Von Lisa König
In den Ferien lernen, wer macht denn sowas? Allein in diesen Herbstferien 250 SchülerInnen aus Dortmund – und das ganz freiwillig. Die NRW-weite Initiative „FIT in Deutsch“ bietet zugewanderten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, in der freien Zeit Deutsch zu lernen und dabei die Stadt kennenzulernen.
Über die Jahre hinweg konstant mehr BewerberInnen als freie Plätze
An mehreren Standorten in Dortmund fand letzte Woche das FerienIntensivTraining „FIT in Deutsch“ statt, das durch das Ministerium für Schule und Bildung NRW und die Stadt Dortmund finanziert wird. 2017 startete der Modellversuch für das Programm, damals nicht ganz ohne Skepsis. „Es gab schon einige Vorbehalte“, erzählt Martina Raddatz-Nowack. Sie kümmert sich als Leiterin des Fachbereichs Schule von der Stadt Dortmund um die Logistik und das Programm.
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„In den Ferien lernen, wie soll das denn funktionieren? Außerdem ist das Projekt mit viel Aufwand verbunden und wir hatten schon eigene Ferienprojekte.“ Aber die Bedenken hätten sich schnell ins Positive gewandelt. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie wissbegierig Kinder sind. Sie kommen tatsächlich freiwillig hier her, um in ihren Ferien zu lernen. Das ist doch der Beweis dafür, dass sie sich integrieren möchten, denn Sprache ist das wichtigste Werkzeug dafür.“
Seit 2017 haben insgesamt 1200 SchülerInnen an dem Unterricht teilgenommen. In diesen Herbstferien sind es 250 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren. Irmgard Heitkemper-Nießen vom Dienstleistungszentrum Bildung (DLZB) erzählt: „Die Nachfrage ist über die Jahre hinweg konstant sehr hoch. Wir haben immer mehr Bewerber, als wir freie Plätze haben.“ Deshalb werden die Plätze nach dem Windhundverfahren vergeben: Wer sich zuerst bewirbt, bekommt den Platz. „Dabei achten wir aber auch darauf, wer in der letzten Runde nicht dabei sein konnte und berücksichtigen diese nächstes Mal besonders.“
Neben Deutschkenntnissen spielen auch Praxiserfahrungen im Alltag eine wichtige Rolle
Die Begeisterung für das Projekt käme aber nicht nur von den SchülerInnen selbst, sondern habe schon auf die Schulen abgefärbt, erzählt Kahraman Hastürk vom DLZB. Für die Unterrichtszeit werden Räume benötigt und dafür müssen die VeranstalterInnen bei Schulen nachfragen.
„Früher mussten wir aktiv auf die Schulen zugehen und darum bitten, dass wir das Programm dort veranstalten können. Mittlerweile kommen sie von selbst auf uns zu.“ Dabei könne das Angebot auch für die Schulen eine zusätzliche Belastung bedeuten.
„Sie müssen sicher gehen, dass nachher alles wieder ordentlich ist und die Geräuschkulisse sich in Grenzen hält. Aber an den Standorten, wo wir schon mal waren, ist das kein Problem. Die Schulen merken ja auch, dass es klappt und der Unterricht etwas bringt.“
Die SchülerInnen lernen zwar vor allem Deutsch, aber das ist nicht alles. „In den Ferien weiter die Sprache zu lernen ist wichtig, weil sich das Wissen über die Zeit sonst stark reduziert“, erklärt Heitkemper-Nießen. „Aber wir unternehmen in der Zeit auch viel in Dortmund, damit die neuen Kinder die Stadt kennenlernen können.“ Ob ein Besuch im Zoo, auf dem Bauernhof oder bei einer Ausstellung in der DASA – besonders wichtig seien Praxiserfahrungen. „Wenn die Kinder selbst etwas bezahlen oder sich Karten für den Eintritt kaufen, hat das einen wichtigen Lerneffekt.“
Außerdem gibt es immer neue Themen, die in den Unterrichtsstunden behandelt werden. In diesen Ferien steht vor allem Sport auf der Tagesordnung – nicht nur theoretisch, sondern auch draußen mit Ball, Springseil oder Laufschuhen. „Da kommen dann auch gern mal Kinder aus der Nachbarschaft dazu“, erzählt Dr. Ulrike Eichenauer. Sie ist ausgebildete Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und eine der 20 Lehrkräfte in diesen Ferien.
„Das ist auch eine Form von Integration. Wir müssen nur aufpassen, dass sie nicht mit unseren Sportgeräten abhauen.“ Auch das Thema Freundschaft war ein Schwerpunkt. „Wir haben uns vor allem mit der Frage beschäftigt, was Freundschaft eigentlich bedeutet und wie man das beschreiben kann. Dafür braucht es nämlich mehr Worte als nur gut oder schlecht.“
„Es ist eben etwas anderes als der typische Unterricht an Schulen“ – Senta Schulze (VHS)
Der Unterricht findet immer in Gruppen statt, mit 25 SchülerInnen und zwei Lehrkräften. Das nennt sich Tandemunterricht. Die Tandempartnerin von Ulrike Eichenauer ist Charlotte Wenzel. Sie studiert Lehramt mit den Fächern Mathe und Sport und ist das erste Mal dabei. „Ich habe das von einem Kollegen gehört, der in den Sommerferien hier mitgemacht hat und wollte das auch gern ausprobieren. Und es gefällt mir echt gut.“
Alle Lehrkräfte, ob fertig ausgebildet oder nicht, müssen vorher eine Fortbildung machen, die aus zwei Schulungstagen besteht. Senta Schultze von der Volkshochschule Dortmund (VHS) kümmert sich unter anderem darum, die richtigen Lehrkräfte zu finden.
„Alle Lehrkräfte, die wir bisher hatten, kommen gerne wieder. Es ist eben etwas anderes als der typische Unterricht an Schulen. Hier haben sie ganz andere Möglichkeiten und der Unterricht ist intensiver.“
Das kann auch Dr. Eichenauer bestätigen. „Am besten ist eigentlich, dass es keine festgefahrenen Strukturen gibt. Je nachdem, wie konzentriert die Kinder gerade sind, können wir eine Pause einlegen oder zu dem praktischen Teil mit Bewegung wechseln.“
Und an heißen Sommertagen sei auch ein kleiner Motivationsschub in Form von Eiscreme nicht verkehrt. „Das macht das Lernen viel einfacher. Aber auch die Begeisterung, die die Kinder selbst mitbringen, ist erstaunlich. Sie entscheiden sich jeden Tag neu, hier her zu kommen.“ Dadurch seien die zum Teil sehr verschiedenen Sprachniveaus auch keine Schwierigkeit. „Kinder, die aus einem Sprachraum kommen, in dem andere Buchstaben verwendet werden, haben es am Anfang natürlich ziemlich schwer. Aber wir wissen, was die Kinder leisten können und meistens geht das viel schneller als gedacht.“
Der Unterricht findet jeweils zwei Wochen in den Sommerferien, acht Tage in den Osterferien und eine Woche in den Herbstferien statt. Bisher ist das Projekt bis 2023 bewilligt. Raddatz-Nowack: „Die Frage ist, wie sich bis dahin die Zuwanderungssituation verändert hat. Dann wird sich zeigen, ob wir so ein Programm noch langfristiger brauchen.“