Dortmund zeigt mit Diversity Tag im Deutschen Fußballmuseum Flagge für Vielfalt
Der Dortmunder Diversity Tag fand zum ersten Mal im Deutschen Fußballmuseum statt – das Motto: „Allianz für Vielfalt“. Expert*innen sprachen unter anderem über Themen wie Homophobie im Fußball oder den Fortschritt von Diversität in der deutschen Gesellschaft.
Auch der diesjährige Dortmunder Diversity Tag stand, wie praktisch alle Veranstaltungen derzeit, im Zeichen von Corona. So fanden etwa die sechs Breakoutsessions via Zoom statt: Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Aktivenverbänden lieferten hier Denkanstöße zu Themen der Diversität und Inklusion.
Deniz Greschner vom Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück formulierte Thesen zu einer wachsenden Solidarität zwischen Minderheiten-Communities, die einen Beitrag zur Überwindung der stark umstrittenen Identitätspolitiken leisten; Rudolf Kast, Vorstandsvorsitzender von „ddn Netzwerk“, berichtete über vorbildliche Unternehmensbeispiele im Umgang mit älteren Mitarbeiter*innen und räumte dabei mit einigen Vorurteilen auf. Paula Scholz vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg schaute auf die Diskriminierung von Interpersonen im Fußball und fragte, ob „diese Ausschlüsse fußballspezifisch“ seien? Und der Gründer von „Vielfaltsprojekte“, Lorenz Narku Laing, zeigte auf, wie Rassismus Grenzen in unserer Gesellschaft schafft.
Keynote von Claudia Roth
Im Anschluss an die Eröffnung durch Oberbürgermeister Thomas Westphal und dem Direktor des Deutschen Fußballmuseums, Manuel Neukirchner, richtete sich die Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, Claudia Roth, mit einer Keynote an die Referent*innen und die rund 370 Teilnehmer*innen im Netz. Roth feierte den Diversity Tag als „einen Tag der Menschenrechte“ und betonte Diversität und Inklusion als „große Idee einer gleichberechtigten Gesellschaft“, basierend auf Artikel eins des Grundgesetztes. Vieles sei in den letzten Jahren, gerade in Bezug auf Frauenrechte, erreicht worden. „Aber der gesellschaftliche Zusammenhang steht in der Pandemie auf der Kippe. Corona drängt die Errungenschaften von Jahrzehnten der Frauen zurück.“ So steige die Gewalt in den „eigenen vier Wänden“, Frauen müssten wieder verstärkt „Care-Arbeit leisten“.
Deshalb, und vor dem Hintergrund erstarkender Nationalismen, von Homophobie, Rassismus und Antisemitismus, rief Rorth dazu auf, solchen Spaltungen entgegenzutreten – gerade in Zeiten der Pandemie. Denn: „Multikulti ist nicht out, sondern mega in“, erklärte sie und verwies auf die Bildergalerie im Fußballmuseum mit Porträts von Spieler*innen wie Miroslav Klose, Anthony Yeboah oder Steffi Jones, die die Gesellschaft positiv geprägt hätten.
Outing von Fußballprofis?
Um Fußball im Kontext von Diversität ging es auch in einer prominent besetzten Gesprächsrunde, die trotz Corona im Fußballmuseum stattfinden konnte. Alle Mitglieder des Podiums hielten sich an die Hygienemaßnahmen und wiesen einen offiziell bestätigten negativen Corona-Test aus.
Unter der Moderation von Christiane Poertgen, diskutierten sechs Teilnehmer*innen, darunter die Stadtdramaturgin vom Schauspiel Dortmund, Megha Kono-Patel, und Oberbürgermeister Thomas Westphal, etwa die Ausgrenzung Homosexueller im Männerfußball und die Gefahren – und Chancen? – eines Outings. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani sieht hier eine große Problematik beim jeweiligen Team. „Bei Mitspielern gibt es oft Signale, die ein Outing als Risiko erscheinen lassen. Ich kann verstehen, dass man da vorsichtig ist.“ Ähnlich die Meinung Thomas Westphals, der ein entsprechendes Bekenntnis, trotz der Fortschritte, etwa durch das Outing von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, nach wie vor „als hohe Barriere“ deutet. Laut Christian Rudolph sollte diese Vorbildfunktion aber nicht allein Fußballprofis zugewiesen werden. Der Leiter der zentralen Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt beim Deutschen Fußballbund fordert darüber hinaus, „dass sich viel mehr Personen im Sinne sexueller Vielfalt outen, neben Fußballer*innen auch Mitarbeiter*innen der Vereine oder Sportjournalist*innen“.
Diversität braucht Vorbilder
Diversität als gesellschaftliches Ziel braucht Vorbilder. Vorbilder wie Conny Dietz. Die Blindenfußballerin und Paralympics-Gewinnerin aus Dortmund ist seit Jahrzehnten Fan der Dortmunder Borussen und setzt sich im Lernzentrum Südtribüne in der Arbeit mit Jugendlichen für Toleranz und gegen Rassismus ein. Wichtig ist für sie, „die Jugendlichen auch in Bezug auf ihre Sprache zu sensibilisieren“, wobei fast immer auch ihr Leben mit dem Handicap einer Sehbehinderung eine Rolle spielt.
Transition in der Öffentlichkeit
Ähnlich offensiv geht auch Nicu Burgheim mit seiner Lebensgeschichte um. Als transidenter Mann, ehemalige Kickerin in der Frauenbundesliga und aktuell Lehrer an einer Bielefelder Schule, konnte er so während seiner „Transition in der Öffentlichkeit vielen den Wind aus den Segeln nehmen“. Gerade bei seinen Schüler*innen stieß er auf große Akzeptanz: „Ich habe den Schüler*innen erklärt, ‚Frau Burgheim geht, Herr Burgheim kommt‘ und gleichzeitig klargemacht, dass sie mich alles fragen dürfen. Dass es keine dummen Fragen gibt, sondern die Haltung dahinter entscheidend ist.“ Mit dieser offenen Art habe er „viel mehr gute als schlechte Erfahrungen gemacht“.
Megha Kono-Patel sieht das Eintreten für Akzeptanz durch biografische Bezüge kritisch. Für sie sollte Akzeptanz schon weit selbstverständlicher sein: „Es ist nicht die Aufgabe von Betroffenen, sich zu erklären“, stellt sie fest. Im Gegensatz dazu vertritt Aladin El-Mafaalani. die Überzeugung, es müsse weiter Menschen geben, „die an die Ausgrenzung von anderen erinnern und daran, dass wir trotz zahlreicher Fortschritte erst die Hälfte der Treppe erreicht haben“.
„Die offene Gesellschaft braucht uns alle!“
Weitere Themen des Podiums waren etwa die Auswirkungen von Black Lives Matter auf Deutschland, die Notwendigkeit von Empathie im öffentlichen Diskurs oder Rassismus an deutschen Theatern. Zum Abschluss der rund vierstündigen Veranstaltung unterzeichnete Manuel Neukirchner für das Deutsche Fußballmuseum die Charta der Vielfalt. Das Schlusswort gehörte Oberbürgermeister Thomas Westphal: „Die offene Gesellschaft braucht uns alle! Um die Flagge für Vielfalt wehen zu lassen, braucht es Streit und Energie, aber auch Wohlwollen. Es geht nicht darum, Abgrenzung zu definieren. Dortmund ist eine Stadt der Nachbarschaft, und das wird uns auch in Zukunft ausmachen.“
Auch der diesjährige Dortmunder Diversity Tag wurde federführend von der „Koordinierungsstelle für Lesben, Schwule und Transidente“ organisiert, erstmals in Kooperation mit dem Deutschen Fußballmuseum und mit freundlicher Unterstützung durch DSW21, DEW21 und EDG. Deutschlandweit wird dieser Tag am 18. Mai gefeiert, aus Rücksicht auf den Terminkalender einiger Teilnehmer*innen fand dessen Dortmunder Variante einen Tag vorher statt: Am 17. Mai erinnern Menschen weltweit im Rahmen des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) an die Entscheidung der WHO vor 31 Jahren, Homosexualität nicht mehr als Krankheit zu definieren.
Bildzeile: Ausrollen der Flagge für Vielfalt. (v.l.) Manuel Neukirchner (DFM), Kirsten Fronz (DSW 21), OB Thomas Westphal, Stefanie Edelbrauk (DEW 21), Paul Klammer (Vorstand SLADO), Susanne Hildebrandt (Orgateam Stadt Dortmund) .
Foto: Roland Gorecki / Stadt Dortmund