Ratsmehrheit für Kompromiss - Hallen sollen aber künftig umplanen

Grünes Licht für temporäre Sperrungen des Westfalenhallen-Wegs nach kontroverser Debatte

Nachdem kürzlich 1000 Menschen gegen die temporären Schließungen protestiert haben, gab es vor der Ratssitzung eine Mahnwache.
Nachdem kürzlich 1000 Menschen gegen die temporären Schließungen protestiert haben, gab es vor der Ratssitzung eine Mahnwache. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Kontroverse Debatte um den Fuß- und Radweg über das Gelände der Westfalenhallen auch im Rat: Trotz vielfältiger Proteste wird der Weg zeitweise geschlossen, wenn dies für den Messebetrieb nötig ist. Einhellig waren nur zwei Punkte: Dass der Weg grundsätzlich offen bleibt und dass schrittweise eine gestalterische Aufwertung des vorhandenen Verbindungsweges im Zuge der Überplanung und Modernisierung der Hallen erfolgt, soweit dies baulich/ technisch und insbesondere unter Berücksichtigung sicherheitstechnischer und haftungsrechtlicher Fragestellungen möglich ist.

Eine Wegeöffnung wird nur bei BVB-Heimspielen garantiert

Nur während des Heimspiels des BVB wurde der Weg geöffnet.
Während des Messebetriebs wird nur während eines Heimspiels des BVB der Weg auf jeden Fall geöffnet. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Im Umkehrschluss heißt es aber auch, dass die Messe, wenn immer sie es aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht für nötig erachtet, den Weg für den Rad- und Fußverkehr sperren kann bzw. muss. Nach aktuellem Planungsstand sind das rund 30 Tage im Jahr. 

Eine starre Deckelung bedeutet das aber nicht: Wenn der Corona-bedingte erlahmte Messebetrieb wieder anzieht, sind auch mehr Sperrtage denkbar – die Verkehrssicherung kennt keine Deckelung. Ausgenommen sind davon nur die Nutzung der Wegeverbindung anlässlich von Spielen des BVB im Signal-Iduna-Park – hier muss die Westfalenhalle die Nutzung gewährleisten.

Ebenfalls auf den Weg gebracht wurde auch der Bau einer weiteren Fuß- und Radwegerampe westlich des Eissportzentrums zu den Rosenterrassen zur Ergänzung des vorhandenen Fuß- und Radwegenetzes.

Vielstimmige Kritik, dass keine Alternativen zur Sperrung geprüft wurden

Noch können Fuß- und Radverkehr auf direktem Weg von B1 zum Stadion kommen.
Die Westfalenhallen würden den Fuß- und Radverkehr am liebsten ganz von ihrem Gelände verbannen.

Die kontroverse Diskussion der vergangenen Wochen und Monate wurde  – wie schon in diversen Gremiensitzungen zuvor – deutlich. Dazu passte auch die Mahnwache von Kritiker:innen der temporären Schließung, die vor der Ratssitzung nochmals für eine generelle Offenhaltung der Wegeverbindung demonstrierten. 

Dass das DEKRA-Gutachten, welches die Sperrung des Weges aus Gründen der Verkehrssicherung fordert, unter Verschluss blieb, wurde von mehreren Fraktionen kritisiert. Hannah Sassen (Grüne) gehörte zu den Kritiker:innen, dass das Gutachten nicht zumindest den Ratsmitgliedern zugänglich gemacht wurde.

Vor allem die Haftung auch für Ratsmitglieder empfand sie als Drohkulisse und kritisierte, dass darin offenbar auch keine Alternativen geprüft wurden. „Wir haben uns die Förderung von Fuß- und Radverkehr auf die Fahnen geschrieben. Daher wollen wir in einem kommenden Gremienlauf, wenn die Emotionen abgekocht sind, Alternativen prüfen“, so Sassen.

Blick von vielen Fraktionen richtet sich auf zukünftige Neuplanungen 

Für viele Nutzer:innen überraschend kam die Sperrung der wichtigen Wegeverbindung auf dem Westfalenhallen-Gelände zwischen B1 und Strobelallee.
Für viele Nutzer:innen ist die Sperrung der wichtigen Wegeverbindung auf dem Westfalenhallen-Gelände zwischen B1 und Strobelallee eine Zumutung. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Linke+ lehnte daher auch die temporären Schließungen ab: „Die Westfalenhallen sollen eine andere Möglichkeit finden die Verkehrssicherheit zu schaffen, z.B. in dem man Security anders einsetzt“, betonte beispielsweise Sonja Lembke. Sie kritisierte, dass das Areal nicht nur als Wirtschaftsfläche, sondern auch als wichtige Wegeverbindung gesehen werden müsse. Das sei in den Planungen und bei der Vorlage zu wenig berücksichtigt worden. 

Ingrid Reuter (Grüne) räumte ein, dass es durchaus „unbestrittene Sicherheitsfragen“ gebe. Deshalb habe man ja auch einen Zusatzantrag gestellt, der aber keine Mehrheit fand. „Wir wissen, dass es keine Mehrheit für eine komplette Offenhaltung geben wird. Daher betonen wir, dass – wenn es zum Umbau und der Neuordnung des Geländes kommt –  wir dann ganz eindeutig von den Westfalenhallen verlangen, die Planungen so zu gestalten, dass der Weg in Zukunft ganz offen bleibt“, so Reuter vor der Abstimmung. 

SPD, CDU und AfD richteten stattdessen stärker den Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Schließungen für die Westfalenhallen – eine hundertprozentige Tochter der Stadt. „Die Westfalenhallen sind für uns ein wichtiger Standortfaktor. Messen, Events, Konzerte gehören für uns zur Stadt“, betonte Carla Neumann-Lieven (SPD). Sie machte andererseits keinen Hehl daraus, dass die Messe mitten in der Stadt eine Barriere zwischen Innenstadt, Stadion und Bolmke darstelle und der Weg immer als wichtig erachtet worden sei.

Die Westfalenhallen sollen ihre Logistikplanungen überarbeiten 

Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

„Wir wissen um die Bedeutung und die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern, aber auch um die Bedürfnisse einer Messe und eines Unternehmens, das uns gehört. Es geht auch um den Schutz der Messe“, so Neumann-Lieven. Allerdings müssten die zukünftigen Planungen auf dem Gelände auf eine Nutzung des Weges ausgerichtet sein.  

Daher setzte die SPD in einer kurios anmutenden Abstimmung nur mit ihren eigenen Stimmen gegen die Stimmen von CDU und AfD einen Zusatzantrag durch. Möglich war das, weil sich die anderen Fraktionen der Stimmen enthielten. Dieser sieht vor, dass eine Evaluation der Auswirkungen des Kompromisses mit der temporären Schließung nach zwei Jahren insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen für den Rad- und Fußverkehr erfolgen soll. 

Außerdem wird die Westfalenhallen Unternehmensgruppe GmbH aufgefordert, „die Planungen zur Weiterentwicklung des Messegeländes, hier insbesondere die Logistikplanung, zu überarbeiten, damit eine dauerhafte Offenhaltung der Wegeverbindung ermöglicht werden kann.“ 

Der Rat soll die „berechtigten Wirtschaftsinteressen“ der Stadttochter berücksichtigen

Nachdem kürzlich 1000 Menschen gegen die temporären Schließungen protestiert haben, gab es vor der Ratssitzung eine Mahnwache.
Nachdem kürzlich 1000 Menschen gegen die temporären Schließungen protestiert haben, gab es vor der Ratssitzung eine Mahnwache. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die CDU hatte zuvor postuliert, „dass die Vorlage ein klassischer fairer Kompromiss ist zwischen langjähriger Nutzung und berechtigten Wirtschaftsinteressen für die Stadt“, so Dr. Jendrick Suck. „Das ist ein Aspekt, der der CDU am Herzen liegt. Auch an anderer Stelle haben wir im Interesse der Unternehmen der Stadt gestimmt.“ Zudem seien die rechtlichen Erwägungen nicht einfach beiseite zu wischen.

Die Fraktion von FDP und Bürgerliste gab intern die Abstimmung frei – die Mitglieder der Fraktion waren sich nicht einig. So sah Philip Schmidtke-Mönkediek in der Abwägung von Verkehrssicherung und berechtigten Interessen von Fußgänger:innen und Radfahrer:innen ein „sehr großes Dilemma“. 

Vor allem ärgerte ihn, dass das Thema eigentlich schon seit vier Jahren auf dem Tisch liege, nun aber lediglich ein „Formelkompromiss“ auf dem Tisch liege, der den Westfalenhallen die Schließung des Wegs an 30 und mehr Tagen ermögliche. „Aber ich freue mich, wenn wir in Zukunft Diskussionen führen, wie der Weg künftig richtig zur Verfügung stehen kann.“

Fehlende Transparenz und mögliche Vertragsverstöße kritisiert

Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Kurz und knapp machte „Die Partei“ mit ihrer Fraktion ihre Ablehnung der Schließung deutlich. Sie lehnte die Schließung ab, weil das Gutachten unter Verschluss geblieben war: „Aber wir halten Transparenz für erforderlich“, betonte Olaf Schlösser. 

Ebenso einfach fiel die Entscheidung der AfD: „Wir sind für die Vorlage. Wir halten sie für ausgewogenes Konstrukt, was die Interessen der Westfalenhallen – an der wir auch Interesse haben – betrifft und zugleich gewährleistet, dass der Weg möglichst zahlreich zu nutzen ist“, so Heiner Garbe. „Bei der komplexen Gesamtlage können wir das nicht besser hinbekommen.“

Ein anderes Schlaglicht setzte Utz Kowalewski (Die Linke+): Er blickte auf die Zeit, in der der Pachtvertrag juristisch geschlossen wurde. „Da wurde gesagt, dass der Weg offen gehalten werden muss. Aber es sind Aufbauten hinzugefügt worden, wodurch die Gefährdungen erst entstanden“, so Kowalewski. „Ich kenne den Inhalt des Gutachtens nicht. Aber man auch fragen, ob sich die Westfalenhallen vertragswidrig verhalten haben.“ Zudem seien alternative Maßnahmen zur Schließung nicht geprüft worden.  

Solche Kritik rief Uwe Waßmann (CDU) auf den Plan – zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Westfalenhallen. Er erinnerte daran, dass Corona der Messe das Geschäft massiv erschwert habe. Die Diskussionen um den Weg täten ihr übriges: „Der Lärm um eine Durchwegung führt zu Schaden. Die Konkurrenz freut sich, dass wir ein Negativcampagning haben, das völlig ausgeartet ist“, kritisierte Waßmann die Diskussionen und Proteste. Und das, obwohl es insbesondere für Radfahrer:innen Alternativen gebe, die einen Umweg von nur 75 Sekunden bedeuteten.

 

Reader Comments

  1. Fabian

    Da ist neben dem breiten Weg noch ein durch Bordstein geschützter Gehweg und trotzdem wird komplett gesperrt. Das ist nicht zu verstehen.

    Den einzigen Sinn, den das macht, Westfalenhallen, Stadtverwaltung und SPD streben eine dauerhafte Sperrung des Weges an. Wenn die Leute sich erstmal an die ständigen Sperrungen gewöhnt haben, wird das einfach umsetzbar sein.

  2. Norbert

    Es geht um Ladeverkehr und der hat nichts mit der sich aus der Straße begründeten Verkehrssicherungspflicht der Straße zu tun. Es geht um die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und das Verhalten im Straßenverkehr. Es gibt in § 45 StVO aber keinen Grundlage für eine Straßensperrung aus wirtschaftlichen Gründen. Das die weniger eingriffsintensive Maßnahme (Aufpassen, langsamer Fahren, Sicherungsposten, …) für den Messe vielleicht teurer sind, hätte sie sich vor der Errichtung der Messehallen überlegen müssen. § 29 StVO ist nicht anwendbar. Eine tatsächlich öffentliche Verkehrsfläche darf aber nicht einfach so durch private Dritte gesperrt werden, da die Anordnung nach § 44 StVO eine hoheitliche Aufgabe ist.

    Gibt es keine Juristen im Stadtrat, denen das alles auffällt?

  3. Neuer Ärger um den Weg zwischen den Westfalenhallen (PM Aufbruch Fahrrad Dortmund)

    Die zeitweisen Sperrungen des Wegs zwischen der B1-Brücke an der Lindemannstraße und der Strobelallee zerschneiden eine wichtige Verbindung des Fuß- und Radverkehrs. Bisher wurden Sperrungen zumindest angekündigt. Nun haben die Westfalenhallen den Weg entgegen der Zusagen unangekündigt gesperrt.

    „Am letzten Dienstag war der Weg für mindestens sechs Stunden gesperrt“, sagt Felix Fesca von Aufbruch Fahrrad Dortmund. Anders als von den Westfalenhallen zugesagt, sei die Sperrung diesmal weder vor Ort noch auf den Internetseiten der Westfalenhallen angekündigt worden.

    „Selbst angekündigte Sperrungen entwerten den Weg weitgehend, weil kaum jemand vor jeder Fahrt die Internetseiten der Westfalenhallen prüfen kann“, sagt Fesca. Im Alltagsverkehr oder auf dem Weg zum Bahn-Haltepunkt Signal-Iduna-Park müsse man daher immer die Zeit für den Umweg einplanen.

    Dass nun aber noch nicht einmal die zugesagten Ankündigungen stattfinden, zeige erneut den problematischen Umgang der Westfalenhallen mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. „Schon in der Diskussion um mögliche Sperrungen hat uns die Haltung der Westfalenhallen gewundert“, sagt Fesca und erklärt: Vor Jahren sei der ehemals öffentliche Weg von der Stadt auf Wunsch der Westfalenhallen an diese verpachtet worden, um das Beladen von Lkw auf dem Weg rechtlich zu vereinfachen. Im Gegenzug hätten die Westfalenhallen sich vertraglich verpflichtet, den Weg uneingeschränkt für die Allgemeinheit offen zu halten.

    Diesen Vertrag wollten die Westfalenhallen im letzten Jahr plötzlich einseitig zu ihren Gunsten ändern und begründeten das mit einem nicht öffentlichen Gutachten der DEKRA, in dem eine Gefährdung von Fuß- und Radverkehr durch das Beladen der Lkw beschrieben und temporäre Sperrungen des Wegs als einzige Lösungsmöglichkeit vorgeschlagen wurden. Der Rat der Stadt Dortmund hat dem im November entsprochen und bis zu dreißig Sperrungen im Jahr beschlossen.

    Aufbruch Fahrrad Dortmund und Naturfreunde Kreuzviertel haben das Informationsfreiheitsgesetz genutzt, um Einsicht in das nicht öffentliche Gutachten zu erzwingen. „Es war ein zäher Kampf und das Ergebnis hat uns schockiert“, sagt Peter Fricke von Aufbruch Fahrrad Dortmund. Das „Gutachten“ enthalte nur dürftige zweieinhalb Seiten Text, und die Gutachterin der „DEKRA Automobil GmbH“ wecke erhebliche Zweifel an ihrer Neutralität, weil sie über „rücksichtslose Fußgänger“ und „unbelehrbare Radfahrer“ schreibe.

    Alternativen zu einer Sperrung wie Markierungen für ein geordnetes Parken der Lkw oder die Begrenzung der zulässigen Anzahl von Lkw auf dem Weg seien erst gar nicht geprüft worden. Auch der Einsatz eines Sicherheitsdienstes, um Lkw- und Staplerfahrer zu verkehrssicherem Verhalten anzuhalten, sei nicht untersucht worden. Wegen der fehlenden Neutralität und Qualität sei dieses Gutachten als Grundlage einer Entscheidung über die Sperrung einer wichtigen Wegeverbindung ungeeignet.

    „Für uns ist klar: Die Westfalenhallen müssen sich an die Zusage halten, Sperrungen rechtzeitig anzukündigen“, sagt Fricke. Noch wichtiger sei allerdings, dass endlich ein neutrales Gutachten erstellt werde, das Möglichkeiten aufzeige, wie eine verkehrssichere Nutzung des Verbindungsweges ohne temporäre Sperrungen gewährleistet werden könne. „Wir könnten uns gut vorstellen, dass die Bezirksvertretung Innenstadt-West, auf deren Gebiet der Weg liegt, ein solches Gutachten beauftragt und haben ihr das bereits vorgeschlagen“, sagt Fricke. Seien dagegen die Westfalenhallen Auftraggeber eines neuen Gutachtens, falle das Ergebnis natürlich wieder wie vom Auftraggeber gewünscht aus, der sich den Weg lieber heute als morgen einverleiben möchte.

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