Gelebte Demokratie in Dortmund: Ein „Schülerhaushalt“ gegen Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligung

Die Libellen-Schule aus der Nordstadt ist als Grundschule im Projekt dabei.
Die Libellen-Schule aus der Nordstadt ist als Grundschule im Projekt dabei. Fotos: Alex Völkel

Was wünschen sich Schülerinnen und Schüler für ihre Schule, wenn sie die Dinge selbst finanzieren können? Leihfahrräder für Klassenausflüge. Sofas für die Pausenhalle, Kicker, Tischtennis und Fußbälle für die Pausengestaltung. Ein Sommerfest, zu dem sie die Flüchtlinge aus der Nachbarschaft einladen werden. Das sind die ersten Ideen, die schon in Dortmund gesammelt wurden und aus Mitteln des Schülerhaushalts finanziert werden sollen. Zumindest dann, wenn sich dafür Mehrheiten finden.

Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie setzt das Projekt um

Vier Schulen sind beim Pilotprojekt des Schülerhaushalts in Dortmund dabei.
Ein neues Projekt startet in Dortmund.

„Schülerhaushalt“? Was ist denn das? Das ist ein Projekt der Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie, die das Vorhaben mit dem Jugendring, dem Fachbereich Schule und dem Jugendamt auf den Weg gebracht hat.

„Wir möchten Schülerinnen und Schüler eine Stimme für ihre Meinung und ihren Ideen geben, um ihr Umfeld gestalten zu können“, betont Stiftungsvorstand Katharina Civis.

„Wir wollen ihre Meinung und ihre Entscheidungen ernst nehmen und das auch mit einem Budget untermauern.“

Die Idee: Mitbestimmung, Beteiligung und Interesse wecken

Es geht dabei um Mitbestimmung, Beteiligung, das Interesse für Stadtpolitik sowie das Eintreten für die eigene Situation. „Es ist eine tolle Idee der Stiftung. Da gehen wir als Jugendamt gerne mit“, betont Daniel Kolb.

„Wir arbeiten mit dem Jugendring in vielen Projekten auf Augenhöhe zusammen. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ganz wichtig. Das wird am Beispiel der Jugendforen deutlich, wo Jugendliche mit der Politik ins Gespräch kommen.“

Beim Pilotprojekt der Stiftung sind vier Dortmunder Schulen dabei

Vier Schulen sind beim Pilotprojekt des Schülerhaushalts in Dortmund dabei.
Vier Schulen sind bei der Pilotphase des neuen Projekts Schülerhaushalt in Dortmund dabei.

Mit von der Partie sind in der Pilotphase vier Schulen: Die Albert-Schweitzer-Realschule in Nette, die Libellen-Grundschule in der Nordstadt, das Stadtgymnasium in der östlichen Innenstadt und die Fröbelschule in Brackel.

Den beiden größeren Schulen (Gymnasium und Realschule) stellt die Stiftung 5000 Euro, den beiden kleineren 2500 Euro zur Verfügung. Alle Schulen haben einen Eigenanteil von 20 Prozent beigesteuert.

Die bisherige Resonanz ist positiv: „Es ist ein cooles Projekt. Das passt gut zu uns“, sagt Gianluca Cordi (13), der sich mit Benjamin Fischer (14) als Vertreter der Schülerschaft der Fröbelschule um das Projekt kümmert. Unterstützt werden sie dabei von Schulleiterin Susanne Wächter: „Der Schülerhaushalt ist für uns ein interessantes Projekt – und wir haben eine sehr aktive SV.“

Auch für Christel Stegemann, Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Realschule, passt das Projekt zu ihrer aktiven Schülerschaft: „Unsere Schüler haben sich auch jetzt schon erfolgreich an der Debatte um die Schulhofgestaltung beteiligt. Sie werden verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen.“ Für ihren Schüler Mounib Boujettou (15) eine Selbstverständlichkeit: „Wir trauen uns das zu.“

Das Organisieren von Mehrheiten für eigene Ideen gehört dazu

Zehn Schülerinnen und Schüler helfen in Nette als Koordinatorinnen bei dem Projekt mit. Sie werden in der Schülerschaft um Ideen werben. Jeder Vorschlag, für den ein Ideengeber fünf Unterstützer findet, wird zur Wahl gestellt. So sollen die Schülerinnen und Schüler üben, für ihre Ideen Mehrheiten oder zumindest Unterstützer zu organisieren.

So wird es auch in der Fröbelschule laufen: „Wir werden die Ideen in einem Raum auf Stellwänden präsentieren. Anschließend gibt es eine Wahl. Mit einem Wahllokal und geheimer Stimmabgabe in einem geschlossenen Umschlag“, erklärt Wächter. Gelebte Demokratie im Zeichen sinkender Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit.

Gelebte Demokratie im Kinderparlament der Grundschule

Die Libellen-Schule aus der Nordstadt ist als Grundschule im Projekt dabei.
Die beiden Zehnjährigen Rüveyde und Ulas sind, beziehungsweise waren Mitglieder des Kinderparlaments.

Wer noch Zweifel hatte, ob eine Grundschule bereit für ein solches doch recht komplexes Projekt ist, den überzeugten Rüveyde und Ulas. Die beiden Zehnjährigen sind, beziehungsweise waren Mitglieder des Kinderparlaments der Libellen-Grundschule.

Sie machten den Gästen und Eltern eindrucksvoll deutlich, dass sie für ihre eigenen Interessen eintreten können.

Zwei Kinder aus jeder Klasse sind im Parlament. Dort besprechen sie zum Beispiel die Planungen für Feste an der Schule. Aber auch Probleme, zum Beispiel bei der Toilettenbenutzung, kommen hier auf die Tagesordnung. Außerdem vergeben sie den Fairplay-Preis.

Klar, dass die Kinder der Nordstadt daher auch eine Menge Ideen für den Wettbewerb haben. Nur über die Kosten müssen sie noch nachdenken. Denn ein Kunstrasenplatz oder ein in den Boden eingelassenes Trampolin für den Schulhof können das Budget des Haushalts leicht sprengen.

Lob für Schüler-Engagement von Nordstadt-Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder

Die Libellen-Schule aus der Nordstadt ist als Grundschule im Projekt dabei.
Die Libellen-Schule aus der Nordstadt ist als Grundschule im Projekt dabei.

Sie können sich dann ja vielleicht an Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder wenden. Er war bei der Auftaktveranstaltung an der 300 Kinder zählenden Libellenschule dabei und voll des Lobes für die engagierte Arbeit des Kinderparlaments.

Er freute sich, dass die Libellenschule aus der Nordstadt als einzige Dortmunder Grundschule vertreten ist. Eigentlich richtet sich das Projekt „Schülerhaushalt“ an weiterführende Schulen.

„Die Schülerinnen und Schüler sind schon geübt, ihre Meinung zu vertreten“, betont Schulleiterin Christiane Mika.

Kommunalpolitik soll einbezogen werden – Bezirksvertretungen sind eingeladen

Vier Schulen sind beim Pilotprojekt des Schülerhaushalts in Dortmund dabei.
Im kommenden Schuljahr sollen möglichst alle Schulformen berücksichtigt werden.

Genau das entspricht dem Konzept der Stiftung: Die Schüler sollen erleben, dass sie durch ihr eigenes Engagement Veränderungen im eigenen Umfeld bewirken können.

Während die Auftakt- und Werbeveranstaltungen in den Schulen zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden, ist ein Termin fix: Der 8. Juni. Dann wird in allen Schulen gewählt und über die Projekte entschieden.

Um den Kontakt zur Kommunalpolitik herzustellen, sind die Bezirksbürgermeister zu den Auftaktveranstaltungen eingeladen. Auch die Ergebnisse sollen und wollen die Schüler in den Bezirksvertretungen präsentieren. Vielleicht auch um zusätzliche Mittel einzuwerben, wenn der eigene Etat für ein Vorhaben nicht ausreichen sollte.

Im nächsten Schuljahr sollen es mehr Schulen werden – Sponsoren gesucht

Nach dem hoffentlich erfolgreich verkaufenden Pilotprojekt soll das Vorhaben nach Möglichkeit im kommenden Schuljahr auf alle sieben in Dortmund vertretenen Schulformen ausgeweitet werden. Dafür hofft die Stiftung auf weitere Spenden und Zustiftungen. Bislang sind 15.000 Euro im Topf.

Doch um mehr Schulen einbeziehen zu können, braucht es weitere Unterstützer. „Genug Geld ist in Dortmund vorhanden“, glaubt Stiftungsmitglied Josef Niehaus. Er wünscht sich, dass Unternehmen die Tragweite des neuen Projekts erkennen. Darauf hofft auch Schulleiterin Stegemann: „Ich hoffe, dass die Idee ansteckend wirkt.“

INFO: Die Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie

  • Die Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie macht es sich zur Aufgabe, junge Menschen zu unterstützen und zu ermuntern, sich einzumischen.
  • Sie will Projekte, Aktivitäten und Initiativen von jungen Menschen fördern. Sie will ihnen Geld und Unterstützung bieten, damit sie ihre Vorstellungen und Ideen umsetzen können.
  • Die Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie sieht sich als Teil eines Netzwerkes von Demokratieförderern. Sie arbeitet im Rahmen der Projektförderung eng mit anderen Einrichtungen und Institutionen zusammen. Insbesondere legt sie Wert darauf, die Diskussion und Auseinandersetzung um unsere Demokratie mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu führen.
  • Die Stiftung versteht sich als ein Bündnis von Jugendhilfe, Wirtschaft, Politik und Jugendlichen, das Engagement, Mitbestimmung und Teilhabe an unserer Gesellschaft unterstützen und fördern will. Gemeinsam wollen wir unsere Demokratie vor Ort gestalten.
  • Engagierte Dortmunder Bürgerinnen und Bürger gründeten im November 2011 die zunächst noch rechtlich unselbstständige Dortmunder Stiftung Jugend und Demokratie. Im November 2013 überreichte Regierungspräsident Dr. Gerd Bollermann in der Bürgerhalle des Rathauses die Anerkennungsurkunde als rechtlich selbstständige Stiftung. Die Stiftungshomepage www.dsjd.de gibt Auskunft, wer unter anderem zu den Stifterinnen und Stiftern zählt.