Erster Gottesdienst in Kirchen nach der Corona-Pause
Mitschwingen statt Mitsingen
Es war ein ganz normaler Sonntags-Gottesdienst in Brackel – und doch ein Gottesdienst wie kein anderer zuvor. Wie 15 weitere Evangelische Kirchen in Dortmund lud auch die Kirche in Brackel am Sonntag zum ersten Präsenzgottesdienst nach der Corona-Pause ein. Pfarrerin Sandra Sternke-Menne und Kantor Wolfgang Meier-Barth gestalteten ihn in ungewöhnlichem Rahmen.
Eigentlich fasst die Kirche am Brackeler Hellweg 250 Besucherinnen und Besucher. Gekommen waren 20. Das Schutzkonzept, das Sandra Sternke-Menne und ihre Mitwirkenden in der Gemeinde erstellt hatten, legte auch den Abstand zwischen den Menschen im Gottesdienst fest. So reduzierten die Brackeler die Anzahl der Plätze in ihrer Kirche drastisch. Zudem hatten einige, vor allem ältere Gemeindeglieder aus Vorsicht und Unsicherheit noch auf einen Kirchbesuch verzichtet.
Diejenigen, die gekommen waren, hielten zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Mitfeiernden weitere Vorgaben ein. Sie alle mussten Namen und Anschrift angeben, zur Handdesinfektion standen Spender bereit und in die Kirche ging es nur mit Mund-/Nasenschutz.
Besonders ungewohnt für die Menschen im Brackeler Gottesdienst war zudem die Ansage, dass, anders als üblich, nicht gemeinsam gesungen werde. Zu gefährlich ist in Zeiten möglicher Corona-Infektion das verstärkte Ausscheiden von Aerosolen beim Gesang.
Dennoch – oder gerade deswegen – legte Pfarrerin Sternke-Menne ihrer Predigt an diesem Sonntag, der den Namen ‚Kantate‘ – ‚Singet‘ trug, ein Lied zugrunde. „Aufstehen, aufeinander zugehen“, der Kirchentags-Klassiker von Clemens Bittlinger, klang während der Predigt, in unterschiedlichen Variationen intoniert von Kantor Wolfgang Meier-Barth, immer wieder an. Auch wenn man nicht mitsingen könne, so solle man innerlich mitschwingen, forderte die Pfarrerin die Gottesdienstbesucherinnen und- besucher auf.
Und die nahmen den Impuls gerne an und verfolgten die Gedanken zu dem Lied aufmerksam. Von der Modulation in Moll-Tönen, die auf das sorgenvolle Innehalten in Corona-Zeiten anspielte, über das tänzelnde Pendeln in Walzer-Rhythmen – den Versuch, mit der Situation, den immer neuen Vorgaben umzugehen -, Improvisationen, die das ursprüngliche Lied, den vertrauten Alltag kaum noch erkennen ließen, bis hin zur klaren, klangfrohen Ursprungsversion des Liedes, die Hoffen und Vertrauen auf ein Miteinander in gewohnter Zuversicht symbolisierte.
Zuhörerinnen und Zuhörern gefiel diese Interaktion zwischen Musik und Predigt. „Das war eine Rückmeldung, die wir bekamen“, sagt Sandra Sternke-Menne. Dennoch sei die Situation für sie ungewohnt gewesen. Bei der Predigt nur auf Menschen mit Masken zu schauen, die weit in der Kirche verteilt saßen, allenfalls ihre Augen zu erkennen, die einige zudem geschlossen hielten, das alles habe fast surreal gewirkt, berichtet die Pfarrerin.
Dennoch will Sandra Sternke-Menne die Gottesdienste unter den neuen Voraussetzungen weiterentwickeln. „Ich empfinde es als Herausforderung, die Menschen im Gottesdienst zu erreichen, auch wenn altbekannte Formen wie gemeinsames Singen oder engerer Kontakt untereinander nicht möglich sind“, sagt die junge Pfarrerin. „Da werden wir alle gemeinsam in der kommenden Zeit neue Erfahrungen machen.“
Als herausfordernd sieht es die Theologin auch, auf andere, passgenaue Weise für Menschen in ihrer Gemeinde da zu sein. „Da kann der Sonntags-Gottesdienst sicherlich eines der Angebote sein“, sagt Sandra Sternke-Menne. Aber es brauche auch andere Wege, die die Menschen in ihren Lebenswelten erreichten. „Denn Gottesdienst geht nicht nur sonntags in der Kirche.“
Bildzeile: Besuch mit Masken und auf Abstand. Auch in Brackel fand am 10. Mai der erste Präsenz-Gottesdienst nach der Corona-Pause statt.
Foto: Stephan Schütze