Von Alexander Völkel
Große Sorgen und viele Befürchtungen bei der Belegschaft auf der Westfalenhütte: Bei Thyssen Krupp Steel (TKS) soll die nächste massive Sparwelle anrollen. An Gründonnerstag informierte der Betriebsrat in einer quasi über Nacht angesetzten Betriebsversammlung die Belegschaft. Nicht wenige Beschäftigte mussten dabei an Gründonnerstag vor 20 Jahren denken. Damals wurde die Fusion mit von Krupp-Hoesch mit Thyssen besiegelt – der größte Arbeitskampf in der Dortmunder Stahlgeschichte begann.
Fusion von Thyssen Krupp mit dem indischen Stahlgiganten Tata befürchtet
Soweit ist es jetzt noch nicht. Doch das Gespenst einer Fusion mit dem Stahlunternehmen Tata aus Indien schwebt in der Luft. Tata Steel ist schon jetzt die Nummer 2 in Europa und hat Standorte in Großbritannien und den Niederlanden. Die Sorge: Das neue Sparprogramm soll „die Braut“ aufhübschen, um die Stahlsparte von Thyssen Krupp attraktiver für einen Verkauf zu machen..
Das Absurde: Die Beschäftigten von TKS befinden sich gerade mitten im zweiten Sparprogramm, in dem sie unter anderem eine 31-Stunden-Woche geschluckt haben, um unter anderem Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen zu bekommen. Dieses zweite Programm seit 2012 heißt „Best in Class reloaded“ und läuft noch bis zum Jahr 2020.
Nun allerdings fordert die Konzernführung für den deutschen Teil der „Business Area Steel Europe“ – kurz „BASE“ – weitere Einsparungen von 500 Millionen Euro in den nächsten drei Geschäftsjahren (bis 2020/2021). Zu dem betroffenen Unternehmensteil gehören sieben Stahlstandorte sowie vier Tochterunternehmen in NRW. Dort sind aktuell rund 25.000 Menschen beschäftigt.
Das Unternehmen fordert eine Reduzierung der Personalkosten um 15 Prozent. Rein rechnerisch wären das 4050 Arbeitsplätze, betont die Dortmunder Betriebsratvorsitzende Sabine Birkenfeld. „Es ist ein Horrorprogramm. Da fehlt uns die Phantasie, wie das noch eingespart werden soll. Wir haben schon alles runtergespart bis auf ein Minimum.“
Sofortige Schließung in Hüttenheim angekündigt – 329 Arbeitsplätze betroffen
Um Druck zu machen, hat das Unternehmen zudem angekündigt, ab sofort die Warmbandquerteilanlage in Duisburg-Hüttenheim nicht mehr mit Aufträgen zu bestücken. 300 Arbeitsplätze sollen hier wegfallen, sowie 29 an dem damit direkt verbundenen Standort in Bochum.
Zwar steht der Dortmunder Standort mit derzeit 1300 Beschäftigten gut da. Der Großteil des Geschäfts wird als so genannter „Premium-Partner“ für die Automobilindustrie gemacht. Der Standort ist voll ausgelastet. Daher hatte man noch immer gehofft, eine neue Feuerbeschichtungsanlage nach Dortmund zu holen. Sollte sie gebaut werden, würde die Entscheidung wahrscheinlich zwischen Duisburg und Dortmund fallen.Doch ob die Investition kommt, ist noch offen.
Kampfansage des Unternehmens: Schließung von Anlagen ohne vorherige Gespräche
Das Einzige, was für die Betriebsräte klar ist, dass bei einem solch großen Sparprogramm kein Standort verschont bleiben wird. Die Betriebsräte der verschiedenen Standorte treffen sich daher ab sofort jeden Dienstag, um Solidarität zu organisieren und Druck aufzubauen.
Denn die Arbeitnehmervertreter sind mit einer neuen Strategie konfrontiert – der Schaffung vollendeter Tatsachen. Zwar habe es schon früher Schließungen von Anlagen gegeben, aber nie ohne vorherige Gespräche und Verhandlungen. Die sofortige Schließung in Hüttenheim ist ein Novum – und für die Betriebsräte eine Kampfansage.
Die Arbeitskollegen dort sind schon auf den Barrikaden – die Fertigung ruht. Das Unternehmen lässt dies aber noch kalt – die Arbeit werde in die Niederlande verlagert. „Dort gibt es eine moderne Querteilanlage in Antwerpen“, erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Hartmut Schink.
Sie wollen sich auch nicht in Sicherheit wieder lassen, dass das Schlimmste nun vorbei sei. Bei einem Sparziel von 500 Millionen könne dies nur der Anfang sein. Daher sei nun die Solidarität und die Zusammenarbeit von allen Standorten gefordert.
Betriebsräte fordern Einblick in den Gesamtplan des Unternehmens
Sie wollen damit erreichen, dass das Unternehmen mit ihnen über Konsolidierung und Restukturierung spricht. „Wir wollen den Gesamtplan wissen. Und ein angedrohter Arbeitsplatzabbau in dieser Höhe ist für uns Betriebsräte ohnehin keine Gesprächsgrundlage“, betont Birkenfeld.
„Der Stahlvorstand setzt uns massiv unter Druck, ohne ein Wort zu sagen, wie es mit Tata Steel läuft“, ärgert sich die Dortmunder Betriebsratsvorsitzende. Denn bei Tata würden bereits viele Stolpersteine aus dem Weg geräumt, die eine Übernahme behindern könnten. „Die englischen Standorte werden schon fusionsgerecht hergerichtet.“
„Ein Gesamtkonzept ist nicht erkennbar. Der Umgang, wie das euch gegenüber dargestellt wird, ist unter aller Sau“, spricht Hans-Jürgen Meier, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Dortmund, Klartext. Es gehe nun darum, Druck aufbauen und Solidarität an allen Standorten zu organisieren, ob sie schon betroffen sind oder nicht.
Wie groß der Druck auf dem Kessel ist, zeigte die Beteiligung an der Betriebsversammlung an Gründonnerstag in Dortmund. Über 500 KollegInnen waren gekommen – trotz weniger als 24 Stunden Vorlauf und Urlaubszeit.
Gemeinsame Protestaktion aller Standorte um „5 vor 12“ in Hüttenheim
Um den Druck nun auch nach außen sichtbar zu machen, soll es am 3. Mai um 11.55 Uhr eine gemeinsame Protestaktion aller Standorte in Hüttenheim geben – einen Tag vor der Aufsichtsratssitzung.
Doch neue Informationen erwarten sich Betriebsräte und IG Metall davon nicht. „Die warten damit sicher bis nach der Landtagswahl“, glaubt Birkenfeld. Eine kämpferische Ministerpräsidentin im Wahlkampfmodus vor den Werkstoren wollte der Stahlvorstand sicher vermeiden.
Kampflos werden sich die Beschäftigten nicht in ihr Schicksal fügen. Auch dar werden die Erinnerungen als Gründonnerstag vor 20 Jahren wach, als das endgültige Aus der Flüssigphase in der Stahlproduktion auf Phoenix in Hörde besiegelt wurde.
Damals hatte Krupp-Hoesch in Dortmund noch 5650 Beschäftigte. Zum Vergleich: Heute sind es 1300. Die ganze Stadt hatte damals den Kampf aufgenommen – in Erinnerung geblieben ist vor allem „Die Nacht der 1000 Feuer“ – als Zeichen der Unterstützung der Region mit dem Beschäftigten.
Die Proteste waren erfolgreich – für die Stahlwerker wurden Alternativen erkämpft: „Alle versprochenen Ersatzarbeitsplätze sind gekommen“, erinnert Hans Jürgen Meier. „Und hätten wir damals nicht so gekämpft, wäre TKS heute nicht mehr in Dortmund.“ Daran soll sich auch zukünftig nichts ändern. Der neue Kampf hat gerade erst begonnen…
Reader Comments
IG Metall
Aufruf zum Aktionstag Wir mit dir.Für Stahl. Arbeit: Sicher und fair!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wird es ernst!
Die Beschäftigten der thyssenkrupp Steel Europe AG stehen vor besonderen Herausforderungen. Sowohl die angekündigte weitere Restrukturierung des Steel–Bereiches in Höhe von 500 Millionen Euro als auch die drohende Konsolidierung mit Tata Steel Europe fordern nun unseren starken Zusammenhalt.
Bei thyssenkrupp Steel Europe droht ein Verlust von 15% der aktuell 27.000 Beschäftigten.
Somit sind 4.050 Arbeitsplätze an allen Standorten vom Abbau bedroht. Das ist ein massiver Angriff auf die Stahl-Belegschaft, die zur Rettung von thyssenkrupp schon erhebliche Opfer gebracht hat.
Das werden wir nicht mit uns machen lassen. Wir fordern Klarheit zur Zukunft unserer Stahl-Standorte! Keine Restrukturierung ohne zuverlässige Aussagen zur geplanten Konsolidierung!
Schluss mit lustig! Wir fordern Klarheit!
Wir machen Druck:
Aktionstag am Mittwoch, 03. Mai 2017
thyssenkrupp Steel Europe AG, Werk Hüttenheim, Tor 9, Mannesmannstraße 101, 47259 Duisburg
Kundgebung ab 12.00 Uhr
Sören Link, Oberbürgermeister der Stadt Duisburg
Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund
Detlef Wetzel, ehem. Vors. der IG Metall, stellv. AR-Vorsitzender tkSE AG
Knut Giesler, IG Metall Bezirksleiter NRW
Günter Back, Gesamtbetriebsratsvorsitzender tkSE AG
Werner von Häfen, Betriebsratsvorsitzender tkSE AG – Werk Hüttenheim
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Weitere Infos erhaltet ihr bei eurer IG Metall Geschäftsstelle, beim BR, der JAV und den IGM Vertrauensleuten
Sabine Poschmann (SPD-MdB)
Westfalenhütte muss Stahlstandort bleiben!
Am Mittwoch, 3. Mai, wollen tausende Beschäftigte des ThyssenKrupp-Konzerns, Sparte Steel, in Duisburg-Hüttenheim demonstrieren. Es geht um den drohenden Verlust von mehr als 4.000 Arbeitsplätzen und darum, endlich Klarheit zur möglichen Fusion mit Tata Steel zu schaffen.
Unter den Teilnehmern sind auch viele Beschäftigte des ThyssenKrupp-Stahlwerks auf der Westfalenhütte. „Die 1.300 Kolleginnen und Kollegen sind in großer Sorge um ihre Arbeitsplätze und den Erhalt des Stahlstandorts Westfalenhütte“, sagt Sabine Poschmann, Dortmunds Bundestagsabgeordnete und stellvertretende wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Am Gründonnerstag habe der Betriebsrat die Belegschaft in einer außerordentlichen Betriebsversammlung über die drohende neue Sparwelle informiert.
„Dabei steht der Dortmunder Standort auf der Westfalenhütte bestens da“, unterstreicht Poschmann. „Er ist voll ausgelastet. Hier gibt es hochwertige Arbeitsplätze mit modernsten Techniken.“ Der Standort sei produktiv und wirtschaftlich. Es dürfe nicht sein, dass ein Sparprogramm und eine mögliche Unternehmensfusion erneut auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden, so Poschmann. „Die Kolleginnen und Kollegen der Westfalenhütte haben meine volle Unterstützung.“