Da lächelt vermutlich so mancher Raser – und mit ihm jene Kompagnons, denen Verkehrsregeln offenbar schnuppe sind: Die am 28. April 2020 in Kraft getretene Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung ist aufgrund der fehlenden Zitierung der Rechtsgrundlage formal nichtig. Das hatten die Jurist*innen im Verkehrsministerium schlicht vergessen, peinlich, peinlich. Heißt: Was seither wegen Verstoßes gegen das Straßenverkehrsgesetz geahndet wurde, steht in seiner Höhe nun zur Disposition. Pikant: Expert*innen zufolge kommen am ehesten wahrscheinlich die großen Sünder davon. Zwar nicht ganz, aber die teils drastischen Verschärfungen der Strafen bei Verkehrswidrigkeiten aus dem geänderten Regelwerk werden vermutlich auf einen Teil von ihnen keine Anwendung finden; insbesondere nicht bei Fahrverboten. Die Stadt Dortmund hat nun bekanntgegeben, wie sie (bzw. die Bezirksregierung in Arnsberg) mit der Lage umzugehen gedenkt.
Jurist*innen aus dem Bundesverkehrsministerium vergessen wichtigen Passus in der Rechtsverordnung
Die Nichtigkeit der Bußgeldkatalog-Verordnung resultiert aus einer Posse im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das ihn erlassen hat. Denn es handelt sich hier nicht um ein Gesetz, sondern um eine Rechtsverordnung.
Da beim Erlass (oder auch der Änderung) einer betreffenden Verordnung das Parlament (der Bundestag) als gesetzgebende Instanz nicht beteiligt ist, muss dafür zwingend auf ein bereits existierendes Gesetz als Grundlage Bezug genommen werden, damit das jeweilige Ministerium oder eine andere Stelle die Vorschrift überhaupt erlassen kann. ___STEADY_PAYWALL___
Leider haben die Spezialist*innen aus dem Verkehrsministerium das aber vergessen. Was in diesem Fall fehlt, ist der Hinweis auf den § 26a Abs.1 Nr. des Straßenverkehrsgesetzes (Verwarnung, Ordnungswidrigkeit, Fahrverbot). Expert*innen zufolge sind damit zumindest Teile der Verordnung rechtsungültig.
Dies betrifft insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen zwischen 21 und 30 km/h innerorts, zwischen 26 und 40 km/h außerorts, das Nichtbilden oder Befahren einer Rettungsgasse sowie gefährliches Abbiegen. Die Stadt Dortmund hat am Dienstag die Regulative bekannt gegeben, wie sie und die Bezirksregierung Arnsberg nun mit der Situation umgehen werden.
In den meisten Fällen: entscheidend ist, ob Bußgeldbescheide bereits rechtskräftig sind oder nicht
Sämtliche noch nicht rechtskräftig abgeschlossene und zukünftige Bußgeldverfahren seien danach zunächst wieder nach der Rechtslage vor dem 28. April 2020 zu bescheiden, heißt es seitens der Stadt. Bereits ergangene Bußgeldbescheide, die noch nicht rechtskräftig sind, würden inzwischen zurückgenommen und korrigiert neu erlassen.
Die schlechte Nachricht für einige Verkehrssünder*innen: Eine Rücknahme von rechtskräftigen Bußgeldbescheiden ist laut Stadt Dortmund nicht möglich. Auch bereits gezahlte Verwarnungsgelder könnten nach dem Erlass vom 13. Juli 2020 nicht erstattet bzw. zurückgezahlt werden. Bei Verwarnungsgeldverfahren, die noch nicht bezahlt und damit noch nicht abgeschlossen seien, erfolge „eine neue Anhörung nach der bis zum 27. April 2020 geltenden Rechtslage“.
Und weiter: „Lediglich auf Grundlage des ungültigen Bußgeldkatalogs bereits verhängte Fahrverbote werden aufgrund der Intensität des damit verbundenen Grundrechtseingriffs durch die Bezirksregierung Arnsberg im Rahmen einer ,Gnaden-Entscheidung’ geprüft. Sobald die Fahrverbote von dort aufgehoben werden (wovon auszugehen ist), erfolgt umgehend eine Information der Betroffenen durch die Bußgeldstelle der Stadt Dortmund.“
Ironie ist mithin: Wer sich besonders dreist verhalten hat, wird unter Umständen – und anders als viele „kleine Sünder“ – nicht härter bestraft als sonst. Aus dem Schneider – zumindest nach den alten und noch nicht verschärften Kriterien der neuen, inzwischen aber wieder eingestampften Bußgeldverordnung von April – sind demnach einige aus einer schillernden Gruppe von Unverbesserlichen: die berüchtigten Raser (oder andere Verkehrsrowdys mit bereits zuvor hohem Punktekonto).
Die Stadt Dortmund macht bereits Nägel mit Köpfen, denn ihr bleibt nach dem ministerialen Lapsus wohl nichts anderes übrig: sie sendet die seit April in Verwahrung gegebenen Führerscheine gegenwärtig wieder zurück – dies betrifft immerhin 12 Exemplare. Na dann: Gute Fahrt!
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