Seit über zehn Jahren existiert das Projekt „Essen und Lernen“. In der Holsteinerstraße im Dortmunder Norden bekommen Kinder und Jugendliche eine warme Mahlzeit und Unterstützung beim Lernen. Im Gespräch mit Nordstadtblogger.de geben zwei pädagogische Fachkräfte und die Teamleitung des Projekts Einblicke in ihren Arbeitsalltag und die tagtäglichen Herausforderungen.
Eine kleine Idee entwickelte sich mehr und mehr zum Erfolgsprojekt
Was im Kleinen entstand, entwickelte sich zu einem breitaufgestellten Sozialraumprojekt für Kinder, Jugendliche und Eltern im Hannibal- und Brunnenstraßenviertel der Dortmunder Nordstadt.
2012 begann Bruder Maiko, ein Pallotinermönch und ausgebildeter Koch, für Kinder aus der Nachbarschaft der Gemeinde St. Antonius zu kochen, um ihnen ein warmes und gesundes Mittagessen zu ermöglichen.
Schnell stellte Bruder Maiko fest, dass die Kinder, die an den umliegenden Grundschulen keinen OGS-Platz erhielten, einen Wohlfühlort brauchten, an dem sie in Ruhe und mit vollem Magen lernen konnten. Er akquirierte ehrenamtliche Mitarbeiter:innen und Spendenmittel.
2017 übernahm die Jugendhilfe St. Elisabeth das Erfolgsprojekt und baute, gemeinsam mit dem Jugendamt, das bestehende Angebot mit Hilfe der Brückenprojekte zum „Sozialraumprojekt St. Antonius“ aus. Demnach können heute an diesem Ort Kinder ab ihrem dritten Lebensjahr bis zu ihrem Schulabschluss aufgenommen und unterstützt werden.
Täglich kochen die zwei „Küchenfeen“, die „das Herz der gesamten Einrichtung sind“, frisch und gesund für die Kinder und Jugendlichen, zu jeder Mahlzeit gibt es Salat. „Vor allem nach dem Wochenende hauen die Kinder richtig rein“, erzählt die Teamleiterin Gesa Harbig. Neben der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen gibt es Weiterbildungsangebote für die Eltern im Elterncafé. Die Jugendhilfe hat den Anspruch, Anlaufstelle für die gesamte Familie zu sein.
Vielfältige Angebote sollen die ganze Familie mit einbeziehen
„Wir haben hier eine hundertprozentige Migrationsquote und individuelle Bildungsniveaus“, erklärt Harbig. Die Kinder und Jugendlichen kommen aus unterschiedlichen Klassen und Schulen, alle aber aus der Gegend der Bornstraße. Zudem bekämen sie meist nur wenig Unterstützung von Zuhause. „Alle Eltern hier sind bemüht um ihre Kinder, können sie aber aufgrund der finanziellen Mittel und Lebensumstände nicht individuell fördern. Alle unsere Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze“, führt Gesa Harbig weiter aus.
Dies sei auch dem Umstand geschuldet, dass viele Familien aus anderen EU-Ländern kommen und daher keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. „Die Eltern müssen selbst für den Unterhalt sorgen, arbeiten meist in prekären und unsicheren Arbeitsverhältnissen“, verrät Harbig. Sie berichtet von Härtefällen: „Eine unserer Familien lebt mit acht Personen auf zwei Zimmern. Fünf Kinder schlafen dann in einem Raum.“
Neben vielen Kindern marrokanischen Ursprungs, die aus Spanien kommen, seien aber auch syrische Kinder und Kinder aus afrikanischen Staaten in dem Projekt. Diese seien dann zum Teil auch mit Existenzängsten konfrontiert, weil ihre Familien nur geduldet seien. Deshalb sei es auch wichtig die Familien der Kinder miteinzubeziehen und zu stärken. „Wir möchten das Angebot für Eltern im nächsten Jahr durch Empowerment-Workshops in unseren Räumlichkeiten vor Ort erweitern, denn die Familien leben meist noch sehr traditionell. Auch Berufsberatungen und soziale oder kulturelle Angebote der Stadt möchten wir den Eltern näher bringen“, berichtet Harbig.
Mangelnde Infrastruktur für Kinder und Jugendliche in der Dortmunder Nordstadt
„Es gibt kaum Kinderärzte im Dortmunder Norden, dabei haben ganz viele unserer Kinder Förderbedarf, wie Lögopädie. Wir haben einige Familien, die keinen Kinderarzt haben“, verrät die Teamleiterin. Hinzu käme zudem, dass Ärzt:innen aus anderen Stadtbezirken entgegen der Vorschriften nur Kinder aus dem eigenen Stadtbezirk behandelten.
„Ich komme aus dem Bereich Migration/ Integration und ich kenne die Nordstadt auch, aber wie gravierend die Infrastruktur für Kinder und Jugendliche ist hat mich schockiert“, sagt Gesa Harbig kopfschüttelnd. Sie fügt hinzu: „Es herrscht eine enorme Diskrepanz zwischen der Lebensrealität von Kindern aus der Nordstadt und Kindern aus anderen Stadtbezirken.“
Auf den wenigen Spielplätzen in der Umgebung müssten die Erzieher:innen zudem erst prüfen, ob gefährliche Gegenstände, wie Spritzen, herumliegen, auf den Straßen ist viel Müll, unter Drogeneinfluss stehende Personen laufen herum. „Wir haben die Kinder mal gefragt, wie sie im Quartier leben wollen. Sie wünschen sich Platz zum Spielen, größere Wohnungen und morgens nicht betrunkenen Menschen zu begegnen“, verraten die beiden pädagogischen Fachkräfte. Daher gibt es regelmäßig das Angebot von Tagesausflügen, beispielsweise um in den Wald zu fahren oder ins Naturkundemuseum.
Familiäre Atmosphäre und Zusammenhalt trotz der suboptimalen Rahmenbedingungen
Die Erzieherin Sina Tymczenko und die Kinderpflegerin Funda Kulak arbeiten in Vollzeit bei der Jugendhilfe St.Elizabeth. Auf die Frage, ob ihnen die Arbeit manchmal emotional nahegeht, entgegnet Kulak: „Am Anfang hat mich die Arbeit manchmal mitgenommen, da war ich aber auch erst 21 Jahre alt. Mittlerweile weiß ich, dass ich den Kindern und ihren Familien mit meiner Arbeit helfe.“
Beide erklären mit ernsten Gesichtsausdrücken, wie geschockt sie über die Situation in der Nordstadt sind. „Ich war überrascht, dass es sowas überhaupt gibt. Dass Kinder keine Kita- oder Schulplätze haben, aber am meisten hat mich die mangelnde gesundheitliche Versorgung erstaunt“, sagt Sina Tymczenko.
Auffallend sei nach der langjährigen Corona-Pandemie, dass die Kinder fast ausschließlich an Konzentrationsproblemen litten.
Hinzu käme, dass sich der Wissensstand durch den Stillstand während der Pandemie teils zurückentwickelt habe, vor allem die Sprachkenntnisse. Die jungen Mitarbeiterinnen berichten auch, dass der Job viel Engagement erfordert.
„Man muss sich das Vertrauen der Kinder erst erarbeiten“, erklärt Funda Kulak. Weiter sagt sie: „Wir versuchen, so nah wie möglich an die Kinder und Jugendlichen heranzukommen, wir sind offen, lustig und nehmen nicht alles so streng.“ Trotz der familiären Atmosphäre – sowohl im Team als auch im Umgang mit den Kindern – gibt es feste Regelungen.
Die Jugendhilfe St. Elisabeth sucht dringend ehrenamtliche Unterstützung
Yoga, Spazieren gehen, Hilfe bei den Hausaufgaben, Künstlerisches, Sportangebote oder Informatives – das Projekt ist offen für jegliche Vorschläge. „Banale Sachen haben hier bei uns einen enormen Wert“, stellt Gesa Harbig fest. Funda Kulak ergänzt: „An Halloween haben wir den Kindern vorgelesen. Ich war so erstaunt, wie ruhig sie waren, sie haben das sehr genossen.“
Auch über ehrenamtliche Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Projekts freut sich die Jugendhilfe St. Elisabeth. „Wir könnten uns vorstellen, in Zusammenarbeit mit den Eltern ein gesundes Kochbuch zu entwickeln um gegen die Ernährungsarmut vorzugehen“, berichtet die Teamleiterin des Projekts.
Ob Sprachkurse oder Informationsangebote über die deutsche Infrastruktur oder bürokratische Dinge – auch Unterstützungsangebote für Eltern seien gern gesehen. „Unsere Eltern wissen meist nicht, wie das deutsche Schulsystem funktioniert. Dementsprechend können sie auch schlecht über die Schullaufbahn ihrer Kinder entscheiden“, erklärt Gesa Harbig. Sie fügt hinzu: „Wir sind immer auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen.“
Weitere Informationen:
- Interessierte Eltern können ihre Kinder wochentags von 8 – 16 Uhr (niedrigschwellig) vor Ort anmelden, es gibt aber Wartelisten.
- Potentielle ehrenamtliche Helfer:innen können persönlich, telefonisch oder per E-Mail Kontakt mit der Jugendhilfe St. Elisabeth aufnehmen.
- Hier geht es zur Website der Jugendhilfe St. Elisabeth: www.jugendhilfe.de
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Hat es Spaß gemacht oder war es Arbeit? Oder beides? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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2. Benefiz-Wintergrillen am Sonntag bei der Jugendhilfe St. Elisabeth (PM)
Der Inner Wheel Club Dortmund-Hörde lädt am Sonntag, 14. Januar, von 13 bis 15 Uhr vor die Jugendhilfe St. Elisabeth, Brücherhofstraße 200, alle Interessierten zu seinem 2. Benefiz-Wintergrillen ein. Die Einnahmen und Spenden des Nachmittags kommen zu 100 Prozent der Jugendhilfe St. Elisabeth zugute.
Die Besucher*innen erwartet wettergeschützt unter zwei Pavillons in der Einfahrt mit krossen Bratwürstchen, duftenden, heißen Waffeln und warmen Getränken ein leckeres kulinarisches Angebot für den guten Zweck. Alle Beteiligten freuen sich auf einen Nachmittag in fröhlicher Atmosphäre mit vielen Begegnungen über alle Generationen hinweg und Zeit für lockere Gespräche und netten Austausch.
Mit dieser winterlichen Aktion setzen die engagierten Damen des erfolgreichen Dortmunder Service-Clubs ihr ehrenamtliches Engagement für die Jugendhilfe St. Elisabeth fort. Die Premiere des Wintergrillens fand im Januar letzten Jahres vor dem Augustinum statt. Der Verein Seniorenglück freute sich, den gesamten Erlös von 2.000 Euro entgegennehmen zu können.