Die Clubszene in Nordrhein-Westfalen befindet sich in einer Krise, die nicht nur von der Pandemie, sondern auch von steigenden Betriebskosten, verändertem Ausgehverhalten und fehlenden Fördermitteln geprägt ist. Stephan Benn, Vorsitzender der Liveinitiative NRW (LINA), setzt sich mit seinem Team für die Belange von Clubs und Festivals im Land ein. Er merkt, dass es für viele Clubs eng wird, und sieht die Notwendigkeit, rechtzeitig gegenzusteuern. Im Gespräch erklärt er die Mission von LINA, die sich für den Erhalt der Clubkultur stark macht und dabei auf eine bessere Anerkennung als Kulturraum drängt.
Herausforderungen und Visionen für die Clubkultur
Die LINA vertritt Clubs mit einer Kapazität von bis zu 2000 Personen, Festivals bis zu einer Kapazität von 20000. Die Initiative setzt sich für die Förderung von kleineren, aber kulturell bedeutenden Betrieben ein. „Es gibt Lösungen, aber sie müssen auf die individuellen Bedürfnisse der Clubs zugeschnitten sein“, erklärt Benn. „Die Clubs müssen als Kulturräume akzeptiert werden. Der Umgang mit Clubkultur ist immer noch von Vorurteilen geprägt – derzeit werden Clubs baurechtlich als Vergnügungsstätten und nicht als Kulturräume gesehen, was die Schließung während der Pandemie begünstigte.“ Diese Haltung sei jedoch kontraproduktiv, so Benn, der betont, dass Clubs wie der Tresor West in Dortmund nicht nur Orte des Feierns sind, sondern auch soziale und kulturelle Räume, die besonders für die junge Generation eine wichtige Rolle spielen. ___STEADY_PAYWALL___
Die Herausforderungen der Clubkultur sind jedoch enorm. Von den hohen Energiekosten bis hin zu den finanziellen Schwierigkeiten der Clubs aufgrund sinkender Kaufkraft der Besucher:innen. Auch die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen: „Der Gesellschaft hat die Corona-Zeit überhaupt nicht gut getan – die Vereinsamung, die Konzentration auf sich. Das Zusammenkommen ist wichtig, damit unsere Gesellschaft funktioniert.“
Außerdem berichtet er, dass es Barrieren beim Eröffnen eines neuen Clubs gibt. „Der Prozess zur Neugründung eines Clubs ist zu kompliziert und teuer. Rechtliche Rahmenbedingungen und langwierige Baugenehmigungsverfahren verlangen einen langen Atem, den die wenigsten haben.“
Sein ehrenamtliches Engagement beruht auf dem Leitsatz: „Man kann nur gehört werden, wenn man die Stimme erhebt.“ Benn arbeitete in der Vergangenheit als Anwalt in der Kreativbranche und ist in seiner Anstellung in einem Club auch als Ausbilder für Veranstaltungskaufleute sowie Lehrbeauftragter im Studiengang Populäre Musik und Medien an der Universität Paderborn tätig. Durch seine Berufserfahrung weiß er wie wichtig es ist, über die Zukunft zu sprechen und sich zu vernetzen, sagt er.
Die Stadt in der Verantwortung: Die Rolle des Nachtbeauftragten
Christoph Stemann, seit über drei Jahren Nachtbeauftragter der Stadt Dortmund, verbindet die unterschiedlichen Akteuren des Nachtlebens. In seiner Rolle fördert er den Dialog zwischen Clubbetreiber:innen, Behörden und der Polizei. Ein Beispiel ist das Projekt „Dortmund Guides“, das mit unterschiedlichen Menschen Konflikte im öffentlichen Raum deeskalieren soll.
Als ehemaliger DJ und Veranstalter bringt er Erfahrung ein und zeigt eine klare Vision für die Entwicklung der Clubkultur: „Ich mag meinen Job total. Wenn ich das Gefühl hätte, hier passiert nichts, würde ich das nicht machen.“ Seiner Auffassung nach fördert die Stadt Dortmund die Clubkultur ausreichend. „Es gibt kaum Politiker:innen wie Herrn Westphal, die die Clubkultur so fördern. In meinen Augen sind wir vergleichsweise weit vorne.“
Aber auch Stemann sieht die Veränderungen im Ausgehverhalten. Die Pandemie hat das soziale Leben vor allem jüngeren bei Menschen im Alter von 25 und 30 Jahren verändert. „Die 18- bis 25-Jährigen sind nach der Pandemie sehr viel weggegangen, das hat sich aber nach rund einem Jahr relativiert“, erklärt er. „Dafür gibt es einen neuen Trend – ältere Menschen gehen gezielter aus und haben vielleicht andere Hobbys gefunden. Egal ob Konzerte oder Partys – bei der Gruppe um die 25-Jährigen gibt es bei den Veranstaltungsbesuchern Einbrüche von teilweise 50 Prozent und mehr, im Vergleich zu Zahlen vor der Pandemie.“
Trotz dieser Herausforderungen sieht Stemann keine akuten Clubschließungen in Dortmund – im Gegenteil, es entstehen neue Clubs. „Das zeigt, dass Dortmund auf einem guten Weg ist.“ Er hebt die Abschaffung der Sperrstunde und der Vergnügungssteuer als entscheidende Erfolge hervor, die Clubs als kulturelle Räume stärken. Mit der Einführung des „Clubpreises“, der im Februar erstmals verliehen wird, unterstreicht Dortmund seine Wertschätzung für die Clubkultur.
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