Diskussion um Bleiberecht: Friedliche Sitzblockade verhindert die Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien

Eine Sitzblockade verhindert die Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien.
Eine Sitzblockade verhindert die Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien. Fotos: M.Arndt

Die Flüchtlingsinitiative „Abschiebestop Ruhr“ hat am frühen Morgen die Abschiebung eines jungen Flüchtlings aus der zentralen kommunalen Unterkunft in Grevendieksfeld in Lütgendortmund verhindert.

Ein 23-jähriger Pakistani, der vor den Taliban geflüchtet war, sollte nach Italien abgeschoben werden, weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Dies sieht das so genannte Dublin-Verfahren vor, an dem sich 28 europäische Staaten beteiligt haben.

Erstmals wurde in Dortmund eine Abschiebung durch eine Blockade verhindert

Die Blockierer forderten ein Bleiberecht für Flüchtlinge.
Die Blockierer forderten ein Bleiberecht für Flüchtlinge.

Es ist zum ersten Mal in Dortmund vorgekommen, dass eine Abschiebung mit solchen Mitteln verhindert wurde.

„In den Jahren 2013 und 2014 sind insgesamt 200 Ausreisen von abgelehnten und damit ausreisepflichtigen Asylbewerbern erfolgt“, bestätigt Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch. „Diese Zahl beinhaltet freiwillige Ausreisen wie auch Rückführungen.“ In 2015 erfolgten bereits sieben Ausreisen.

Im Fall des 23-jährigen Pakistani, der nach Italien geflogen werden sollte, handelt sich um einen Fall der Ausländerbehörde – eine sog. Rücküberstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens. Der junge Mann sollte heute morgen von Düsseldorf nach Rom fliegen, um dann dort sein Asylverfahren weiter zu betreiben.

„Vorher wurde ihm natürlich die freiwillige Ausreise nach Italien angeboten, dieser kam er allerdings nicht nach“, berichtet Skupsch. Für die Stadt Dortmund handelt es sich nicht um einen prekären Fall  „im Sinne von „zurück ins Herkunftsland/Familientrennung“, sondern um einen „Standard-Fall“.

Ausreiseverpflichtung besteht weiter – Anzeige gegen Blockierer

Ein Großaufgebot der Polizei rückte an, schritt aber wegen des friedlichen Charakters der Aktion nicht ein.
Ein Großaufgebot der Polizei rückte an, schritt aber wegen des friedlichen Charakters der Aktion nicht ein.

Wegen der Sitzblockade der überwiegend jungen Demonstranten vor beiden Zugängen zum Gelände wurde die Abschiebung für heute ausgesetzt.

„Die Ausreiseverpflichtung besteht uneingeschränkt fort, somit muss das Verfahren weitergeführt werden“, verdeutlicht Stadtsprecher Skupsch.

Die Sitzblockierer von  „Abschiebestop Ruhr“ sind mit ihrer Aktion sehr zufrieden, auch wenn sie deswegen mit einer Anzeige wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsrecht rechnen müssen, bestätigte Polizeisprecher Gunnar Wortmann.

Die Polizei war um 5.30 Uhr vom Wachdienst der Anlage informiert worden. Weil der Protest friedlich war, griff die Polizei nicht ein. Gegen 8.30 Uhr beendeten die Blockierer die Aktion – da war klar, dass die Abschiebung am heutigen Tag nicht mehr möglich war.

Scharfe Kritik: Abgeschobenen Flüchtlingen droht Elend und Obdachlosigkeit

Die Blockierer forderten ein Bleiberecht für Flüchtlinge.
Die Blockierer forderten ein Bleiberecht für Flüchtlinge.

Die Blockierer kritisieren das Dublin-Verfahren und die Rückführung nach Italien: „In Italien droht dem Flüchtling, wie vielen anderen Flüchtlingen auch, ein Leben in Elend und Obdachlosigkeit“, heißt es in einer Pressemitteilung der Gruppe, die sie über den Twitter-Account „@abschiebestop“ verbreiteten.

„Mittelmeerstaaten müssen durch diese Verordnung mehr Flüchtlinge aufnehmen und die betroffenen Menschen werden ungeachtet ihrer ohnehin schwierigen Situation hin und her geschoben.“

Die Versorgung geflüchteter Menschen in Italien wird von unterschiedlichen  Menschenrechtsorganisationen schon seit geraumer Zeit kritisiert. „So lebte auch der Mann, mit dem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sitzblockade solidarisieren, drei Monate obdachlos in einem Park, was ihn schließlich dazu brachte, weiter nach Deutschland zu fliehen“, heißt es in der Stellungnahme der Gruppe  „Abschiebestop Ruhr“ weiter.

Angesichts der schlechten Lebensbedingungen, die ihn erwarten, hätten die Aktivistinnen und  Aktivisten beschlossen, sich am Morgen seiner Abschiebung vor der Unterkunft zusammenzufinden und die Abschaffung der Dublin III-Verordnung zu fordern.

Junger Pakistani floh vor den Taliban – Behörden halten den Fluchtgrund für „unberechtigt“

Eine Sitzblockade verhindert die Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien.
Eine Sitzblockade verhindert die Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien.

Ursprünglich ist der von den Unterstützerinnen und Unterstützern in Schutz genommene Mann aus Pakistan vor den Taliban geflohen. Er sieht für sich in diesem Land keine Zukunftsperspektive, denn auch innerhalb des Landes erscheinen ihm Fluchtmöglichkeiten entgegen den Aussagen der deutschen Behörden aussichtslos.

Es gibt jedoch laut der UnterstützerInnen-Gruppe keinen triftigen Grund, seine Flucht für „unberechtigt“ zu halten oder ihn zu kriminalisieren.

Sie unterstützen diesen Mann darum in seinem Wunsch, in Deutschland zu leben. Die Aktivistinnen und Aktivisten fordern darüber hinaus für alle Betroffenen dieser restriktiven Gesetzgebung: „Alle bleiben hier – Abschiebungen stoppen!“

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Reaktionen

  1. Stefanie Zimmermann von Abschiebestopruhr

    Abschiebung einer fünfköpfigen Familie aus Dortmund in die Obdachlosigkeit und Armut:
    Initiative kündigt kollektives Picknick vor der Unterkunft an.

    »Abschiebungen und Obdachlosigkeit – das können wir nicht einfach so akzeptieren“, sagt Stefanie Zimmermann Pressesprecherin des Bündnisses Abschiebestopruhr.

    In den frühen Morgenstunden des 12. Februar 2015 soll die in Dortmund lebende pakistanische Familie Kashif von Polizeibeamt*innen abgeholt und nach Belgien abgeschoben werden. Die Familie ist 2011 aus Pakistan geflohen, in Belgien wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Die Familie kam vor 9 Monaten nach Deutschland, wo sie in Dortmund untergebracht wurden.

    Die zwei älteren Kinder besuchen die Grundschule `Freiligrath´ in Dortmund und sind gut in ihre Klasse integriert, das jüngste Kind ist gerade einmal 1 ½ Jahre alt. Nun sollen alle nach Belgien in die Obdachlosigkeit abgeschoben werden. 2011 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass Belgien mit ihrer Behandlung von Geflüchteten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßt, geändert hat das jedoch nur wenig.

    Die Menschenrechtsorgansation `Amnesty International´ bestätigt dies in ihrem Jahresbericht 2013. »Migrantenfamilien ohne regulären Aufenthaltsstatus erhielten auch weiterhin keinen Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen«, so Amnesty International. Dies bedeutet für das Ehepaar Kashif und ihre Kinder ein Leben auf der Straße, ohne medizinischer Versorgung, Sozialleistungen oder Rechtshilfe.

    »Eine Abschiebung nach Belgien stellt eine akute Gefährdung des Kindeswohl der drei Kinder dar«, berichtet Stefanie Zimmermann. Die Initiative fordert ein Ende der dauerhaften Stressbelastungen, durch das Leben in permanenter Angst vor einer möglichen Abschiebung. Sie fordert daher einen dauerhaften Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen für die Familie in Deutschland.

    Die Initiative Abschiebestopruhr kündigt am 10.02.2015 ab 6:30 Uhr vor der Unterkunft im Grevendicks Feld 5 ein kollektives Picknick in Solidarität mit der Familie Kashif an. »Wir wollen zusammen mit Geflüchteten, linken Aktivist_innen, kirchlichen Gemeindemitgliedern, Gewerkschafter_innen, Anwohner_innen und weitere engagierte Menschen in Solidarität mit der Familie und gegen Abschiebungen vor der Einrichtung ein Zeichen setzen. Wir laden alle solidarischen Menschen herzlich ein sich uns anzuschließen« beschreibt Stefanie Zimmermann das Vorhaben.

    Die Aktivist_innen der Initiative fordern darüber hinaus für alle Betroffenen dieser restriktiven Gesetzgebung: »Alle bleiben hier – Abschiebungen stoppen!«

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