Die Dinge pflegen ihren Anfang zu haben. Denn sie sind endlich. Wie hat dann alles begonnen? Das Weltganze, unser aller Horizont? Und wie ist der Fortgang jener Veranstaltung zu verstehen, in deren Mitte wir uns als Menschheit wähnen? – Ob sie nun von Gott, einem Urknall oder von sonst was oder wem ins Leben gerufen wurde? Eine Bild-Interpretation dieser nicht ganz unerheblichen Fragen findet sich ab Sonntag, den 7. Juni, in der Galerie Torhaus am Rombergpark. Bärbel Thier-Jaspert – seit 1999 mit einem Atelier im Depot der Dortmunder Nordstadt – wird dort bis zum 21. Juni ihre Sicht präsentieren. Und Besucher*innen einladen, gleichfalls ihre Gedanken sprießen zu lassen. – Die ursprünglich geplante Vernissage kann gegenwärtig leider nicht stattfinden. Eine Einführung in die Thematik ist mit der Eröffnung virtuell abrufbar (unten verlinkt).
Aller Dinge Anfang: ungelöste Rätsel des Ursprungs
Schwer vorstellbar, dass etwas schon immer da war und doch im Weiteren endlich ist, sofern es aller Voraussicht nach irgendwann einmal nicht mehr existiert. Denn die Gründe für das ursachenlose Immer-schon-Sein dürften sich nicht einfach in Luft auflösen. ___STEADY_PAYWALL___
Weshalb die Annahme näher liegt, dass jenes Anfangslose auch ins Endlose reicht, also schlicht unendlich ist. Womit wir es uns gemütlich jenseits von Raum und Zeit machen könnten – in Gedanken. Zum Beispiel bei Gott oder anderen aus einer solchen Liga.
Weniger bequem ist es beim Vergänglichen, sollte hier jemand geneigt sein, sich Gedanken zu machen. Denn wenn das, was seit jeher war, auch immer weiter sein wird, dann hat alles Endliche nicht nur ein Ende, sondern leider auch einen Anfang. Fragt sich bloß: welchen? – Abseits von trivialen Einzeldingen oder Wesen, den Blick aufs Große-Ganze richtend, wird es umstritten: Wie ist es um die Welt, um alles, um das Universum bestellt?
Wie sind der Ursprung, sein Fortgang zu denken? Könnten sie – wenn schon nicht begrifflich einzufangen – so zumindest mimetisch festgehalten werden? Einen Versuch hat Bärbel Thier-Jaspert unternommen. Graphisch, malerisch, mit Papier und Leinwand, installiert in dem halbrunden Saal des Torhauses am Rombergpark.
Monotheistische Hausmannskost oder postmoderner Synkretismus oder vielleicht Kosmopolitismus ?
Es geht nicht nur ums Schaffen der Welt, wie wir sie kennen, sondern um Schöpfung schlechthin. Nach monotheistischem Glauben war das ein genialer Schachzug, eine sog. creatio ex nihilo: Gott – als das relativ zum Menschen trotz aller Ebenbildlichkeit doch so andere Wesen – hat Raum und Zeit und darin alles – „die Welt“ – geschaffen. Und zwar aus dem Nichts.
Was kein Pappenstiel ist. Denn wir wissen: von nix kommt nix. Wer da trotzdem was hervorzaubert, muss schon was drauf haben und kann als alleinige Ursache von allem gesehen werden, eingeschlossenen unserer Wenigkeit.
Also der Gattung, die sich als Mensch bezeichnet und gerade dabei ist, sein Wunderwerk zielsicher platt zu machen. Und Gott, das ist „Er“, der zur Gänze Ursachenlose – das sich selbst setzende Sein, der Eine aus dem okzidental-levantinischen Kulturkreis. Dem mittlerweile allerdings was Altbackenes anhaftet.
Doch die Künstlerin, seit 1999 im Dortmunder Depot beheimatet, kann Früchte eines sich globalisierenden Denkens ernten, das die Eindimensionalität des Monotheismus durchbricht und sich locker-synkretistisch mit Narrativen assoziiert, die früher so unnahbar fern schienen. Oder ist es stärker kosmopolitisch? Inspiriert worden sei sie jedenfalls, so heißt es, von einem indischen Text, als es um den Aufbau ihrer jetzigen Installation im Torhaus ging. Erwarten einen nun Metaphern ewiger Wiederkehr?
Raum-Installation und Torhaus-Saal verwachsen zu einem spannungsgeladenen Ensemble
Anlass, konkret in der Sache die Ärmel hochzukrempeln und kreativ zu werden, war eine Einladung in die Galerie des Torhauses. Angefangen zu zeichnen habe sie, als sie im September letzten Jahres erfuhr, dass sie dort werde ausstellen können, sagt Bärbel Thier-Jaspert auf Nachfrage zum Entstehungszusammenhang dessen, was jetzt an Ort und Stelle zu sehen ist.
Wissend um die Gegebenheiten in dem gebogenen Galeriesaal, beinhaltete der darauf folgende Schaffensprozess die Möglichkeit, aber auch die Herausforderung, ihr Werk während des Entstehens zugleich in den vorgefundenen Raum einzupassen. Dadurch beherbergt er es nicht nur, sondern ist integraler Teil des Ensembles geworden. Es entsteht vordergründig so etwas wie ein Gleichklang zwischen Umgebung und Exponaten.
„Wie hat alles angefangen, zu existieren“, das sei die leitende Fragestellung gewesen, erklärt sie. Ergebnis ist ein Raum voller Bild-Intuitionen, aufgereiht in einem Kreisgang, teils einer Chronologie folgend. Und zwar jener ihres Schaffens, wie sie selbst andeutet. Aber vielleicht auch der dargestellten Inhalte: einer Schöpfungsgeschichte mit Nachhall.
Verschlungene Wege, Vielfalt möglicher Interpretationen – Anfang und Ende bleiben ungewiss
In der Bewegung von einem Exponat zum nächsten mag nämlich unweigerlich weiter gefragt werden: Wie schreibt es sich fort, das Geschehen, die Geschichte? Wohin führt der Weg? Denn es entsteht der Eindruck, als würde genau dies im Folgenden bildhaft-gegenständlich weiter interpretiert. Und vielleicht auch, wohin es geht.
Wenn es denn überhaupt irgendwo hin geht, weil mysteriöse Wolkenansammlungen an den Galeriewänden stets begleiten. Gepaart mit minutiösen Abstraktionen im Kleinformat. Eine Komposition, die vieles offenlässt wie insinuiert, dadurch anregt. So befördert etwa die Anordnung der Arbeiten die Assoziation, dass hier Anfang und Ende gar nicht so klar voneinander getrennt werden können, ja, in gewisser Weise austauschbar sind. Alles scheint im Fluss zu sein, ein Moment, mehr nicht.
Da liegen lose Blätter mit Graphitzeichnungen über schmalen Holzgestellen – eine fragile Konstruktion. Rätselnd darüber, ob die Darstellung auf dem ersten Papier, das einem begegnet, eine Art Trennung von Licht und Dunkelheit verbildlicht, wird zugleich klar: ein Windstoß und der betrachtete Papierbogen flöge durch die Gegend.
Fragilität der Natur widerstreitet dem Bild, das wir von ihr haben: alles Ideologie?
Die Natur sei eben in einem zerbrechlichem Gleichgewicht, bedeutet die Künstlerin im weiteren Gespräch. Und doch ist da ein Spannungsverhältnis. Wo nämlich andererseits die „Natur einer Sache“ umgangssprachlich alles andere als zerbrechlich ist. Vielmehr etwas bezeichnet wie einen Kern, Substanz, das Wesentliche, Beständige, das äußerlichen Veränderungen trotzt. Doch das ist nur ein Sprachbild, das uns vielleicht etwas vorgaukelt. Uns sicher wähnt. – Alles Ideologie, wo sich das Klima auf die Klippen zubewegt?
Mit anderen Worten: es kann etwas kompliziert werden. – Überhaupt verheißt der Ausstellungstitel – wenn’s jemand eher gemütlicher mag – wenig Gutes: „Gedankenspross“, der Spross eines Gedankens – das riecht nach Anstrengung. Denn da ist Bewegung, etwas Wachsendes, was sich noch entwickelt, sicher nichts Fertiges, abschließend Fixierbares. Sondern die Betrachter*innen sind angehalten, sich schon selbst ihren Reim drauf zu machen, was sich ihnen da vorstellt.
Viele der Papiere tragen einen roten Stempel. Auf den ersten Blick nicht erkennbar, was da figuriert. Ein denkender Mensch, klärt Bärbel Thier-Jaspert auf. Keiner, wie wir ihn aus der westlichen Kulturtradition kennen, mit einem Kopf so schwer, fast rührselig anmutend, dass er gestützt werden muss. Der von dem Stempel, da geht auch ein Arm Richtung Kopf, doch ist unklar, ob da überhaupt was gestützt wird oder werden müsste. Vielleicht ist da nur ein Innehalten.
Weitere Informationen:
- www.virtuellegalerie-dortmund.de
- Bärbel Thier-Jaspert studierte Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Münster. Seit 1999 ist sie Mitglied des Depots Dortmund, wo sie ihr Atelier hat. Sie stellte u.a. in Deutschland, Korea, China und Ägypten aus.
- Kontakt zur Künstlerin: Bärbel Thier-Jaspert, Atelier im Depot, Immermannstr. 29, 44147 Dortmund. Tel.: 0231-802883, thier-jaspert@t-online.de
- Das Torhaus ist geöffnet von Dienstag bis Samstag, 14 bis 18 Uhr und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
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