Denkmal des Monats November 2021

Erinnerung und Mahnmal – die jüdischen Friedhöfe in Dortmund-Aplerbeck

Jüdischer Bereich des Kommunalfriedhofs in Aplerbeck. Foto: Stadt Dortmund / Untere Denkmalbehörde / Dr. Lucia Reckwitz

In diesem Jahr wird durch viele Aktionen an „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erinnert. Anders als vor der Zeit des Nationalsozialismus ist dieses Leben heute im Erscheinungsbild der meisten deutschen Städte aber kaum noch sichtbar. Oft erinnern nur Friedhöfe an die Mitbürger:innen jüdischen Glaubens. So ist es auch in Aplerbeck, wo sich mit dem jüdischen Friedhof an der Schweizer Allee und der jüdischen Abteilung auf dem Kommunalfriedhof zwei Begräbnisstätten erhalten haben.

Später Beginn jüdischen Lebens in Aplerbeck

Menschen jüdischen Glaubens haben sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Aplerbeck angesiedelt. Ihre Zahl stieg von nur sechs im Jahr 1818 auf 108 im Jahre 1906 und rund 120 im Jahre 1933. Seit der Mitte der 1870er Jahren strebten sie die Gründung einer eigenen Synagogengemeinde an, was erst 1911 gelingen sollte.

Zum Bau einer Synagoge in Aplerbeck kam es nicht. Ihren Gottesdienst verrichteten die Gemeindemitglieder in einem Betsaal an der Marsbruchstraße, ab Mitte der 1920er Jahre dann auch in einem zweiten an der Köln-Berliner Straße.

1855 fand die erste Bestattung auf dem Jüdischen Friedhof an der Schweizer Allee statt

Zwei kleine jüdische Friedhöfe bzw. Grabfelder in Dortmund-Aplerbeck
Jüdischer Friedhof an der Schweizer Allee. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Der erste Friedhof an der Schweizer Allee, damals weitab vom Dorfzentrum gelegen, wurde 1845 als Eigentum der zu der Zeit aus nur drei Familien bestehenden jüdischen Gemeinde Aplerbeck in das Kataster eingetragen. Soweit heute noch feststellbar ist, fand dort 1855 die erste Bestattung statt.

Nach dem Kirchhof an der Georgs-Kirche ist der jüdische Friedhof an der Schweizer Allee also der zweitälteste Bestattungsplatz in Aplerbeck. Die letzte Beisetzung hier war die der Julie Frankenberg im August 1926. Nur noch 26 Steine und einige kleinere Relikte sind bis heute auf dem unter Denkmalschutz stehenden Gelände erhalten.

Dem Vandalismus während der NS-Herrschaft, aber auch in der Nachkriegszeit fielen eine ganze Reihe von Grabmalen zum Opfer.

Rituelle Vorgaben: Auferstehung am Jüngsten Tag

Die Totenruhe ist gerade im jüdischen Glauben besonders wichtig. Ein jüdisches Grab wird bei einer Beerdigung erst nach seiner vollständigen Schließung verlassen und danach nicht mehr angerührt. Begründet wird dies durch die Auferstehung am Jüngsten Tag, wie sie der Prophet Hesekiel beschreibt.

Deshalb entspricht auch eine wiederkehrende Neubepflanzung nicht den Gebräuchen. Dauerhaft bedecken Efeu, Bodendecker, Gras oder Kies die Grabstätten. Nur ein Grabstein, hebräisch Mazewa, wird nach einem Jahr in einer besonderen Zeremonie, der Gilui Mazewa, aufgestellt. Als Zeichen, dass man die Toten nicht vergessen hat, hinterlässt man am Grab ein Steinchen. Die Ablage von Kränzen oder Blumen bildet die Ausnahme.

Traditionelle Grabsteininschriften und -symbole

Bei der Mehrheit der jüdischen Grabmale beginnt die Beschriftung mit den beiden hebräischen Schriftzeichen, die für „Hier ruht“ oder „Hier ist geborgen“ stehen, und endet mit den Buchstaben für den Segenspruch „Seine /Ihre Seele möge eingebunden sein in das Bündel des Lebens“.

Während auf Hebräisch beschrifteten Grabmalen der Name des /der Verstorbenen in traditioneller Weise angegeben wird, finden sich bei Inschriften in Deutsch die bürgerlichen Namen. Das am meisten verbreitete Symbol, das auf jüdischen Grabsteinen zu sehen ist, ist der Davidstern. Doch gibt es eine Reihe weiterer: Die „segnenden Hände“ bei Angehörigen des Priestergeschlechts der Kohanim, die Kanne für das Geschlecht der Leviten. Außer sakralen Symbolen wurden auch weltliche wie solche, die den Beruf versinnbildlichen, verwendet.

Modernere Steine auf dem Kommunalfriedhof Aplerbeck

Grabstein von Isaak Andres Foto: Stadt Dortmund / Untere Denkmalbehörde / Dr. Lucia Reckwitz

Der 1896 eröffnete Kommunalfriedhof war der erste Aplerbecker Friedhof, auf dem evangelische, katholische, jüdische und bekenntnislose Mitbürger:innen beigesetzt werden konnten. Für Begräbnisse nach jüdischem Glauben war ein ca.200 Quadratmeter großes Begräbnisfeld (Feld Nr. 4) nordöstlich der Trauerhalle vorgesehen.

Ab 1903 fanden hier Beerdigungen statt. Parallel dazu wurde bis 1926 weiterhin auf dem Friedhof an der Schweizer Allee bestattet. Das Grabmal des 1904 auf dem Kommunalfriedhof zur letzten Ruhe gebetteten Isaak Andres entspricht noch der traditionellen Form jüdischer Grabsteine.

Auf den mächtigen Grabstein der Familie Max Sternheim trifft das nicht zu. Ihn schmückt eine aufgehende Sonne als Symbol der Wiederauferstehung. Auffallend ist hier auch ein Fries aus Eichenblättern. Vermutlich steht er im Zusammenhang mit der einzigen Inschrift auf dem Stein:

„Kanonier / Arthur Sternheim / geb. 27. Juni 1895 – gest. 10. Mai 1918 / wenige Tage nach schwerer / Verwundung in Frankreich“.

Durch die Verunglimpfungen während der NS-Herrschaft ist fast vergessen, dass im Ersten Weltkrieg viele Deutsche jüdischer Religion an den verschiedenen Fronten des Weltkrieges gekämpft hatten. Arthur Sternheim war einer von rund 12.000, die ihren Einsatz für das Deutsche Reich mit dem Leben bezahlten.

Friedhöfe bewahren die Erinnerungen in Aplerbeck

Die Familie Simon Rosenberg verzichtete bei dem Grabmal ihrer Familiengruft auf hebräische Inschriften. Das modern wirkende Grabmonument wird an beiden oberen Ecken von stilisierten Urnen geschmückt. Beigesetzt wurde hier die 1917 im Alter von 22 Jahren verstorbene Tochter Emilie.

Das Grab der Familie Max Sternheim. Foto: Stadt Dortmund / Untere Denkmalbehörde / Dr. Lucia Reckwitz

Ihr Vater Simon emigrierte später in die Niederlande, wo er kurz vor dem deutschen Einmarsch 1940 in Apeldoorn starb. An seinen Sohn, Emilies Bruder Julius, erinnert in Aplerbeck das 1925 von ihm gebaute Kaufhaus am Aplerbecker Markt (heute Kaufland /Altbau). Julius Rosenberg starb 1940 im Lager von St. Cyprien, Frankreich.

Auch die Eltern von Kanonier Arthur Sternheim fanden ihre letzte Ruhestätte nicht in Aplerbeck. Die Mutter starb 1939 im Hörder St.-Josephs-Hospital. Sein Vater Max Sternheim verlor nach der Deportation im März 1943 in Theresienstadt sein Leben. An ihn erinnert heute ein Stolperstein vor seinem Wohnhaus in der Aplerbecker Straße.

Dankenswerter Weise hat der Stadthistoriker Klaus Winter die Aplerbecker Begräbnisstätten 2015 in Zusammenarbeit mit dem Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte, Essen, neu inventarisiert und dokumentiert. Dazu gehören auch die Transkription der vielfach schlecht lesbaren Inschriften und die Forschung nach biographischen Fakten. Die Ergebnisse sind auf der Internetseite des Steinheim-Instituts frei abrufbar.

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