Fachtagung „Haltung zeigen!“ der Freien Wohlfahrtspflege NRW in Dortmund: Sozialarbeit ist Demokratiearbeit

Die Diakonie bietet - wie auch andere Wohlfahrtsorganisationen - Obdachlosen eine Postanschrift an.
Ein Beispiel für die Arbeit freier Wohlfahrtsorganisationen – Die Diakonie Dortmund bietet Obdachlosen eine Postanschrift an. Die soziale Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege muss mehr sein als Bekämpfung sozialer Schieflagen.

Die multiplen Krisen der Gegenwart und der Aufstieg des Rechtspopulismus fordern die Freie Wohlfahrtspflege heraus. Es gilt, Haltung zu zeigen und Demokratie neu zu lernen und zu leben. Aus diesem Grund waren 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Verbänden und Handlungsfeldern der Freien Wohlfahrtspflege im Februar ins Dietrich-Keuning-Haus in die Dortmunder Nordstadt gekommen. Die Überschrift der Fachtagung lautete „Haltung zeigen – Für demokratische, christliche und humanistische Werte in der Bildungs- und Sozialarbeit“.

Politische Bildung muss als Kernanliegen in Theorie und Praxis neu verankert werden

Vorstandsmitglied Christian Woltering.
Vorstandsmitglied Christian Woltering. Foto: Der Paritätische NRW

In den Impulsen aus der Wissenschaft wie auch den Praxis-Workshops wurde deutlich, dass politische Bildung in der Freien Wohlfahrtspflege als Kernanliegen in Theorie und Praxis neu verankert werden muss.

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„In der Weimarer Republik gab es nicht genug Demokratinnen und Demokraten“, erinnerte Christian Woltering, Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW. 

Die soziale Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege müsse mehr sein als Bekämpfung sozialer Schieflagen. Der Einsatz für Bedürftige, Demokratie und Wohlfahrtsstaat bildeten einen unauflöslichen Zusammenhang.

Widerstand leisten gegen Diskriminierung und Gleichgültigkeit

„Die Wohlfahrtsverbände sind auch politische Verbände“, so Woltering. Es gelte, Widerstand zu leisten gegen Diskriminierung wie auch vor allem gegen Gleichgültigkeit. Dieser Widerstand beruhe auf Haltung und führe zum Handeln. 

„Ich erlebe einen subtilen Alltagsrassismus“, berichtete Michael Taranczewski, Vorsitzender des Sozialausschusses der Stadt Dortmund und selber langjährig in der Jugendhilfe aktiv, in seinem Grußwort. Er wünschte sich die Renaissance einer kritischen Sozialarbeit. 

Die von Oliver Baiocco, Vorsitzender des LAG-Bildungsausschusses, in seinem Eingangs-Statement angemahnten „neuen Ideen“ für Selbstverständnis und Praxis der Freien Wohlfahrtspflege wurden in sechs Foren praxisnah diskutiert. Die Frage, wie Werteerziehung gegen Radikalisierungsprozesse und Entsolidarisierung entwickelt werden kann, stand dabei in den Workshops im Vordergrund.

Christlicher Wohlfahrtsverband als Spiegelbild der Gesellschaft

Theo Damm vom Caritas-Verband.
Theo Damm vom Caritas-Verband.

So stellte beispielsweise Theo Damm vom Caritasverband für die Diözese Münster das Caritas-Projekt „First Step – Demokratie bewusst leben“ vor. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass auch die Verbände, Dienste und Einrichtungen eines christlichen Wohlfahrtsverbandes mit seinen hauptamtlich und ehrenamtlich Mitarbeitenden und mit all seinen Klientinnen und Klienten Spiegelbild der ganzen Gesellschaft sind.

Das verbreitete Selbstbild im Sinne von „Wir sind die Guten“ sei für die Soziale Arbeit zu hinterfragen, politische Bildung dürfe man nicht an die Bundeszentrale für politische Bildung delegieren, sondern müsse sie neu im Verband verankern, auch wenn das Kraft koste.

Das Schreckbild des Untergangs der Weimarer Republik, das bei der Fachtagung immer wieder beschworen wurde, hat auch bei dieser „Blended-Learning-Qualifizierung“ zur Demokratieförderung bei der Caritas Pate gestanden, denn die Präsenzmodule und die Online-Phasen werden in Zusammenarbeit mit der Initiative „Gegen Vergessen – für Demokratie“ durchgeführt.

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Weitere Informationen:

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.

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  1. Online-Vortrag und Gespräch: Soziales Engagement in Moschee- und Cem-Gemeinden (PM)

    Die Integrationsagentur der AWO Unterbezirk Dortmund, das Multikulturelle Forum, das Projekt „Gemeinsam lernen im Dialog- muslimische und alevitische Sozialarbeit stärken“ und das Dietrich-Keuning-Haus laden Sie herzlich zum Online-Vortrag „Soziales Engagement in Moschee- und Cem-Gemeinden“ und zur anschließenden Diskussion mit Samy Charchira von der Universität Osnabrück ein.

    Soziale Arbeit hat sich bei den Wohlfahrtsverbänden, bei den Kommunen und in alteingesessenen Vereinen bereits vor vielen Jahren stets mehr professionalisiert und geschieht dort heute in der Regel durch hauptamtliche Beschäftigte.

    Aber Soziale Arbeit findet nicht nur in den etablierten großen Wohlfahrtsverbänden, in den Kommunen oder bei Sozialunternehmen statt, sondern auch sehr häufig durch Freiwilligenarbeit in muslimischen und alevititischen Gemeinden. Die Akteur*innen in den Gemeinden leisten Soziale Arbeit im Sinne von Beratung, Jugendarbeit, Altenhilfe etc., haben jedoch oft keinen gleichberechtigten Zugang zu finanziellen Ressourcen, um ihre Arbeit zu professionalisieren.

    Sie erreichen mit ihrer Arbeit eine große Zahl von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die oft von den etablierten Trägern nur unzureichend adressiert werden. In der sogenannten „Mehrheitsgesellschaft“ ist weitestgehend unbekannt, dass in Moscheen und Cem-Gemeinden weitaus mehr passiert als Religionsausübung. Sie sind Orte der Jugend- und Frauenarbeit, sie beraten und unterstützen bei der Erledigung von Behördenangelegenheiten und Ämtergängen, sie sind Orte der Begegnung und schützen vor Einsamkeit. Schlicht- sie übernehmen wichtige Funktionen für das soziale Leben im Stadtteil.

    Dieses Engagement angemessen sichtbar zu machen und zu würdigen, ist längst überfällig. Die Frage, ob es einen Wohlfahrtsverband muslimisch/alevitischer Prägung geben wird, ist nur noch eine Frage der Zeit.
    Deswegen wollen wir im Rahmen der Veranstaltung nach dem wissenschaftlichen Input von Samy Charchira mit Politik, Verwaltung, Wohlfahrtspflege, Moscheen und Cem-Gemeinden darüber ins Gespräch kommen, wie wir in Dortmund, Lünen und Umgebung miteinander neue Wege in der Sozialen Arbeit inklusiv gestalten können.

    Referent: Samy Charchira, Universität Osnabrück

    Wann? Donnerstag, 10. November 2022, 17.00 – 19.00 Uhr

    Anmeldung unter j.wenzel@awo-dortmund.de

    Die Zugangsdaten erhalten Sie per E-Mail. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.

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