Der „Alten Kolonie“ in Dortmund-Eving blieb der Abriss nur aufgrund des Widerstands einer Mieter:inneninitiative vor 50 Jahren größtenteils erspart. Der Widerstand des „Arbeitskreises Alte Kolonie“ gegen den Abriss ist Thema des Geschichtsgesprächs im Evinger Geschichtsverein am kommenden Montag, den 15. Juli 2024. Einleitend werden zwei Kurzfilme über die Bürgerinitiative gezeigt. Zuvor ist bei gutem Wetter eine 30-minütige Führung durch die Kolonie möglich. Treffpunkt ist am Nollendorfplatz 2 (Wohlfahrtsgebäude/Evinger Schloss) um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Ehemaliger Pfarrer erinnert sich an die Not der Bewohner:innen
Vor rund 50 Jahren dröhnte der Schlag von Abrisshämmern durch die „Alte Kolonie“. Der Abriss der ersten, damals 80 Jahre alten Häuser hatte begonnen und versetzte die Mieter der „Alten Kolonie“ in Angst und Schrecken.
„Die Mieterinnen und Mieter, oft in der Kolonie aufgewachsen, hatten Angst vor einem Umzug, höheren Mieten und fürchteten um ihre großzügigen Gärten zwischen den Häusern und die baumbestandenen Straßen“, erinnert sich Bernd Süselbeck, der bei seinen Besuchen als damaliger Pfarrer von der Not der Bewohner:innen erfuhr.
Er war Mitbegründer des „Arbeitskreises Alte Kolonie“, der sich für den Erhalt der Siedlung einsetzte. Die Evinger waren mit dem Arbeitskreis nicht allein. Im Ruhrgebiet kämpften Anfang der 1970er Jahre etwa 80 Initiativen für den Erhalt von Siedlungen.
Unterstützt durch ein Beraternetzwerk mit verschiedenen Experten wehrten sie sich in den 1970er Jahren gegen den landesweiten Trend, Altes abzureißen und Neues zu bauen. Dies vor dem Hintergrund, dass Werkswohnungen der Zechen und Stahlunternehmen an Wohnungsbaugesellschaften verkauft wurden und die Wohnungsgesellschaften neuen, teureren Wohnraum auf dem Siedlungsgrund schaffen wollten.
Ein gepflegtes, städtebauliches Schmuckstück im Ruhrgebiet
Die Evinger Mieterinitiative mit ihren Beratern und ihrer Öffentlichkeitsarbeit erreichte in vielen Gesprächen und mit zahlreichen Aktionen nicht nur den weitgehenden Erhalt und die Sanierung der Häuser in der „Alten Kolonie“ durch Stadt und Wohnungsbaugesellschaft mit der Unterstützung der damaligen Landesregierung, sondern war auch an einem gesellschaftlichen Wandel beteiligt.
„Es entstand der neue Begriff der Industriekultur und der basisdemokratische Anspruch der Initiativen veränderte auch die Parteienlandschaft nachhaltig“, sagt Wolfgang Skorvanek, Vorsitzender des Evinger Geschichtsvereins.
Heute gilt die „Alte Kolonie“ als das, was sie bei ihrer Entstehung war: Ein gepflegtes, städtebauliches Schmuckstück im Ruhrgebiet. Die „Alte Kolonie“ steht für den Siedlungsbau der Jahrhundertwende, der die frühere Werks- und Zechensiedlungen kennzeichnende gleichmäßige Reihung der Häuser durch eine ansprechende städtebauliche Gesamtplanung ablöste, nicht zuletzt um damals Arbeitskräfte anzuwerben.
Die „Dortmunder Zeitung“ würdigte die Siedlung am 13. Oktober 1900:
„Die Gemeinde Eving steht im Zeichen des Fortschritts. Bei der Kolonie ist von vornherein ein eigenartiger Baustil zu beobachten. Zum erstenmale begegnet man hier einem nach Zahl und Umfang imposanten Häuserviertel, bei dem nicht jede Arbeiterwohnung eine Kopie der Benachbarten bietet, sondern einen eigenen und einzigartigen Charakter. Die Neubauten machen einen ganz vorzüglichen Eindruck, und ihre Besichtigung lohnt sich wirklich der Mühe.“