
AfD! AfD! AfD!-Sprechchöre hallen durch das Dortmunder Rathaus, als die erste Hochrechnung zur Bundestagswahl 2025 um 18 Uhr veröffentlicht wird. Danach stimmt die Menge schräg die deutsche Nationalhymne an. Deutschland hat gewählt und die Rechten freuen sich. Deutlich verhaltener ist die Stimmung bei den früheren Ampelparteien. Die CDU kann feiern, aber auch ihr Ergebnis ist vergleichsweise schlecht. Jubel auch bei den Linken.
SPD erzielt schlechtestes Ergebnis, aber sieht sich in Dortmund noch gut vertreten
SPD-Parteichef Jens Peick, zugleich Bundestagsabgeordneter und Direktkandidat der SPD im Wahlkreis Dortmund I, trifft das Ergebnis „ins Mark“. Nur noch drittstärkste Kraft und das hinter einer rechtsextremen Partei, der AfD, erfülle ihn mit Sorge.

Er habe immer noch sehr viele positive Rückmeldungen von Leuten in Dortmund bekommen. Gleichzeitig sei die Meinungsbildung verhärtet, Menschen, die sich für die AfD entschieden hätten, seien auch nicht mehr bereit, darüber zu reden, warum sie das getan haben.
Diese Spaltung sei ein Problem. In Dortmund sei die SPD aber weiter die Partei, die am meisten in gesellschaftlichen Bewegungen unterwegs sei. „Wir haben hier den Anspruch Kümmererpartei zu sein. Den nehmen wir sehr ernst.“
Die CDU sieht sich im Aufwind – und würdigt Erfolg der Linken
Großer Jubel als das Ergebnis der CDU/CSU verkündet wurde. Prognostizierte 28,5 Prozent sorgten bei den CDU-Mitglieder für ein minutenlanges Klatschkonzert. „Drei Jahre sind endlich zu Ende“, verkündete der Dortmunder CDU-Vorsitzende Sascha Mader.

„Die Ampel ist zerplatzt wie eine Seifenblase, das ist ein gutes Zeichen für Deutschland.“ Mader sprach weiter von einem „eindeutigen Signal für Deutschland“ und sieht den Auftrag zur Regierungsbildung bei der CDU/CSU.
Für die eigenen Mitglieder wohl etwas unerwartet war der Glückwunsch an die Partei Die Linke. „Ich finde, wer sich den Wählern stellt und das in den Umfragen so dreht, dem gebührt der sportliche Respekt.“ Anders urteilte Mader über die SPD. Diese sei von den Wähler:innen „geschreddert worden“.
Jetzt müsste es aber um Themen gehen, Wirtschaft und vor allem Migration: „Es ist ein Thema, das die Menschen beschäftigt“, die CDU müsse aber demokratische Optionen suchen, um diese Probleme zu lösen. Der Parteivorsitzende freut sich auch über „langes Auszählen“ und hält es für realistisch, der SPD „mindestens ein Direktmandat abzunehmen“.

Freudestrahlend präsentierten sich auch die Direktkandidat:innen und dankten den Mitgliedern ihrer Partei für den Winterwahlkampf. Die CDU habe bewiesen, dass sie die einzige „demokratische Möglichkeit ist, etwas in diesem Land zu ändern“, betonte Sarah Beckhoff, CDU-Direktkandidatin für den Wahlkreis Dortmund I.
Michael Depenbrock, Direktkandidat für den Wahlkreis Dortmund II, versicherte, es sei eine realistische Option, die SPD in den Wahlkreisen zu schlagen. Doch auf Gewissheit müssten die CDU-Mitglieder noch warten, da es sich um ein knappes Rennen handelt, erklärte Depenbrock.
Die Grünen sind über das Ergebnis nur wenig glücklich, aber freuen sich für die Linke
Voller Erwartung und gut gelaunt haben sich zahlreiche Grüne im Dortmunder Rathaus versammelt, um die ersten Hochrechnungen entgegenzunehmen. Der Raum ist übervoll, alle Generationen sind vertreten. Doch dann verhaltene Freude: Mit 13,5 Prozent in der ARD-Prognose ist das Ergebnis um 1,2 Prozentpunkte niedriger ausgefallen als vor drei Jahren.

Aber man freut sich mit den Linken, die mit einem Ergebnis von neun Prozent überraschend gut abgeschnitten haben. Schadenfreude können sich die meisten der Anwesenden nicht verkneifen als deutlich wird, dass es das BSW und die FDP – laut ARD – wahrscheinlich nicht über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben.
„Wir sind mit dem Ergebnis, trotz knappem Verlust, zufrieden“, sagt der Sprecher des Vorstands Marek Paul Kirschniok. „Wir haben einen guten Wahlkampf gemacht, uns mit vielen Widerständen auseinandersetzen müssen. Jetzt gehen wir zuversichtlich in den Wahlkampf im Herbst.“
Die AfD feiert und sieht das Ergebnis als Steilvorlage für die Kommunalwahl

Heiner Garbe, Fraktionschef der AfD im Dortmunder Stadtrat, bewertet die erste Hochrechnung, in der die AfD bundesweit auf 20 Prozent kommt, als „schöne Bestätigung unseres Erfolgs“.
Das Ergebnis gebe ihm eine gute Perspektive auf die Kommunalwahlen, es zeige, dass die AfD zehn bis zwölf Leute in den Dortmunder Rat kriegen würden. „Und damit können wir dann auch noch eine andere Opposition darstellen, als wir das jetzt mit fünf Leuten können.“
Die Linke sieht das gute Ergebnis als Erfolg für die richtigen politischen Schwerpunkte

Die Linke jubelt über ihr Ergebnis: neun Prozent in der ersten Prognose beim ZDF, aber auch 8,5 Prozent bei der ARD reichten für diese Reaktion. Zudem herrschte Schadenfreude über die Zitterpartie von Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW), die um fünf Prozent liegt, und um den Einzug in den Bundestag zittern muss.
„Die Stimmung ist unglaublich gut“, kommentierte Sonja Lemke, Direktkandidatin für den Wahlkreis Dortmund II der Linken. Das Ergebnis zeige vor allem, dass die Wahlkämpfer:innen unheimlich gute Arbeit geleistet hätten. Bei vielen Gesprächen hätte sich gezeigt, dass die Linke die Themen anspreche, die die Menschen bewegen: Die hohen Preise, die hohen Mieten. Da sei die Linke die Partei, die was tut, und das habe sich jetzt ausgezahlt.
Kein Optimismus bei der FDP – knappes Ergebnis sorgt für Zitterpartie
4,9 Prozent oder fünf Prozent? Für die FDP wird es bei der Wahl 2025 knapp, ob sie in den Bundestag einziehen kann oder nicht. Im Saal Rothe Erde des Dortmunder Rathauses sorgen die Ergebnisse der ARD (4,9 Prozent) bei den über 40 FDP-Anhänger:innen für Stirnrunzeln und laute Ausrufe der Verzweiflung. Die Aufmunterung folgt kurz danach mit den Ergebnissen aus dem ZDF (fünf Prozent). Doch beide Ergebnisse sagen eine Zitterpartie am Wahlabend für die Freien Demokraten voraus.
Aus dem Rathaus berichten Solveig Wright, Lukas Pazzini, Xenia Libert, Erik Latos, Peter Krause, Sergii Kucherov, Helmut Sommer, Leopold Achilles, Karsten Wickern und Alexander Völkel
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Reaktionen
Wahl-Statement von Handwerkskammerpräsident Berthold Schröder: Langfristige Perspektiven für den Mittelstand schaffen (PM)
Kammerbezirk. Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund, zur gestrigen Bundestagswahl: „Das Wahlergebnis zeigt einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung, dem jetzt schnellstmöglich nachgekommen werden muss. Unsere Betriebe brauchen Planungssicherheit – und die kann es nur geben, wenn schnell eine handlungsfähige Regierung steht. Monatelange Hängepartien lähmen die Wirtschaft und verhindern notwendige Entscheidungen.
Schon vor der Wahl haben wir die Notwendigkeit einer wirtschaftspolitischen Kehrtwende betont. Wir brauchen Maßnahmen, die nicht nur kurzfristige Effekte erzielen, sondern langfristige Perspektiven für den Mittelstand schaffen. Dazu gehören die Senkung von Steuern und Abgaben, die Reduzierung von Energiekosten und die Förderung der Fachkräfteausbildung. Jetzt liegt es an der künftigen Regierung, schnell und entschlossen zu handeln, um dem Handwerk die Stabilität zu geben, die es braucht.“
Was die regionale Wirtschaft von der neuen Bundesregierung erwartet (PM IHK)
Die Ergebnisse der aufgrund des Auseinanderbrechens der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen vorgezogenen Bundestagswahlen liegen seit gestern Abend vor. Die Union aus CDU/CSU hat die Bundestagswahlen gewonnen, die bisherigen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben deutlich an Stimmen verloren. Die FDP scheitert sogar an der Fünf-Prozent-Hürde und gehört dem neuen Bundestag nicht mehr an. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat den Einzug ins Parlament verpasst. Die Linke hingegen ist klar im Bundestag vertreten. Die AfD stellt die zweitstärkste Fraktion nach der Union.
Die Union unter Führung von Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat nun die Aufgabe, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Dafür kommt nach aktuellem Stand vor allem die SPD als Koalitionspartner infrage. Welche Parteien auch immer die neue Bundesregierung stellen – sie müssen sich überaus großen Herausforderungen stellen. Die schwache Inlandsnachfrage und die schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen belasten auch die Wirtschaft in Dortmund, in Hamm und im Kreis Unna zunehmend. Das haben die Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet Anfang Februar nochmal schmerzlich bestätigt. Die Unternehmen brauchen daher jetzt eine entschlossene Politik, die endlich für verlässliche Rahmenbedingungen sorgt. Heute, zwei Monate nach Weihnachten, ist eine Regierungsbildung bis Ostern für uns nicht ein frommer Wunsch, sondern schlicht eine notwendige Forderung.
Deutschland befindet sich in einer historisch schlechten Situation. Nach zwei Jahren mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt drohen auch für 2025 Stagnation oder sogar Rezession. Wachstum ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Hohe Energiekosten, erdrückende Bürokratie, hohe Steuerlasten, schleppende Genehmigungsverfahren und der zunehmende Fachkräftemangel belasten unsere Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig hat in den letzten Jahren ein erheblicher Vertrauensverlust der Unternehmen in die Politik stattgefunden. Häufig waren die durch die Politik geschaffenen Rahmenbedingungen zu unsicher, unberechenbar und wenig motivierend.
Der Trend zu Abwanderungen und Produktionsverlagerungen insbesondere in der Industrie könnte sich daher verfestigen. Das wäre dramatisch für unseren Standort und unseren Wohlstand. Die neue Bundesregierung muss deshalb schnell klare Prioritäten setzen – und handeln. Die Unternehmen brauchen eine entschlossene Politik, die endlich für verlässliche Rahmenbedingungen sorgt, die unseren Unternehmen ermöglicht, ihr Potenzial zu entfalten und im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Dann entstehen auch wieder Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.
Was die Politik nach der Wahl anpacken muss, dazu hat unsere Dachorganisation, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), anhand von fünf Punkten erläutert, was allesamt auch für unsere IHK-Region Gültigkeit haben muss:
1. TEMPO – DEUTSCHLAND MUSS SCHNELLER WERDEN!
Deutschland hat einen großen Nachholbedarf bei Investitionen in seine Infrastruktur. Private Investitionen und wirtschaftliche Aktivitäten werden dadurch zunehmend behindert. Hinzu kommen schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine zu langsame Digitalisierung, die zu erheblichen Verzögerungen bei wichtigen Projekten führen.
2. WIRTSCHAFT BRAUCHT ENERGIE – BEZAHLBAR UND SICHER
Die hohen Energiekosten belasten die deutsche Wirtschaft massiv, insbesondere im Vergleich zu Wettbewerbern wie den USA und China. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist entscheidend für deren Planbarkeit und den Erfolg von Unternehmen.
3. WENIGER BÜROKRATIE, MEHR FREIRAUM
Bürokratie ist ein wachsendes Problem, das den Handlungsspielraum von Unternehmen erheblich einschränkt. Komplexe Vorschriften und überbordende Dokumentations- sowie Meldepflichten binden Ressourcen, die in der Wertschöpfung fehlen.
4. FACHKRÄFTEMANGEL BEKÄMPFEN – ARBEITSANREIZE VERBESSERN
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Er betrifft nahezu alle Branchen, von der Industrie über das Gastgewerbe und Handwerk bis hin zu Pflege und Logistik. Weil Arbeitskräfte fehlen, kommt es bereits jetzt zu erheblichen Einschränkungen bei Produktion, Dienstleistungen und Innovationen.
5. STEUERLICHE ENTLASTUNGEN UND INVESTITIONSANREIZE SCHAFFEN
Die Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland zählt zu den höchsten weltweit. Das hemmt Investitionen und schwächt die Innovationskraft.
Ähnlich haben wir uns als IHK zu Dortmund bereits mit der von unserem Industrieausschuss erarbeiteten und von unserer Vollversammlung verabschiedeten Resolution geäußert und an die Öffentlichkeit gewandt. Unsere Unternehmen habe sich an Kampagnen der DIHK beteiligt, um auf Missstände in Verwaltung und Politik aufmerksam zu machen. Und jetzt appellieren wir an die Parteien, möglichst schnell eine stabile Regierungsmehrheit zu bilden. Wir brauchen eine starke, handlungsfähige Regierung und eine konstruktiv-kritische Opposition im Bundestag. Nur so können wir in Deutschland und auch in unserer IHK-Region wieder zu alter wirtschaftlicher Stärke finden und unseren Wohlstand sichern.