Das Hoeschmuseum in der Nordstadt soll eine zusätzliche Ausstellungsfläche bekommen. Das Besondere daran: Das Ausstellungsgebäude würde selbst eine Inventarnummer bekommen – es handelt sich um den Prototyp eines Stahlbungalows von Hoesch. Er soll gegenüber des Hoeschmuseums auf dem Gelände der Westfalenhütte aufgestellt werden. Diese Nachricht lässt die neue Ausstellung (fast) in den Hintergrund treten, würde diese sich nicht explizit mit dem Thema Hoesch-Stahlbungalow beschäftigen.
Bungalow als Spende: „Die Familie wusste, dass es ein Museumsstück ist“
Den Museumsleuten und den städtischen Kulturbetrieben ist die Begeisterung für das neue Vorhaben anzumerken. Dennoch wird das Vorhaben, den 141 Quadratmeter großen Bungalow von Kleinholthausen in die Nordstadt zu „translozieren“, ein organisatorischer wie auch finanzieller Kraftakt.
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Im sechsstelligen Bereich wird das Vorhaben liegen, wobei der Bungalow selbst kostenlos ist. Die Familie will das Fertiggebäude aus den 60er Jahren dem Museum spenden. Denn das vor fünf Jahren verstorbene Familienoberhaupt war selbst glühender Hoschianer und sehr erpicht darauf, dass Gebäude möglichst im Originalzustand zu erhalten.
„Die Familie wusste darum, dass es ein Museumsstück ist und will nun den letzten Willen des Vaters bzw. Großvaters ehren“, freut sich Dr. Karl Lauschke, Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums. „Das waren keine Container, sondern sehr wohnliche Gebäude“, betont Lauschke, der Feuer und Flamme für die Idee des begehbaren Ausstellungsobjektes und Ortes ist.
„Es waren absolut stylische Gebäude“, schwärmt Dr. Jens Stöcker, Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte. Hoesch war damit seiner Zeit voraus. Heute – im Zeitalter von Wohnen in Schiffscontainern und Modulbauten, wären die Marktchancen wohl besser gewesen. Die Museumsmacher hoffen, dass sie künftig – im Stil eines Freilichtmuseums – auch einen solchen Hoesch-Bungalow in der Nordstadt präsentieren und nutzen können.
Doch ein Umzug eines Hauses ist keine leichte Sache – und auch ist das Museum ja nicht Eigentümerin der Fläche. Daher muss auch ThyssenKrupp mitspielen – seit wenigen Tagen liegt zumindest die mündliche Zusage vor, dass der Bungalow auf dem Gelände der Westfalenhütte aufgestellt werden darf.
Die Verhandlungen mit den Erben und ThyssenKruppSteel sollen bis Ostern abgeschlossen sein.
„Ich habe ein Dauergrinsen. Die Idee ist so fabelhaft. Dass ich das begleiten darf, ist der Hammer, auch wenn es ganz viel Arbeit werden wird“, betont Isolde Parussel, Leiterin des Hoesch-Museums und Kuratorin. „Es ist eine Chance für uns, eine weitere Sonderausstellungsfläche zu bekommen – ein weiterer Schritt in der Entwicklung des Museums.“
Neue Hoesch-Produktlinie in den 1960ern: Vom Stahlblech zum Fertighaus
Um was genau geht es bei den Bungalows? Anfang der 1960er-Jahre produzierte die Firma Hoesch Fertighäuser aus Stahl. Das Unternehmen suchte neue Absatzwege für ihre teils innovativen Werkstoffe. Mehrjährige Entwicklungs- und Planungsphasen, Marktforschungs- und Werbeaktivitäten sollten den Weg für die neue Fertighaus-Sparte ebnen.
Der Hoesch-Bungalow vereinte die Möglichkeiten der industriellen Moderne zu Beginn der 1960er-Jahre. Ein modulares Montagesystem, die Verwendung neuentwickelter Werkstoffe, eine neuartige Klimatisierungstechnologie und die zeitgenössische Bungalowarchitektur machen ihn heute ikonisch.
Hoesch wollte durch den Bau eigener Fertighäuser vor allem die Bewerbung und den Absatz des gerade entwickelten Leichtprofils PLATAL – eines mit PVC beschichteten Stahlbleches – sichern. Dazu wurden Marktanalysen und sogar ein Testbau auf Mallorca erstellt, sowie das Netz aus Tochter- und Zulieferfirmen ausgebaut. Die Bungalows gab es in drei verschiedenen Typen, wahlweise mit zweiter Terrasse oder kompletter Küche.
Praxiseinsatz: Werkssiedlung für höhere Hoesch-Angestellte in Kleinholthausen
1963/64 errichtete die Firma Hoesch in Kleinholthausen eine Siedlung mit 261 Wohneinheiten für höhere Konzernangestellte. Neben mehreren Hoch- und Reihenhäusern wurden auch sechs Stahlfertighäuser vom Typ K109 gebaut.
Diese einheitlich weißen Bungalows waren teilunterkellert und mit Garten und Garage versehen. Sie alle stehen noch. Mit der Zeit haben die Eigentümer diese jedoch an ihre Bedürfnisse angepasst: Holzverkleidung, Wintergarten oder ein Satteldach kamen hinzu.
Diese sechs Bungalows sind aus der zweiten Generation von Hoesch-Stahlbungalows: Die erste Generation kam über den Papierstatus nicht hinaus. In der zweite Generation gab es drei kombinierbare Module bzw. Varianten – mit 55, 109 und 146 Quadratmetern Grundfläche, die auch kombinierbar waren. Bestellt und aufgebaut wurden jedoch nur die Varianten mit 55 und 109 Quadratmetern – so die sechs Häuser vom Typ K109 in Kleinholthausen.
Außerdem gab es eine Weiterentwicklung der dritten Generation. 1966 wurde ein solcher Bungalow auch in Kleinholthausen errichtet: Der Prototyp L141 mit winkelförmigem Grundriss, verbesserter Wärmedämmung und Fugenausbildung. Geschätzt hat er mindestens 123.000 DM gekostet.
Noch heute ist er fast im Originalzustand erhalten – geradezu ein Museumsstück. Und dieser Bungalow könnte – wenn es technisch machbar und finanzierbar ist – schon im kommenden Jahr als Ausstellungsfläche und begehbares Exponat der Hoesch-Geschichte dienen.
Geplant war übrigens, jährlich bis zu 5.000 Stück der Hoesch-Stahlbungalows zu fabrizieren. Tatsächlich wurden von 1962 bis 1969 nur 150 bis 200 Stück montiert. Noch vor dem Boom der Fertighäuser wurde die Produktion im Jahr 1969 eingestellt.
„,Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet‘. Stahlbungalows von Hoesch“
Der Fotograf Philipp Robien (FH Dortmund) hat die Veränderungen und Umbauten dieser Bungalows in Kleinholthausen dokumentiert.
Vom 3. Februar bis 7. April 2019 sind seine Fotografien im Hoesch-Museum zu sehen. Die Fotoausstellung „,Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet‘. Stahlbungalows von Hoesch“ wird ergänzt durch historische Ansichten, Pläne und Werbebroschüren für diese schlüsselfertigen und kostengünstigen Eigenheime.
Philipp Robiens Fotoserien entstanden 2018 während eines Austausches der FH Dortmund mit der University of Art Teheran im Studiengang Fotografie. Robien wählte für sein Projekt die Hoesch-Siedlung im Dortmunder Süden.
Die erste Serie zeigt Außenansichten der sechs Bungalows vom Typ K109. Diese Stringenz dient der Vergleichbarkeit der baulichen Überformungen. Die zweite zeigt Außen-, Innen- und Detailaufnahmen des Bungalows vom Typ L141.
Die Motivvielfalt soll den bauzeitlich gut erhaltenen Zustand dieses Hauses dokumentieren. Philipp Robien bedient sich an Elementen der Neuen Sachlichkeit wie der seriellen Arbeitsweise, eines einheitlichen Himmels und eines größtmöglichen Betrachtungsabstands.
Philipp Robien (Jahrgang 1988) ist seit 2012 freiberuflicher Autor und Fotograf für Architektur. Nach dem Bachelor-Studium der Fotografie bei Prof. Roman Bezjak an der FH Bielefeld wird er demnächst sein Master-Studium an der FH Dortmund bei Prof. Jörg Winde abschließen.
Die Geschichte der Fertighäuser aus Stahl reicht fast 100 Jahre zurück
Fertighäuser aus Stahl wurden bereits Mitte der 1920er-Jahre in England entwickelt. Das erste deutsche Modell wurde 1927 auf der Leipziger Baumesse vorgestellt. Diese Entwicklung endete mit dem erhöhten Stahlbedarf der Rüstungsindustrie ab 1933.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Fertighäuser vor allem in Nordamerika und Nordeuropa nachgefragt. Einhergehend mit der steigenden Stahlproduktion begannen deutsche Firmen wie Hoesch, MAN oder Krupp, Bungalows teilweise oder vollständig aus Stahl zu entwerfen.
1963 wurde in Hamburg auf Initiative der Zeitschrift Stern eine Fertighausausstellung veranstaltet, auf der auch der Hoesch-Bungalow 55 präsentiert wurde. Standardisierte Wände und Dächer aus PLATAL – plattiertem Stahl – versprachen ein schlüsselfertiges Eigenheim in vier Wochen.
Die Wandgestaltung konnte über die Kunststoffbeschichtung farbig ausfallen, aber auch Tapezieren war möglich. Die Oberflächen waren abwaschbar, und zum Aufhängen eines Bildes reichten Magnete. Trotz dieser modernen Versprechungen konnte sich das Haus aus Stahl im privaten Bauen nicht durchsetzen.
Mehr Informationen:
- Eröffnet wird die Schau am Sonntag, 3. Februar, 11 Uhr, im Hoesch-Museum. Zur Begrüßung spricht PD Dr. Karl Lauschke (Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums e.V.). Die Einführung hält Isolde Parussel, Leiterin des Hoesch-Museums.
- Kuratorenführungen mit Philipp Robien am 3. Februar, 14.00 Uhr; 24. Februar, 11.00 Uhr und 31. März, 14.00 Uhr, kostenpflichtig.
- Vortrag „Fertighäuser aus Stahl der Firma Hoesch“ von Dr. Silke Haps (TU Dortmund) am 14. März, 18.30 Uhr, kostenlos.
- Hoesch-Museum, Eberhardstr. 12, 44145 Dortmund, Tel. 0231 844 58 56, www.hoeschmuseum.dortmund.de
- Öffnungszeiten: Di u. Mi 13 bis 17 Uhr, Do 9 bis 17 Uhr ,So 10 bis 17 Uhr
- Der Eintritt ist frei.
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Hoesch-Museum (Pressemitteilung)
„Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet“:
Führung durch die Foto-Ausstellung im Hoesch-Museum
Anfang der 1960er-Jahre produzierte die Firma Hoesch Fertighäuser aus Stahl, von denen etwa 200 tatsächlich errichtet wurden – u.a. in Dortmund-Kleinholthausen. Der Fotograf Philipp Robien hat die Veränderungen und Umbauten dieser Bungalows dokumentiert. Am Sonntag, 24. Februar, 11 Uhr führt er durch seine Ausstellung, die noch bis zum 7. April im Hoesch-Museum (Eberhardstr. 12) zu sehen ist. Die Fotoschau „,Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet‘. Stahlbungalows von Hoesch“ wird ergänzt durch historische Ansichten, Pläne und Werbebroschüren. Der Eintritt ist frei, die Führung kostet 2,50 Euro (ermäßigt 1,25 Euro).
Hoeschmuseum
Fertighäuser aus Stahl: Bildvortrag im Hoesch-Museum
Um die „Fertighäuser aus Stahl der Firma Hoesch“ geht es in einem Bildvortrag am Donnerstag, 14. März, 18.30 Uhr im Hoesch-Museum: Dr. Silke Haps, Architekturhistorikerin und Bauforscherin an der TU Dortmund, spricht über die Stahl-Bungalows, die Hoesch Anfang der 1960er-Jahre produziert hat. Der Fotograf Philipp Robien hat die Veränderungen und Umbauten dieser Bungalows dokumentiert. Seine Ausstellung „,Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet‘. Stahlbungalows von Hoesch“ ist noch bis 7. April im Hoesch-Museum, Eberhardstr. 12, zu sehen. Der Eintritt zum Vortrag und in die Ausstellung ist frei.
Ein Schwerpunkt des Vortrags liegt auf dem Bungalow vom Typ L141, der demnächst von seinem derzeitigen Standort in Dortmund-Holthausen auf das Gelände des Hoesch-Museums versetzt werden soll.
Dr. Silke Haps lehrt und forscht am Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Architektur an der TU Dortmund. Seit 2015 forscht sie zu den Stahlfertighäusern der Hoesch AG und war Mitveranstalterin der Tagung „Von ‚Stahlschachteln‘ und Bausystemen. Zum Umgang mit Stahlbauten der Nachkriegszeit“ in Dortmund 2017. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt besonders auf baupraktischen Einflüssen auf das Baugeschehen.
Hoesch-Museum (Pressemitteilung)
Von ‚Stahlschachteln‘ und Bausystemen: Buchvorstellung im Hoesch-Museum zum Umgang mit Nachkriegsarchitektur
Die Nachkriegszeit war auch eine Zeit der architektonischen Experimentierfreude und der technischen Aufbruchsstimmung. Ab den 1950er-Jahren entstanden zahlreiche Stahlbauten und neuartige Konstruktionssysteme. In der aktuellen Debatte um Erhalt und Umnutzung des Nachkriegserbes nehmen diese Gebäude eine besondere und bislang kaum beachtete Position ein.
Die gerade erschienene Publikation „Von ,Stahlschachteln‘ und Bausystemen. Zum Umgang mit Stahlbauten der Nachkriegszeit“ möchte Impulse geben für eine nachhaltige Betrachtung des Stahlbaus. Am Dienstag, 8. Oktober, 17 Uhr wird das Buch im Hoesch-Museum (Eberhardstr. 12) präsentiert. Die Herausgeberinnen Alexandra Apfelbaum und Silke Haps sowie Vertreter des Verlags Kettler versprechen spannende Einblicke. Der Eintritt ist frei.
Nach der Begrüßung durch Isolde Parussel, Leiterin des Hoesch-Museums, und einem Grußwort von Prof. Wolfgang Sonne (TU Dortmund) gibt es eine Einführung der Herausgeberinnen und Architekturhistorikerinnen Alexandra Apfelbaum und Silke Haps. Das Buch kann während der Veranstaltung zu einem vergünstigten Preis erworben werden.
Im Buch informieren die Autorinnen und Autoren, darunter auch Dortmunder Zeitzeugen wie Günther Moewes und Ewald Rüter, über architekturgeschichtliche Entwicklungen zum Stahlbau, über besondere Bauten in Dortmund und NRW wie die Hoesch-Bungalows oder über die Entwicklung konstruktiver Systeme. Die Beiträge bündeln regionalgeschichtliches, bauhistorisches, baukonstruktives und denkmalpflegerisches Wissen. Ziel ist es, diese Nische der Nachkriegsarchitektur näher zu beleuchten und die Diskussion über den Umgang mit diesen Bauten zu eröffnen. Das Hoesch-Museum, das gegenwärtig versucht, einen Stahl-Fertigbungalow von Hoesch aus den 1960er-Jahren zu übernehmen, ist der ideale Ort für diese Diskussion.
Das Buch richtet sich an alle, die vor der Herausforderung stehen, solche Gebäude zu bewerten, zeitgemäß zu sanieren und zu nutzen. Es soll helfen, die spezifischen Besonderheiten der „Stahlschachteln“ in Bautechnik und Materialität zu bewahren und in der Bevölkerung eine neue Perspektive auf diese Architektur zu eröffnen.
Hoesch-Museum (Pressemitteilung)
Stahlzeit in Dortmund: Sonntagsführung durch das Hoesch-Museum
Die Anfänge der Eisen- und Stahlindustrie seit 1840, das Leben und Arbeiten der „Hoeschianer“ und der Strukturwandel – um diese Themen geht es in der öffentlichen Führung „Stahlzeit in Dortmund“ am Sonntag, 20. Oktober, 14 bis 15.30 Uhr im Hoesch-Museum (Eberhardstr. 12). Originale Werkzeuge, authentische Objekte und interaktive Stationen lassen Vergangenheit und Gegenwart lebendig werden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die Führung kostet 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
http://www.hoeschmuseum.dortmund.de