Bereits vor Monaten liefen die Verhandlungen für eine zweite Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Asylsuchende in Dortmund. Nun ist die Eröffnung in Sicht. Nach dem IBIS-Hotel Dortmund-West in Oespel wird ab dem Frühjahr 2025 ein weiteres Hotel als Einrichtung dienen – das Best Western Hotel in der Aplerbecker Schleefstraße. Über das Vorhaben wurden die Aplerbecker:innen jetzt in der großen Kirche der Evangelischen Georgsgemeinde informiert. Die Anwesenheit der Polizei und vieler Sicherheitskräfte war dabei kein Zufall. Bereits im Vorfeld rechnete der Bezirksbürgermeister Jan Gravert mit Störungen von Personen des rechten Flügels. Unter den mehreren hundert Besucher:innen befanden sich Mitglieder und Vertreter:innen der AfD.
Trotz sinkender Anzahl der Asylanträge weiterhin Plätze notwendig
Der Blick auf die Zahlen der gestellten Asylanträge in Deutschland zeigt 2024 einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Der Bedarf an Plätzen für Geflüchtete besteht dennoch, wie Dr. Andreas Hohlfeld den Bürger:innen erklärte. „Wir sind zwar von den Zahlen von 2015/2016 weit entfernt, liegen jedoch trotzdem über dem Jahresdurchschnitt“, betont der Leiter der Abteilung 2 der Bezirksregierung Arnsberg.
Wöchentlich registriert die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Bochum rund 1.200 Personen. Da die Unterbringungseinrichtungen zu 80 Prozent ausgelastet sind, wird eine zweite ZUE in Dortmund eingerichtet.
Aufgrund der nötigen Verfügbarkeit wurden bei der Suche nach einer passenden Räumlichkeit sanierungsbedürftige Gebäude gemieden: „Wir brauchen jetzt Plätze, nicht erst in 2026 oder 2027“, so Hohlfeld. Als passend erweist sich dabei das Best Western Hotel in Aplerbeck. Ab dem Frühjahr 2025 können dort bis zu 350 Personen untergebracht werden.
Die Einrichtung einer ZUE zieht aus Hohlfelds Sicht sowohl Vorteile für die Kommune als auch für das Land NRW mit sich. So erfolgt zum einen eine 1:1-Anrechnung der Zuweisungsquote in Dortmund. Durch die Zuständigkeit des Landes werden dennoch auf kommunaler Ebene weniger Ressourcen benötigt. So müssen beispielsweise keine weiteren Kita- oder Schulplätze geschaffen werden, da ein schulnahes Betreuungsangebot in der Einrichtung gewährleistet wird.
Die zweite ZUE ist laut Hohlfeld keine „Low-Budget” Investition
In der Einrichtung werden runde Tische mit Vertreter:innen von Kommunal- und Kreisverwaltung geben, wie Oliver Hoppe von der Bezirksregierung Arnsberg erklärt. Außerdem wird ein Umfeldmanager als Ansprechperson dienen. Ebenso werden rund um die Uhr Betreuungs- und Sicherheitsdienstleister:innen zur Verfügung gestellt. Die Mietdauer des Gebäudes beträgt zum 1. Januar 2025 fünf Jahre.
Eine Verlängerungsoption von weiteren fünf Jahren ist ebenfalls vorgesehen. Auf die Nachfrage eines Bürgers, wie hoch die monatlichen Mietkosten seien, erfolgt keine klare Antwort. Hohlfeld betonte, dass der geschlossene Vertrag vorsieht, keine Summe zu nennen.
Es handle sich nach seinen Angaben um eine „übliche Miete für ein Objekt dieser Art und Größe“. Allein die Kosten für die Sicherheitsdienstleister:innen belaufen sich monatlich auf rund 130.000 Euro, so Hohlfeld. „Das ist nicht Low-Budget, das ist gut investiertes Geld.“
Trotz überwiegend positiver Stimmung auch polarisierende Anmerkungen und Fragen
Nachdem die Vertreter die Umsetzung der geplanten ZUE in Aplerbeck ausführlich präsentierten, hatten die Anwesenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Der Beifall und die Anmerkungen der Bürger:innen erweckten den Eindruck einer überwiegend positiven Stimmungslage gegenüber der ZUE.
So auch von Paul Gerhard Stamm: „Die überwiegend positive Reaktion aus Aplerbeck hat mich beeindruckt – ein ausgezeichnetes Zeichen“, merkt der Vorsitzende der Flüchtlingshilfe „Netzwerk Geflüchtete in Dortmund“ an.
Einige Bürger:innen erkundigten sich interessiert nach dem voraussichtlichen Wohlbefinden der schutzbedürftigen Kinder. Andere wiederum zeigten Interesse an offenen ehrenamtlichen Stellen.
Ein Familienvater äußerte jedoch seine Angst, dass sich zukünftig rechtsextreme Personen vermehrt in Aplerbeck aufhalten könnten. Daraufhin dauerte es nicht lange, bis polarisierende Fragen und Kommentare fielen, darunter auch von Mitgliedern der AfD.
Der Fraktionsvorsitzende der AfD Dortmund, Heiner Garbe, merkte unter anderem an: „Ich bezeichne meine Fraktion nicht als Flüchtlingshelfer, sondern als Remigrationshelfer.“ Dies wurde von entsetzten Rufen der Mehrheit des Plenums begleitet, gefolgt von Aufforderungen von Bürger:innen, die verlangten, dass er die Veranstaltung verlassen solle. Dieser Aufforderung kam er jedoch nicht nach.
Thema der Kriminalitätsrate sorgte für hitzige Diskussionen
Obwohl die Veranstaltung überwiegend friedlich und ruhig verlief, sorgten bestimmte Themen für hitzige Diskussionen im Plenum. So stellte eine Bürgerin die Frage, ob in der ZUE Taschenkontrollen durchgeführt werden, da sie Angst vor Messerangriffen habe und bereits Opfer eines solchen Übergriffs geworden sei. Dies verneinte Hoppe, erklärte jedoch, dass Zimmerkontrollen durchgeführt würden. „Ein Messer wird nicht immer entdeckt. Es kann nie eine absolute Sicherheit gewährleistet werden“, fügte er hinzu.
Gegenwind erhielt die Frage von einer anderen Anwesenden, die anmerkte: „Der gefährlichste Ort für eine Frau ist ihr persönliches Umfeld. Ein Messerangriff ist hier unwahrscheinlicher.“
Diese Aussage wurde mit Applaus und Zuspruch aufgenommen. Auch die Frage, ob eine neue ZUE die Kriminalitätsrate in die Höhe steigen lasse, sorgte für Trubel. „Die Kriminalitätsrate in solchen Einrichtungen ist gleich null“, merkte eine Sicherheitsarbeiterin in einer Flüchtlingsunterkunft aus dem Plenum an.
„Ich finde es verdammt traurig, dass Aplerbeck nicht mehr so zusammenhält wie früher“, fügt eine Aplerbeckerin zu dem Diskurs an. Sie selbst habe nach eigenen Angaben bereits 2015 in einer Flüchtlingsunterkunft gearbeitet. „Die Menschen kommen in Verfassungen an, die schrecklich sind. Die Kriminalität ist 2015 auch nicht gestiegen.“
Hohlfeld vertraut auf die Kompetenzen der Polizei
Die Sorgen bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen wurden im Laufe des Abends weiterhin vertieft. Im Plenum wurde die Frage gestellt, ob neben der Polizei, die als „Freund und Helfer“ oft überlastet sei, weitere Maßnahmen zur Sicherheit geplant seien. Hohlfeld betonte sein Vertrauen in die Kompetenz der Polizei und äußerte kaum Bedenken in Anbetracht der Erfahrungen der ersten ZUE in Dortmund-Oespel.
Franke ergänzte, dass ein landesweites Gewaltschutzkonzept in NRW sowie ein spezifisches Konzept für die Einrichtung in Planung seien. Zudem solle eine soziale Fachkraft für Gewaltschutzthemen eingesetzt werden.
Hohlfeld unterstrich, dass der Schutz innerhalb der Einrichtung rund um die Uhr gewährleistet sei. Für den Bereich außerhalb sei jedoch die Polizei zuständig: „Das ist ihre Aufgabe, und die werden sie auch erfüllen.“ Die Aufgabe der ZUE bestehe darin, den Kommunikationsfluss mit der zuständigen Behörde sicherzustellen. Die Frage aus dem Plenum wurde dennoch aufgenommen, um die Sorgen an die zuständigen Behörden weiterzuleiten.
Kritik seitens der NGG gegenüber dem Hotelbetreiber
Unter den Bürger:innen befand sich auch Torsten Gebehart. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Dortmund kritisierte bereits vor der Veranstaltung das Vorhaben scharf – allerdings nicht wegen der Unterbringung der Geflüchteten, sondern aufgrund der Vorgehensweise des Hotelbetreibers.
Rund 19 Personen, die ehemals beim Best Western Hotel tätig waren und Mitglieder:innen der NGG sind, wurden seitens des Hotelbetreibers ohne jegliche Abfindung entlassen und stehen nun mit leeren Händen da, wie Gebehart erklärt. Ein Vorgehen, das aus der Sicht des Geschäftsführers nicht nur sozial unverantwortlich, sondern auch moralisch fragwürdig sei.
Finanziert wird die Unterkunft durch staatliche Gelder, die aus Steuermitteln stammen – Steuern, die auch von den betroffenen Mitarbeiter:innen über Jahre hinweg gezahlt wurden, erläutert Gebehart. Während das Land NRW das Gebäude anmiete und pro schutzbedürftiger Person bezahlt, profitiere der Hotelbetreiber von der Situation.
Gebehart vermutet, dass die neuen Einnahmen das Mehrfache des bisherigen Jahresumsatzes des Hotels betragen. Gleichzeitig fallen die üblichen Betriebskosten eines Hotels, wie etwa für Gästeservice oder Instandhaltung, weg.
Sowohl der Geschäftsführer als auch die betroffenen Mitglieder:innen der NGG betonen dabei, dass es für sie außer Acht steht, dass die geflüchteten Personen untergebracht und unterstützt werden sollten. Vielmehr ziehe jedoch der Hotelbetreiber aus der Not der bedürftigen Menschen Gewinne und verstecke sich hinter der „Mauer der Gutmütigkeit“, wie Gebehart beschreibt.
Um während der Informationsveranstaltung nicht fälschlich die AfD und weitere rechte Personen zu mobilisieren, suchte Gebehart im Anschluss das direkte Gespräch mit den Vertretern der Bezirksregierung. Diese machten jedoch einen „schlanken Fuß“, wie Gebehart im Nachgang berichtete. So sagten sie, dass sie nicht zuständig für dieses Anliegen seien und ihnen die Hände gebunden seien. Wie die NGG nun weiter vorgehen möchte, ist laut dem Geschäftsführer bislang unklar. Fest steht jedoch, dass sie den öffentlichen Druck weiter erhöhen möchten.
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