Dortmund bekommt eine weitere Städtepartnerschaft – die erste in Afrika. Der Rat der Stadt Dortmund hat grünes Licht für die Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung mit Kumasi in Ghana gegeben – trotz der Vorbehalte im Umgang des Landes mit queeren Menschen. Entsprechende Fragen hatte SLADO im Vorfeld aufgeworfen – Nordstadtblogger berichtete ausführlich.
LSBTIQ* werden in Ghana besonders scharf staatlich und gesellschaftlich verfolgt
SLADO e.V. ist der Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund. Der Verein besteht seit 1998 und setzt sich für die Rechte von LSBTIQ* in Dortmund ein. Er hatte einen ganzen Fragenkatalog veröffentlicht.
„Ghana ist bereits heute eines der Länder weltweit, in denen LSBTIQ* besonders scharf staatlich und gesellschaftlich verfolgt werden. Einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden“, schreibt SLADO.
„Vor allem aber besteht für Menschen, die als LSBTIQ* wahrgenommen werden, die erhebliche Gefahr, Opfer von Erpressung und Gewalt durch Privatpersonen und staatliche Stellen zu werden und davor keinen staatlichen Schutz zu erfahren“, heißt es weiter.
„Ein fachlicher Austausch für queere Beschäftigte der Stadt als auch ein zivilgesellschaftlicher Austausch ist für LSBTIQ* aus Dortmund und aus Kumasi mit erheblichen Risiken verbunden. Die Stadt Dortmund muss beantworten, wie sie die Sicherheit von LSBTIQ* im Rahmen der Städtepartnerschaft sicherstellen will“, fordert der Dachverband.
Partnerschaft auf Augenhöhe: „Wir müssen für die Rechte aller Menschen eintreten“
„Die Hinweise auf zu klärende Fragen nehmen wir ernst und mit“, sagte OB Thomas Westphal im Vorfeld der Entscheidung. Dennoch appellierte er, die Vereinbarung zwischen den beiden Städten dennoch zu unterzeichnen. Insgesamt gab es eine große Zustimmung zur ersten Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen Stadt.
„Wir haben viele Brücken gebaut. Diese führt weit über die Grenzen Europas hinaus und ist die erste mit Afrika. Das bietet eine Plattform für den Dialog und eine noch engere Zusammenarbeit in Kultur, Wirtschaft und Bildung“, sagte Dominik de Marco (SPD). Außerdem müsse es um eine nachhaltige Entwicklung gehen, um „gemeinsam Lösungen für die Fragen unserer Zeit“ zu finden.
Bildungs- und Jugendaustausch liegt dem SPD-Ratsmitglied besonders am Herzen. Diese müssten intensiviert werden, um die Freundschaft zu stärken, aber auch Grundlagen für Forschung und Innovation zu legen. „Aber wir dürfen die ernsten Herausforderungen für LGBTIQ* nicht übersehen. Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung drohen, Erniedrigungen, Folter und mehrjährige Haftstrafen. Daher müssen wir für die Rechte aller Menschen eintreten“, forderte de Marco.
„Menschenrechte und sexuelle geschlechtliche Selbstbestimmung sind keine Fußnote“
„Auch wir freuen uns auf die erste afrikanische Städtnerpartnerschaft. Sie ist ein wichtiger Baustein für internationale Zusammenarbeit“, sagte Jenny Brunner (Grüne). „Aber Menschenrechte und sexuelle geschlechtliche Selbstbestimmung sind keine Fußnote, sondern die Grundlage. Da haben wir Fragen – auch in Sachen Sicherheit.“
Diese seien nicht einfach zu beantworten. „Wie können wir Sicherheit für Besucher:innen aus Kumasi in Dortmund gewährleisten, oder die über das Schlau-Projekt informieren und dann zurückreisen? Es geht auch um Menschen aus Kumasi, die hier sicher sein sollen. Ich denke an Malte C. nach dem gewaltsamen Tod auf dem CSD in Münster“, sagte Brunner mit Blick auf solche Fragestellungen.
Das SLADO-Projekt „SCHLAU Dortmund“ bietet Workshops für Jugendliche in Schulen, Sportvereinen und anderen Jugendeinrichtungen an. Im Zentrum von „SCHLAU“ steht der Austausch und das Gespräch zwischen Jugendlichen und ehrenamtlichen Teamer:innen, die selbst alle dem queeren Spektrum angehören.
„Durch den Dialog über die eigenen queeren Biographien der Teamer:innen können Vorurteile und Klischees wirkungsvoll abgebaut werden. Eine intersektionale Themenbehandlung, die andere Diskriminierungs- bzw. Identitätsmerkmale gleichwertig mit einschließt, sind ebenfalls für das Projekt ein zentrales Anliegen”, heißt es in der Projektbeschreibung.
Ein solches Projekt könnte von Menschen aus Kumasi nicht besucht, die Themen in Kumasi nicht diskutiert werden. „Wir hätten uns gewünscht, dass schon alles vorher thematisiert worden wäre. Wir werden aber vehement einfordern, dass die Fragen beantwortet und mit Lösungsvorschlägen bzw. Lösungsansätzen zurückgespiegelt werden”, so Brunner.
Einschränkung der Meinungsfreiheit: Droht ein Rückschlag für die Demokratie
Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) – selbst bekennender Schwuler und derzeit Europa-Abgeordneter – begrüßte die Partnerschaft mit Kumasi. Er selbst sei 1991 als Student in Kumasi gewesen, um dort drei Monate für einen kleinen Mittelständler zu arbeiten. „Daher freue ich mich über die Wahl und unterstützte die Partnerschaft mit einer afrikanischen Stadt ausdrücklich”, so Kauch.
Wegen der kulturellen Verbindungen, aber auch wegen der kolonialen Vergangenheit: „Wir haben einen Nachbarkontinent, den wir regelmäßig vernachlässigt haben als Deutschland. Eine Städtepartnerschaft ist da ein großer Fortschritt. Wir müssen sehen, dass Ghana aktuell in einer schwierigen Situation ist.“ Dabei zielte er nicht nur auf die LGBTIQ-Problematik in Ghana, sondern auch die eingeschränkte Meinungsfreiheit.
„Es wird nicht nur bestraft, wer sexuelle Handlungen mit dem gleichen Geschlecht vornimmt – das ist in weiten Teilen Afrikas strafbar.” Mit einem neuen Gesetz soll schon die „positive Kommentierung“ von LGBTIQ*-Themen strafbar sein. „Das wäre nicht nur eine Verschärfung, sondern auch ein Rückschlag für die ghanaische Demokratie”, so Kauch. „Ich war 1991 da zur Zeiten der Militärdiktatur, wo es Unterdrückung der Meinungsfreiheit gab. Ich dachte, das hätten sie hinter sich gebracht. Dem müssen wir begegnen. Eine Städtepartnerschaft auf Augenhöhe braucht einen kritischen Dialog, auch die rechtliche Situation betreffend.“
„Die Partnerschaft wird wirtschaftlich und kulturell sehr spannend”
Positive Rückmeldungen zu einer Partnerschaft mit Kumasi gab es auch von den Ratsfraktionen von „Die Linke+“ und der CDU:
„In der Tat ist das ein neuer Schritt – Afrika fehlt lange. Wir hatten eine Projektpartnerschaft mit Kumasi – eine Energiepartnerschaft. Sie ist gut gelaufen. Das ist ein großer Handelsplatz – auch über Kumasi hinaus und die Partnerschaft wird auch kulturell sehr spannend”, kommentiert Utz Kowalewksi (Die Linke+) die Partnerschaft.
Gleichwohl war es auch für ihn zielführend, die Lage von Schwulen, Lesben und Transidenten zu thematisieren. Ihre Lage sei so nicht hinnehmbar: „Das ist eine Frage des Dialoges. Sich da zurückzuziehen, wäre an der Stelle Untätigkeit. Das wollen wir nicht. Diesen Dialog versuchen wir auch mit anderen Partnerstädten zu führen. Ich bin froh, dass wir einen großen Konsens unter den demokratischen Fraktionen haben”, so Kowalewski.
Das unterstrich auch Dr. Jendrik Suck (CDU): „Es ist gut, dass es zu dieser Parnterschaft kommt. Sie wurde im Dialog zwischen Politik und Verwaltung auf den Weg gebracht. Dafür herzlichen Dank.” Immer wieder sei die Frage gestellt worden, soll es Ghana sein und dann Kumasi.
„Wir haben das immer einvernehmlich besprochen und tragen das zu Ende, auch eingedenk der Menschenrechtssituation. Das mag uns gefallen oder nicht, aber wir müssen mit den Realitäten umgehen. Wir sind der Meinung, dass Dialog der bessere Weg ist, als wenn man nicht den Schritt geht. Wir freuen uns auf den Austausch.“
Die AfD wirft demokratischen Fraktionen einen „spätkolonalistischen Ansatz“ vor
Einzig die AfD und der Neonazi-Vertreter von „Die Heimat” (ehemals „Die Rechte”) votierten gegen die Städtepartnerschaft. Heiner Garbe (AfD) kritisierte die „wahre Inflation von Partnerstädten“. Diese brauche Dortmund nicht – auch nicht in Afrika.
„Wenn muss sie ein bestimmtes Ziel verfolgen, nämlich ein wirtschaftliches Ziel. Wenn ich mit einem spätkolonalistischen Ansatz hinfahre, wie sie bestimmte Dinge zu sehen haben, ekelt es mich ein bisschen an”, sagte er mit Blick auf die Forderungen, die Lage von queeren Menschen zu thematisieren.
„Lassen sie die Leute in Ruhe. Es braucht sie da keiner in Kumasi. Diese Hochnäsigkeit kotzt mich an”, hielt Garbe den Ratsmitgliedern vor, die die Menschnrechtslage ansprechen wollen.
Antje Joest (FDP/ Bürgerliste) konnte da nur noch abwinken: „Herr Garbe kennt das Konzept von Freundschaft nicht. Die braucht man nicht, sondern die tut einem gut – gegenseitig”, hielt sie dem AfD-Politiker vor.
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