Beleidigungen, körperliche Angriffe, Bedrohungen – für Ärzt:innen und Pfleger:innen im Krankenhaus immer mehr ein Teil des Alltags. Auch Dortmunder Krankenhäuser sind betroffen, besonders die Notaufnahmen. Michael Kötzing, Arbeitsdirektor und Geschäftsführer am Klinikum Dortmund, sieht daher die Notwendigkeit, Schutz- und Präventionsmaßnahmen für das Jahr 2025 auszubauen.
Gewaltdelikte im und am Krankenhaus nehmen zu
Im Jahr 2022 gab es 1571 Übergriffe in Gesundheitseinrichtungen in NRW, 85 davon in Dortmund. Im Jahr darauf, 2023, waren es landesweit 1705 und 94 in Dortmund. „Dies umfasst Delikte wie Körperverletzungen, aber auch Nötigung und viele mehr“, wie die Pressesprecherin des Landeskriminalamtes NRW auf Nachfrage von Nordstadtblogger mitteilte. Die Delikte werden in Kliniken, Krankenhäuser, Sanatorien und Kurheimen gemeinsam gezählt – Krankenhäuser werden nicht getrennt erfasst.
Wichtig ist jedoch zu erwähnen, dass die genannten Delikte nicht konkret auf einen Personenkreis, etwa wie Personal oder Besucher:innen, eingegrenzt werden.
Das bedeutet, dass wenn beispielsweise zwei Patient:innen in Streit geraten oder zwei Pfleger:innen, das genauso in der Statistik erfasst wird, wie wenn Patient:innen Angestellte des Krankenhauses angreifen.
Der Geschäftsführer und Arbeitsdirektor am Klinikum Dortmund, Michael Kötzing, bestätigt die statistische Entwicklung für Dortmunder Notaufnahmen. Vermehrt müsse das Personal sich damit beschäftigen, dass Patient:innen auch eine Gefahr darstellen können, wenn sie eigentlich die Hilfe des medizinischen Personals suchen. Auch Angehörige von Patient:innen können Ärzt:innen oder Pfleger:innen angreifen, sei es verbal oder psychisch.
Besonders Drogen und Alkohol verschärfen die Gewalt in den Notaufnahmen
Dass sich die Lage in den Notaufnahmen verschärft, bestätigt auch Dr. Thorsten Strohmann, Leiter der zentralen Notaufnahme im Klinikum Nord. Meist geht die Gewalt von Patient:innen selbst aus, weniger von deren Angehörigen.
Aggressive Patient:innen stehen dabei oft unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol, wie Strohmann berichtet. Genaue Zahlen kann er nicht liefern, da sie vom Krankenhaus nicht erfasst werden.
„Wenn man jeden Tag bedroht, beschimpft und beleidigt wird, zähle ich das nicht mit. Aber wenn dann einmal im Monat ein Patient jemanden beispielsweise verprügelt, sodass die Brille kaputtgeht oder körperliche Verletzungen entstehen, finde ich das schon ein bisschen viel“, so Strohmann. Wie schnell eine solche Situation zustande kommen kann, erzählt Michelle Zylka.
Die 27-jährige Pflegefachfrau hat letztes Jahr im Frühjahr in der Notaufnahme im Klinikum Nord angefangen, ehe sie am zweiten Arbeitstag angegriffen wurde, ohne dass ein Wortwechsel zwischen ihr und dem Patienten stattfand.
„Wir waren im Behandlungsraum, mein Arbeitskollege musste gerade eine Inhalation fertig machen und ich war an den Schränken. Dann hörte ich hinter mir ein Knacken von der Trage, als ob jemand aufsteht“ erzählt Zylka.
„Als ich mich umdrehte, packte er mich an den Handgelenken und schleuderte mich dann die ganze Zeit herum. Ich rief nach Hilfe, aber er trat mir bereits ins Gesicht.“ Danach sei sie bewusstlos geworden. Die Folge des Tritts war unter anderem ein Nasenbruch, gefolgt von anfänglicher Angst am Arbeitsplatz.
Einführung von Bodycams im Klinikum Dortmund geplant
Eine Maßnahme, die der Arbeitsdirektor für das Jahr 2025 vorsieht, ist die Einführung von Bodycams im Rahmen einer Pilotprojekts. So wird das Personal in allen drei Notaufnahmen (Klinikum Nord, Mitte und das Kinderklinikum) mit Kameras ausgestattet, die bislang nur in der Polizeiarbeit bekannt sind.
Ein Vorgehen, dem Dr. Strohmann mit gemischten Gefühlen begegnet, wie er erklärt. Er wüsste nicht, ob es zielführend sei. Auf der anderen Seite gebe es jedoch keine Erfahrungsberichte oder Richtwerte, auf die zurückgegriffen werden könne, weshalb es im Zweifelsfall auf einen Versuch ankäme, wie der Leiter der Notaufnahme erläutert. Ein dauerhaftes filmen wäre für Dr. Strohmann jedoch keine Lösung.
Zylka stimmt Strohmann in diesem Punkt zu. Ihrer Einschätzung nach hätte es auf der einen Seite eine abschreckende Wirkung, auf der anderen Seite vermutete sie, dass die Bodycams vermehrt zu Diskussionen mit Patient:innen führen würden. Außerdem stell die Notaufnahme für viele Personen einen „Schutzraum“ dar, wie sie erklärt. „Wir haben auch oft Vergewaltigungsopfer, die sich dann einer Pflegeperson anvertrauen. Das würde alles kaputt machen“ so Zylka.
Dass die Kamera durchgängig filmen würde, wäre allein rechtlich nicht möglich, stellt Kötzing klar. Grundsätzlich seien die Kameras ausgeschaltet. Sieht das Personal jedoch eine potenzielle Gefahrensituation, wird mit Ankündigung die Kamera eingeschaltet. Ebenso seien die Kameras für intime Situationen nicht vorgesehen.
Konkretere Detailfragen zur Ausführung und dazu, wie sich Bodycams beispielsweise mit der ärztlichen Schweigepflicht vereinbaren lassen, stehen derzeit noch zur Diskussion und werden während der Pilotphase juristisch begleitet, um sie klären zu können, wie Kötzing erläutert.
Die Einführung von Bodycams ist nicht die einzige Schutzmaßnahme für das Jahr 2025
Neben der Einführung von Bodycams sieht Kötzing weitere Schutzmaßnahmen für Ärzt:innen, Pfleger:innen und Personal vor. Das Klinikum soll zum einen mit weiteren Sicherheitskameras ausgestattet werden. Dies habe zusätzlich zur Abschreckung bei Gewalttaten auch den Vorteil, dass Diebstähle im Krankenhaus aufgezeichnet werden. Diese führt der Arbeitsdirektor maßgeblich auf Beschaffungskriminalität zurück. Als weitere Maßnahme kündigte der Arbeitsdirektor an, mehr Sicherheitspersonal anzustellen.
Sicherheitspersonal ist seit 2023 teil der Notaufnahmen. Hinzu werden in Zukunft mehr Hausverbote gegen Personen ausgesprochen, die sich nicht an die Regeln halten und eine Bedrohung für das Personal darstellen. Das Personal kann aber nur dann ein Hausverbot aussprechen, wenn kein medizinischer Notfall vorliegt, erläutert Kötzing.
Zusätzlich bietet das Klinikum viermal im Jahr Schulungen für die Mitarbeiter an. Gemeinsam mit der Polizei Dortmund behandeln sie Themen wie Gefahrenerkennung und Deeskalation. Derzeit diskutiert die Klinikleitung mit der Polizei wie das Angebot ausgebaut werden kann, so Kötzing weiter.
Das Klinikum Dortmund strebe außerdem einen Beitritt zur Kampagne „Sicher im Dienst“ an, die von der Landesregierung ins Leben gerufen wurde. Das Präventionsnetzwerk besteht aus 1000 Mitgliedern aus über 350 Behörden, Institutionen, Verbänden oder Organisationen aus dem öffentlichen Dienst. Unter anderem gehören Veranstaltungen zur Gewaltprävention oder Sicherheitstrainings zur Netzwerkarbeit, von dem auch das Klinikum Dortmund Gebrauch machen will.
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