Verbände kritisieren Beschränkung und stellen Rechtmäßigkeit in Frage

Fremdanzeigen an die Verkehrsüberwachung der Stadt Dortmund sind nur noch online möglich 

Wenn Fuß- und Radwege zugeparkt wurden, gab es mehrere Wege den Verstoß zu melden. Das ändert sich jetzt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Digitalisierung in der Verkehrsüberwachung des Ordnungsamtes der Stadt Dortmund wird weiter ausgebaut: Seit dem 18. Oktober können Fremd- oder Privatanzeigen an die Verkehrsüberwachung nur noch online übersandt werden. Damit reagiert die Verkehrsüberwachung auf die stetig steigende Anzahl an Fremdanzeigen und entspricht auch dem sich verändernden Nutzungsverhalten der Bürger:innen. Das stößt allerdings nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Die Stadt Dortmund setzt auf leichtere Automatisierung

Die Verkehrsüberwachung im Ordhnungsamt hat gut zu tun: In 2020 wurden 11.223 Anzeigen gezählt, in 2021 mit 10.837 Anzeigen coronabedingt etwas weniger. Die Bearbeitung im Innendienst war bislang sehr aufwändig. Nun ist das Verfahren umgestellt und wird als Online-Formular „Fremdanzeige“ auf dem Serviceportal der Stadt Dortmund angeboten. 

Die Verkehrsüberwachung ist auch mit neuen Uniformen ausgestattet worden.
Die Verkehrsüberwachung hat viel zu tun – doch das reicht nicht, wie man an der Zahl der Fremdanzeigen sieht. Archivbild: Alex Völkel

Um dieses Angebot nutzen zu können, muss sich jeder Einsendende registrieren und ein Gastkonto anlegen. Zur Übermittlung einer Fremdanzeige ist ab sofort das oben genannte Online-Formular zur Fremdanzeige zu nutzen (Link am Ende).

Durch die Verwendung des Online-Formulars ist nach Ansicht der Stadt sichergestellt, dass alle notwendigen Angaben immer vollständig übermittelt werden und damit gerichtsverwertbare Angaben vorliegen. 

„Das Online-Formular bietet zudem den Vorteil einer automatisierten Datenübertragung direkt in die Fachanwendung für die Bearbeitung der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Eine manuelle Erfassung und Datenvorgabe durch die Sachbearbeitung der Verkehrsüberwachung ist dann nicht mehr erforderlich“, erklärt Stadtsprecher Maximilian Löchter. 

Künftig sind Fremdanzeigen nur noch online möglich

Behinderungen durch illegales Parken auf dem Bürgersteig beziehungsweise dem Radweg werden deutlich teurer.
Behinderungen durch illegales Parken auf dem Bürgersteig beziehungsweise dem Radweg sind ein großes Thema. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Fremdanzeigen werden nach Eingang von der Sachbearbeitung auf Rechtsverwertbarkeit geprüft und es erfolgt eine Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens.

„Eine anschließende individuelle Rückmeldung an den/die Anzeigenerstatter:in über den weiteren Verlauf des Verfahrens ist nicht vorgesehen und auch angesichts der Vielzahl der eingehenden Anzeigen nicht leistbar“, dämpft Löchter übertriebene Hoffnungen. 

Die Verkehrsüberwachung weist aber hier noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Anzeigenerstellende auch vor Gericht als Zeugen zur Verfügung stehen müssen. 

„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Fremdanzeigen zu Parkverstößen aus den genannten Gründen nunmehr ausschließlich über das Online-Formular angenommen werden. Für eine Übergangszeit, welche Ende November endet, bleibt die Möglichkeit der schriftlichen Einreichung einer Fremdanzeige jedoch noch bestehen“, so der Stadtsprecher. 

ADFC Dortmund übt Kritik am neuen Online-Verfahren

Die Radverkehrsverbände sind von der ausschließlichen Möglichkeit der Anzeige via Homepage nicht überzeugt. „Es war schon lange möglich, über die App Wegeheld  Anzeigen gegen Falschparker zu erstatten. Hiervon ist auch Gebrauch gemacht worden“, erinnert Werner Blanke vom ADFC.

Werner Blanke, Vorsitzender des ADFC Dortmund. Foto: Alex Völkel
Werner Blanke (ADFC Dortmund) Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Die Aussage, dass in Zukunft nur noch Anzeigen mit dem städtischen Onlineformular bearbeitet werden, halte ich für rechtlich nicht haltbar, denn die Anzeigenform ist rein rechtlich nicht an nur eine Form gebunden. Es gibt ja auch immer noch Menschen, die keinen Onlinezugang haben bzw. mit der Nutzung nicht klar kommen“, kritisiert der ADFC.

„Es war schon immer rechtens, dass Menschen Anzeigen erstatten, die dann entweder von der Polizei oder dem Ordnungsamt verfolgt werden müssen“, so Blanke.  „Es entsteht für mich allerdings der Eindruck, dass das Ordnungsamt durchaus daran interessiert ist, dass Bürger die eigentliche Aufgabe der Stadt übernehmen, für Ordnung in ihrer Stadt zu sorgen. Das erspart so manches Personal.“ 

Der ADFC fordert nach wie vor eine deutliche Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter:innen beim Ordnungsamt, die den ruhenden Verkehr kontrollieren, so wie es in anderen Großstädten personell bereits läuft. „Unabhängig davon können die Mitarbeiter des Ordnungsamtes natürlich nicht zu jeder Zeit an jedem Ort sein, sodass es durchaus Sinn macht, dass die Kommune über den direkten Onlinezugang die Möglichkeit einer Anzeigenerstattung gewährt“, so Blanke.

„Aufbruch Fahrrad“ sieht Rechtsverstöße durch die Stadt

Auch Peter Fricke von „Aufbruch Fahrrad Dortmund“ ist skeptisch: „Ich glaube nicht, dass diese Beschränkung der Möglichkeit, Anzeige zu erstatten, überhaupt zulässig ist. Die Stadt hat unsere Anfrage nach der Rechtsgrundlage für diese Beschränkung leider noch nicht beantwortet.“

Peter Fricke von der Initiative „Aufbruch Fahrrad“
Peter Fricke von der Initiative „Aufbruch Fahrrad Dortmund“

„Auf mich wirkt es so, als sollten mit der neuen Regelung und dem umständlichen Formular den Menschen Steine in den Weg gelegt werden, um sie von einer Anzeige abzuhalten“, so Fricke. Die Stadt sage zwar, der Vorteil des Formulars sei, dass die Daten automatisch in die Systeme der Stadt übertragen werden können. Das können andere Dienste aber auch. 

„Die meisten Menschen nutzen bisher die Internetseite www.weg.li, auf der man sehr komfortabel Anzeige erstatten kann, weil Tatzeit, Datum und Kennzeichen direkt aus dem Beweisfoto ausgelesen werden und man viel weniger tippen muss als beim Formular der Stadt“, erklärt Fricke. „Die Anzeigen werden dann per E-Mail an die Kommunen geschickt, aber weg.li bietet auch an, diese Daten über eine Schnittstelle automatisch an die Systeme der Kommunen zu übermitteln. Man muss nur wollen.“

„Für uns ist klar: Für die Formularpflicht gibt es keine rechtliche Grundlage. Anzeigen müssen auch in Zukunft unabhängig von der Form bearbeitet werden“, betont „Aufbruch Fahrrad Dortmund“.  

Verkehrsverbände fordern mehr Personal für die Verkehrsüberwachung

„Noch wichtiger ist aber, dass die Stadt das Grundproblem löst und endlich die Verkehrsüberwachung ausbaut. Wer zu Fuß geht oder Rad fährt, will ja nur sicher ans Ziel kommen und nicht Anzeigen schreiben“, betont Peter Fricke. „Eine Anzeige ist eine Verzweiflungstat, weil die Stadt ihren Job nicht erledigt und darum die Wege zugeparkt sind.“ 

Im Vergleich zu ähnlichen Städten wie Düsseldorf fehlten in Dortmund mindestens hundert Stellen in der Verkehrsüberwachung. „Da muss endlich etwas passieren. Wenn die Stadt die Stellenzahl weiter nur in Trippelschritten erhöht, ist das Dortmunder Falschparkerproblem am Ende des Jahrhunderts immer noch ungelöst“, fürchtet der Radfahraktivist.

Hier geht es zur Online-Anzeige: Fremdanzeige (dortmund.de) 

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Reader Comments

  1. Hauptvogel

    Bisher war es immer möglich, per Mail eine Fremdanzeige zu verfassen, ohne Probleme und bürokratischen Wust. Es ist schon schlimm genug, dass Bürger die Aufgaben der Verkehrsüberwachung übernehmen müssen, um irgendwie im Straßenverkehr klarzukommen, jetzt auch noch dieses bürokratische Monster, mit dem sicher viele nicht klarkommen.
    Wenn man bedenkt, dass die Stadt ohne Mühe an Bußgelder kommt, ist das neue Meldesystem eine Zumutung!

  2. Gertrud Klein

    ich habe versucht mich in die Onlineanzeige bei dem Ortnungsamt Dortmund einzuloggen, ist mir nicht gelungen. Den Eindruck man will die Fremdanzeige erschweren glaube ich auch.
    mit freundlichen Grüßen
    Gertrud Klein

  3. Peter voss

    Das online Formular ist gut geeignet bei Park Verstößen aber leider nicht bei anderen verkehrssachen.zb Autos die auf dem Gehweg fahren oder pferdekutschen.wie kann man das denn dem Ordnungsamt melden?

    mfg Peter voss

  4. Norbert

    Es bleibt die Frage, was denn genau die Rechtsgrundlage dafür ist, dass die Stadtverwaltung bei dieser Angelegenheit nur über ein Online-Portal mit sich kommunizieren lässt.

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