für den Rest ihres Lebens beschäftigt sein würden. Nach heutigen Verhältnissen ein Witz.

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Denn mit der relativen Geradlinigkeit eines durchschnittlichen Arbeitslebens ist es vorbei. Gleiches gilt für die Eintrittsalter in einen Beruf. – Die zunehmende Prozessdigitalisierung von Betriebsabläufen und Wertschöpfungsketten des 21. Jahrhunderts diffundiert in die Bestandstiefe des Wirtschaftens: sie bringt nicht nur ein neues und sich immer schneller transformierendes Geflecht von Beziehungen hervor, neue Kommunikationswege, Kooperationsformen und Qualifizierungsstrategien.

Auch die traditionelle Rolle menschlicher Arbeitskraft selbst steht zur Disposition. Die Erscheinungsformen dessen variieren sicherlich sehr stark branchentypisch, doch gemeinsam ist ihnen mindestens eins: dass die wirtschaftlichen Anforderungen an Arbeit genauso beständiger Veränderung unterliegen. Anders gesagt: es reicht in der Regel nicht mehr, einmal eine Ausbildung gemacht zu haben. Das dort vermittelte Wissen kann schnell überholt sein.

Verschärfter Qualifizierungsdruck vor allem bei hohem Substituierbarkeitspotential

Quelle: Agentur für Arbeit Dortmund

Daher ist heutzutage die (Re-)Qualifizierung auf dem Arbeitsmarkt unabdingbarer denn je. Und gelingt in manchen Berufsfeldern kaum, wenn händeringend Fachkräfte auf Höhe der Zeit gesucht werden – d.h.: mit deren Handlungswissen und Fertigkeiten Wettbewerbsfähigkeit erhalten und gesteigert werden kann.

Durch fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung verändern sich unter anderem Inhalte von Berufsbildern immer schneller. Dementsprechend verschieben sich Anforderungen an Beschäftigte, begleitet von einem Anstieg fachübergreifender Kompetenzerwartungen.

Konsequenz: ein sich verschärfender Qualifizierungsdruck auf ArbeitnehmerInnen vor allem in Berufssegmenten mit hohem Substituierbarkeitspotential durch innovative Automatisierung. Das sind solche mit einem verhältnismäßig starken Anteil von Tätigkeiten, die (bereits heute) potentiell von digital gestützten Abläufen ersetzt werden könnten (s.u. die Links zu den beiden IAB-Berichten).

Je komplexer eine Tätigkeit ist, desto weniger schnell kann sie bei Automatisierung ersetzt werden

Das Substituierungspotential einzelner Berufe. Quelle: IAB
Das Substituierungspotential einzelner Berufe. Quelle: IAB

Wodurch zudem Weiter- oder Fortbildungen, letztendlich lebenslanges Lernen motiviert sein sollten: es gibt nicht nur einen stabilen Zusammenhang zwischen dem qualitativen Anforderungsprofil eines Berufs und dessen Gefährdung durch Digitalisierung.

Es gilt nicht nur: je höher dies ist, gemessen an formalen Qualifikationsvoraussetzungen, desto eher versagen empirisch die neunmalklugen Algorithmen. Sondern des Weiteren: die Zunahme des Substituierbarkeitspotententials qua Innovation wird mit steigenden Anforderungen kleiner.

Dies bedeutet, zumindest der Tendenz nach: Je anspruchsvoller eine Tätigkeit ist, desto langsamer können Teilhandlungen automatisiert werden. Komplexe Arbeitsabläufe sind gegenüber einer möglichen Digitalisierung abwehrfähiger.

Wer heutzutage mithin auf dem Arbeitsmarkt bestehen möchte, wird kaum umhinkommen, individuelle Fähigkeiten oder Fertigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln und an aktuell nachgefragte Tätigkeitsformen zu adaptieren.

Die alte Forderung – zu arbeiten, um zu leben, statt nur zu leben, um zu arbeiten – erscheint vor diesem Hintergrund endgültig als naiver Ausfluss von Sozialromantik.

Disproportionalität von angebotenen Helferstellen relativ zu Personen, die Helfertätigkeiten suchen

Wen dieses System immerwährenden Anpassungsdrucks zuungunsten eigener Lebenszeit bereits frühzeitig ausspuckte, hat offenbar ganz schlechte Karten: dann, wenn unter Umständen gar keine abgeschlossene Berufsausbildung vorgewiesen werden kann. Hier, bei den Helfertätigkeiten, das zeigen Untersuchungen, ist die Gefahr ihrer Ersetzung durch automatisierte Abläufe besonders groß – damit die von Arbeitslosigkeit.

Umso beunruhigender in diesem Sinne, mit Blick auf die Kommune: nach Auskunft der Agentur für Arbeit verfügten im Jahr 2018 mehr als 20.000 Dortmunder Arbeitslose über keine abgeschlossene Berufsausbildung; davon sind knapp 18.000 langzeitarbeitslos oder länger als ein Jahr ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und mithin an das Jobcenter gebunden.

56 Prozent der Gemeldeten ohne Job suchen lediglich eine Helferstelle. Die betragen demgegenüber allerdings nur 22 Prozent aller als vakant gemeldeten Arbeitsplätze in der Stadt. Hier liegen aber nicht nur ein Problem wie Herausforderungen, sondern es schlummern zugleich insofern Potentiale, die es zu entwickeln gälte, als humane Ressourcen volkswirtschaftlich brach liegen. Ein Umstand, für den es nicht immer zwingend gute Gründe gibt. Zumal eine Berufsausbildung das Risiko von Arbeitslosigkeit senkt.

„Jahr der Chancen“: Agentur für Arbeit Dortmund ruft „Qualifizierungsoffensive“ aus

Hier setzt das seit Anfang des Jahres in Kraft getretene „Qualifizierungschancengesetz“ an, das ein bereits seit 2007 bestehendes Programm erweitert. Es ermöglicht im Grundsatz eine stärkere Förderung beruflicher Weiterbildung – nämlich unabhängig von Lebensalter, Ausbildung und Betriebsgröße. In diesem Rahmen hat die Arbeitsagentur Dortmund nun eine „Qualifizierungsoffensive“ ausgerufen, unter dem Motto: das „Jahr der Chancen“.

Mit ihr sollen Unternehmen wie Beschäftigte in der Stadt gestärkt werden. So besteht die Möglichkeit, das Absolvieren eines Berufsabschlusses zu fördern, Schulungskosten und Zuschüsse zum Lohn für ArbeitnehmerInnen zu übernehmen. Auch scheut sich die Agentur mitnichten, Prämien für bestandene Prüfungen auszubezahlen. Fleiß will belohnt sein, wo es sonst hapert.

Neu ist insbesondere, dass sich die Maßnahmen ebenfalls an Fachkräfte richten, da nach Einschätzung der kommunalen SpezialistInnen für Arbeitsmarktpolitik diese Gruppe (57 Prozent aller Beschäftigten), obwohl höherqualifiziert, am stärksten von der Digitalisierung betroffen sein wird. Hier ginge es dann um sog. Anpassungsqualifizierungen oder Fortbildungen, d.h. um die Adaption und Erweiterung der in einer Ausbildung erworbenen Kenntnisse auf – infolge von Digitalisierung – modifizierte Tätigkeitsbeschreibungen im erlernten Beruf hin.

Am Beispiel von „La Ceramica“ aus Schüren: Nachwuchssorgen in den Handwerksbetrieben

Insgesamt knapp 14 Millionen Euro wird die Dortmunder Arbeitsagentur 2019 für „qualifizierungsorientierende Leistungen“ ausgeben; zusammen mit dem Jobcenter sind das rund 27 Millionen. Eine Summe, mit der im vergangenen Jahr etwa 4.000 Menschen unterstützt werden konnten, bei denen es irgendeinen Bedarf zur Nachqualifikation gab.

Ausbildungsmessen wie hier im Dietrich-Keuning-Haus bringen junge Menschen und Ausbildungsbetriebe in Kontakt. Foto: DKH
Ausbildungsmessen wie hier im Dietrich-Keuning-Haus versuchen, junge Menschen und Ausbildungsbetriebe miteinander in Kontakt zu bringen. Foto: DKH

Und vor Ort, in den Betrieben? Wie stelle sich die Marktlage dort da, möchte Thomas Terhorst, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Dortmund wissen. Die Antwort fällt ziemlich deutlich aus. Was den Nachwuchs beträfe – sie sei schlecht, erklärt Thomas Hietkamp von La Ceramica, einem modernen Fachgeschäft für Fliesen und Mehr in Dortmund-Schüren, wohin die Agentur eingeladen hatte.

Ja, sie hätten über ihre Internetpräsenz Auszubildende gesucht, ebenso über das Arbeitsamt, so der Inhaber des Meisterbetriebs östlich des Phoenix-Sees. Doch es wird aus seinen wenigen Andeutungen klar: es gibt nur wenig Bewerbungen für den als „Fliesen-, Platten- und Mosaikleger“ bezeichneten Ausbildungsberuf zur Fachkraft. Und die sind, wie seinen Worten zu entnehmen ist, aus inhaltlichen oder formalen Gründen häufig schlicht eine Katastrophe.

Zwei jüngere Erwachsene ohne abgeschlossene Berufsausbildung beginnen eine Lehre

Nichtsdestotrotz: zwei junge Leute haben es mit Unterstützung der Qualifizierungsoffensive vom Arbeitsamt zunächst bis hierhin in die Firma und in die Maßnahme geschafft. Natürlich handelt es sich auch um Vorzeigekandidaten, die sich von gescheiterten BewerberInnen irgendwie positiv abheben müssen.

Bei La Ceramica in Dortmund-Schüren (v.l.:) Gerda Rohde und Melanie Flusche (Arbeitgeber-Service und Bereichsleitung der Agentur für Arbeit Dortmund), Thomas und Tanja Hietkamp (Inhaber La Ceramica), Patrick Scawn und Jamal Almatora. Foto: Thomas Engel

Da ist der 25-jährige Patrick Scawn. Er arbeitet schon seit einem Jahr in dem Schürener Unternehmen – als Helfer. Zuvor hatte er sich mit verschiedenen Jobs durchgeschlagen.

Nun beginnt er, quasi als Quereinsteiger, im laufenden Betrieb von La Ceramica mit einer um ein Drittel verkürzten Lehre, die in seinem Fall einer Umschulung gleichkommt, ihn aber im Erfolgsfall zum gleichen Abschluss führen wird, wie ihn „reguläre“ Auszubildende nach der vollen Lehrzeit erlangen.

Jamal Almatora, 26, arbeitet erst in der zweiten Woche bei den KeramikspezialistInnen. Der syrische Flüchtling hatte bereits in Syrien und Jordanien zusammen mit seinen Brüdern sechs Jahre lang als Fliesenleger gearbeitet.

Vor etwa dreieinhalb Jahren in der Bundesrepublik angekommen, hat er seither Integrations- und Sprachkurse besucht, erfolgreich die C1-Prüfung abgelegt und die Mittlere Reife nachgeholt.

Handwerk ist weitaus attraktiver als sein Ruf – oder möchte sich etwa niemand mehr dreckig machen?

Jetzt will er sich in seinem zuvor angelernten Beruf weiterentwickeln und beginnt wie sein Kollege Patrick mit der verkürzten Ausbildung zur Fachkraft als Fliesenleger. – Dass diese Bereitschaft, heutzutage überhaupt noch in einen Handwerksberuf einzusteigen, recht spärlich gesät ist, mag vielerlei Gründe haben. Doch es ist ein Umstand, der in der Gesprächsrunde vor Ort auf Unverständnis stößt. Vielleicht wollte sich niemand mehr dreckig machen, wird geflachst.

Ausbildungsmarkt nach Berufen – nur geringfügige Änderungen zu den Vorjahren
Ausbildungsmarkt nach Berufen, Stand April 2019 – deutlich wird auch ein Passungsproblem. Quelle: Agentur für Arbeit Dortmund

Wenn das Handwerk bei jungen Leuten scheinbar nicht mehr als attraktiver Beruf gesehen würde, dann sei das für ihn nicht nachvollziehbar, betont der La Ceramica-Chef unumwunden. Es handele sich immerhin um extrem gut bezahlte Jobs, die – schaue er auf seinen Betrieb – für die Beschäftigten darüber hinaus viele kreative Möglichkeiten böten.

Deshalb gilt für den Firmeninhaber als ausgemacht: Im Handwerk – das seien eben nicht nur jene Jobs, die übrigblieben, sondern solche, die letztlich „der Motor für unsere Wirtschaft sind“. Oder anders: die Basis allen Reichtums entsteht durch der Hände Arbeit. – Für Melanie Flusche (Bereichsleitung der Agentur für Arbeit) spricht ein weiterer gewichtiger Punkt für diese Sorte von Beruf: es seien hier eben auch sichere Jobs. Weshalb es ihnen nur äußerst selten gelänge, Fachkräfte zu vermitteln. Denn jene, die einen Job hätten, die blieben eben auch darin.

Wenn eine Einstellung von Fachpersonal an den betriebseigenen Mindeststandards scheitert

Was ebenso damit zusammenhängen muss, dass Beschäftigte im Handwerk seltener herausbefördert werden. Eine gute Fachkraft beim vielerorts notorischen Mangel an qualifiziertem Personal auf die Straße zu setzen – da muss es schon ziemlich dicke kommen.

Suche nach Fachkräften auf der Homepage des Betriebs. Quelle: La Ceramica.

Was die Lage für ein Unternehmen wie La Ceramica und andere weiter verkompliziert: die firmeneigenen Standards widerstreiten offensichtlich so manchem Wildwuchs im Charakterwald der Zunft. Externe hätten seiner Erfahrung nach Schwierigkeiten, sich in den Betrieb „hineinzugewöhnen“ – an die Weise, wie hier gearbeitet würde, erklärt Thomas Hietkamp.

Wenn er das hauseigene Anspruchsniveau erläutert und bestimmt mit Ausdrücken umschreibt wie „Sauberkeit beim Arbeiten“, „Schnelligkeit“, „Verhalten gegenüber dem Kunden“ – lässt sich erahnen: unterhalb dieser Qualitätskriterien läuft in dem Laden nichts. Genauso wie der in seinem Geschäft über das Keramik-Gewerk auf der Ausstellungsfläche vermittelte Lifestyle ziemlich edel wirkt, gleichwohl durchaus Fliesen für unter 30 Euro pro Quadratmeter erhältlich seien – wie Tanja Hietkamp versichert.

Ausbildung muss sich – gerade für kleinere Betriebe – irgendwann wirtschaftlich darstellen lassen

Über 40 Berufe werden vorgestellt. Foto: nordstadtblogger.de

Die Konsequenz liegt auf der Hand: für ihn bliebe als einzige Option, selbst auszubilden. Doch in den letzten sechs Jahren habe er leider keinen der Ausgebildeten behalten können, seufzt der Firmenchef.

Einer sei sehr gut gewesen, hätte aber unrealistische Vorstellungen gehabt; ein anderer hätte „gar nichts hinbekommen“. Der habe die Prüfung dreimal machen müssen, schließlich mit Ach und Krach bestanden, und nur mit allen Augen zugedrückt, ergänzt Tanja Hietkamp.

So ein Durchhangeln sei für ihn inakzeptabel, macht der Handwerksmeister klar: irgendwann müsse man eben auch mit den Leuten Geld verdienen können.

Meint: es soll und muss sich wirtschaftlich rechnen. Was einleuchtet, denn ist das nicht absehbar, passt es strategisch nicht – gerade in kleineren Unternehmen mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten.

Womit ihnen in dieser Situation geholfen werden könnte, ist, ihren Handlungsspielraum für die mit einer Ausbildung verbundenen Kosten und Risiken zu erhöhen. Dies genau soll durch die Förderangebote der Dortmunder Qualifizierungsoffensive gewährleistet werden. Es geht hier um die Förderung von Weiterbildung im laufenden Betrieb.

„Für uns war an der Geschichte interessant, dass die Lehrzeit verkürzt ist.“

Wie sieht das konkret aus? Die Förderung spricht vor allem Erwachsene ab einem Alter von 25 an. Darunter, so Melanie Flusche, würde der normalen betrieblichen Ausbildung der Vorrang gegeben. Nach oben allerdings sind keine Grenzen gesetzt.

Ergo: auch wem ein halbes Jahrhundert bereits auf den Schultern lastet, kann sich noch die Ehre geben, eine Lehre zu machen. Ein Unterschied: Einstieg ist das zweite Lehrjahr, die Ausbildung verkürzt sich dadurch von drei auf zwei Jahre.

Für Thomas Hietkamp ein entscheidender Punkt: „Für uns war an der Geschichte interessant, dass die Lehrzeit verkürzt ist“, macht er klar und hat dafür eine plausible Begründung: „Das erste Ausbildungsjahr ist bei der Blockausbildung, wie wir sie haben, ein sehr allgemeines Jahr, wo wir als ausbildender Betrieb die Auszubildenden kaum sehen“, so der Unternehmer.

Da bliebe in diesem ersten Jahr nicht viel für den Betrieb übrig. Zumal es offenbar seiner Erfahrung nach gang und gäbe ist, sich während der knappen Zeit in der Firma noch den Jahresurlaub zu nehmen. „Vielleicht nicht für den Auszubildenden, aber für uns ist das schon ein relativ verschenktes Jahr“, fasst er zusammen. Das sehe im zweiten und dritten Jahr schon anders aus.

Bestandene Prüfungen werden in dem Projekt jeweils mit 1.000 bzw. 1.500 Euro prämiert

An der Steinstraße in der Nordstadt in ist die Zentrale von Agentur für Arbeit und Jobcenter in Dortmund.
An der Steinstraße in der Nordstadt laufen die Fäden bei der Arbeitsagentur Dortmund zusammen. Foto: Alexander Völkel

In diesen beiden Lehrjahren werden Patrick Scawn und Jamal Almatora, wenn alles gutgeht, ganz normal ihre Zwischen- und Abschlussprüfung ablegen, worauf sie den gängigen Gesellenbrief erhalten. Der Arbeitgeber wiederum bekommt alles, was mit der Ausbildung zu tun hätte, erstattet. Von den Kosten für die Berufsschule bis zur Arbeitskleidung. Zusätzlich gäbe es einen Lohnzuschuss. Der ist schon deshalb vonnöten, weil den beiden Lehrlingen nicht das normale Ausbildungsgehalt gezahlt wird.

Sondern sie erhielten ein Helfergehalt nach Tarif, erläutert Gerda Rohde vom Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur. Der Gedanke dahinter: da die Leute älter sind, vielleicht schon eine Familie haben, könnte der Lebensunterhalt vielleicht nicht allein mit einem Lehrlingsgehalt bestritten werden.

Und es soll sich für sie lohnen. Bestandene Prüfungen bedeuten Bares, so ist es gesetzlich festgeschrieben. Für die erfolgreiche Zwischenprüfung gibt es eine Weiterbildungsprämie von 1.000 Euro; die Abschlussprüfung ist gar mit 1.500 Euro dotiert.

Prämien bei bestandener Prüfung? – Allgemeines Gelächter, als Thomas Hietkamp witzelt: die seien bei ihm natürlich an entsprechende Noten in der Prüfung gebunden – eine Zwei sollte es schon sein, besser ginge auch. Orientierung an den Besten, das müsse in der individuellen Motivation stecken. Und zeigt damit unmissverständlich an, was er von seinen neuen Azubis erwartet.

Weitere Informationen:

  • IAB-Forschungsbericht: Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt. Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland, 11/2015, hier:
  • IAB-Kurzbericht zur Substituierbarkeit von Berufen, April 2018, hier:
  • Im Rahmen der Qualifizierungsoffensive „Jahr der Chancen“ wird der Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Dortmund örtliche Betriebe mit einem Informationspaket ausstatten, aber auch lokale Unternehmen besuchen, um vor Ort Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Fördermöglichkeiten informieren. Die Aktion findet vom 9. bis 13. September statt. Arbeitgeber die ebenfalls Interesse an der „Info-Tour“ der Agentur für Arbeit haben, können sich noch bis Ende August beim Arbeitgeber-Service unter der Telefonnummer: 0231-842 1666 melden oder per Mail an: dortmund.arbeitgeber@arbeitsagentur.de in Kontakt treten.

 

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  1. Initiative „Match & Win“

    Zurück ins Arbeitsleben

    Die Initiative „Match & Win“ führt Langzeitarbeitslose zurück ins Berufsleben ohne öffentliche Mittel. Die Kernidee basiert auf der Kommunikation mit regionalen Unternehmen über deren genauen Bedarf – und auf der kritischen Überprüfung der Arbeitsaufteilung im Unternehmen. Das Konzept geht auf.
    Ein verlässlicher Indikator für Themen von öffentlichem Interesse sind stets regionale TV-Programme wie die WDR-Lokalzeit. Dort ging es am 17. Juli um „Match & Win“, ein Konzept gegen die Langzeitarbeitslosigkeit, Menschen erfolgreich in das Berufsleben zurückholt. Match & Win kommt dabei ohne öffentliche Fördermittel für die Vermittlung aus. Es geht zurück auf eine Initiative des Unternehmensverbandes Östliches Ruhrgebiet e. V. und der Wirtschaftsförderung Dortmund, unterstützt vom Arbeitgeberservice des Jobscenters Dortmund. Geleitet wird Match & Win von der Dortmunder Managementberatung Mandat.
    „Unser Ziel ist es, langzeitarbeitslosen Menschen einen wertschöpfenden Arbeitsplatz zu vermitteln“, sagt Mandat-Prokuristin Linda Vollberg. So kann eine Win-Win-Situation entstehen. „Wir ermitteln die Bedarfe eines Unternehmens und bieten passende Kandidaten an, die dadurch wieder neuen Selbstwert erfahren“, ergänzt Fabian Vollberg, Senior-Berater bei Mandat Managementberatung. Das ist ein wichtiges Element von Match & Win: Menschen gewinnen Selbstwert durch ihr Wachstum.

    Erfolgreich Vermittlung von drei Arbeitssuchenden seit dem Start
    Mithilfe des Programms wechselte jüngst ein lange Jahre arbeitssuchender Endzwanziger in den ersten Arbeitsmarkt und erhielt einen Arbeitsvertrag bei der Walter Viet Stahl- und Metallbau GmbH. Seit dem Start konnten damit bereits zwei Langzeitarbeitslose erfolgreich vermittelt werden, eine weitere Arbeitssuchende befindet sich gerade in der Vermittlung. Wichtig ist, dass es sich bei den Arbeitsplätzen um Vollzeit-Stellen handelt und nicht um Praktikums-Plätze.
    Auch die Unternehmen loben Match & Win. Thorsten Rüping, Geschäftsführer der EURO-Filter GmbH: „Für uns hat sich Match & Win vollauf gelohnt. Das System ist gut und der größte Vorteil daran ist die passgenaue Auswahl der Bewerber vorab. Unser Ressourcen-Einsatz hat sich gerechnet und wir konnten diese wertvolle Chance hervorragend nutzen, um einen neuen Mitarbeiter zu finden.“ Das Projekt soll nun in eine ehrenamtliche Struktur überführt werden, um langfristig Langzeitarbeitslose und Unternehmen zusammenzuführen.

    Der Knackpunkt: Arbeit im Unternehmen neu verteilen
    Besonders in Dortmund herrscht ein hoher Druck auf dem Arbeitsmarkt. Die Stadt hat seit den 1970er Jahren circa 35.000 Helferarbeitsplätze verloren. Bis heute ist dies eine der Ursachen für die relativ hohe Langzeitarbeitslosigkeit. „Match & Win“ kann hier mit seinem betriebswirtschaftlichen Ansatz nachhaltige Wirkung erzielen. Das Konzept basiert auf der Annahme, dass in Unternehmen zahlreiche Tätigkeiten verrichtet werden, die keine hochrangige Qualifikation erfordern. Helfertätigkeiten sind also nicht vollständig verloren gegangen, sondern werden heute häufig nicht mehr einzeln wahrgenommen. Sie werden von überqualifizierten Fachkräften „miterledigt“, was jene Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Arbeit abhält.
    „Im Dialog und bei der Erprobung der Initiative mit einigen Dortmunder Unternehmen haben wir diesen unentdeckten, betriebswirtschaftlich begründbaren Bedarf bestätigen können“, erläutert Professor Guido Quelle, Geschäftsführender Gesellschafter der Mandat Managementberatung. „Auf Basis der ermittelten Ergebnisse haben wir einen Indikatoren-Check konzipiert, um genau diese Anforderungen und Potenzialbereiche systematisch herauszufinden.“ Egal ob Handel, Dienstleistung oder Industrie, die Beschäftigung von gering qualifizierten Arbeitskräften ermöglicht gerade im Zuge des Fachkräftemangels außerordentliche Chancen für Unternehmen.

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