Erst kam Corona, jetzt noch die Energiekrise: Der Krisenstab der Stadt Dortmund hat beschlossen, das 1992 eröffnete Amazonas-Haus im Zoo zum 31. Dezember dieses Jahres dauerhaft zu schließen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sei „der unzeitgemäße Energieverbrauch der stark renovierungsbedürftigen Anlage“.
Das Amazonashaus verbraucht mehr als ein Drittel der Energie des Zoos
Ursprünglich sollte das Amazonas-Haus bis zum Bau eines neuen Tropenhauses weiter betrieben werden. Die Energiekrise und die Notwendigkeit, mögliche Einsparpotenziale zu realisieren, führten zu dem Entschluss, das Haus nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – übergangsweise zu ertüchtigen, sondern schnellstmöglich komplett zu schließen. Eine bauliche und energetische Sanierung des Gebäudes wäre völlig unwirtschaftlich.
Durch die häufig defekte Heizungs- und Lüftungsanlage, die veralteten Fenster und die schlechte Isolierung der Baukonstruktion verbraucht das Haus mehr als ein Drittel des Gesamtbedarfs an Strom und Gas des Zoos. Der Energiebedarf des Gebäudes lag im letzten Jahr der Öffnung für die Besucher:innen, 2019, bei 175.000 kWh Strom und 420.000 kWh Gas.
„Ein Drittel des Gesamt-Energieverbrauchs – das ist eigentlich geschönt. In harten Wintern brauchte das Amazonashaus schon die Hälfte des Energiebedarfs des Zoos“, betonte Zoo-Direktor Dr. Frank Brandstätter im Ausschuss für Kultur, Sport und Freizeit.
Das Amazonas-Haus ist seit der Beginn Corona-Pandemie für die Besucher:innen geschlossen, da die Öffnung – verursacht durch die nur unzureichende Belüftungsmöglichkeit – zugleich eine Gefährdung für die darin lebenden Affenarten bedeuten würde. Außerdem ergab ein weitere Begehung, dass die Sicherheit nicht mehr gegeben sei, um überhaupt wieder Besucher:innen ins Haus zu lassen.
Hohe Temperaturen und starke Luftfeuchtigkeit schädigen das Gebäude
„Wir haben uns diese Entscheidung weiß Gott nicht leicht gemacht. Für uns alle war das eine sehr schwere Entscheidung. Aber nach allen Fakten zum baulichen und technischen Zustand und Energiesituation war es logisch und konsequent, diese Entscheidung zu treffen“, so Brandstätter.
Diese Entscheidung sei auch nicht von langer Hand vorbereitet gewesen, sondern der weiteren Begehung durch die Bausicherheit geschuldet. „Sie hatte ergeben, dass das Gebäude zum Teil so marode ist, dass wir keine Besucher mehr reinlassen dürfen.“ Geblieben wäre nur eine vorübergehende Sanierung, obwohl der Zoo das bestehende Amazonashaus nicht mehr länger betreiben wolle.
Denn das Gebäude ist „voll durch“. Das Gebäude ist zwar „erst“ 30 Jahre alt, wurde aber auf den 70 Jahre alten Grundmauern des ehemaligen Zoorestaurants gebaut. „Durch die hohen Temperaturen und die starke Feuchtigkeit sind die Bauelemente längst marode“, so Brandstätter. „Es wurden Stahlträger verwendet, die nicht rostfrei sind. Das war sehr ungeschickt.“
Die meisten der 150 tierischen Bewohner:innen kommen in andere Zoos
Die 150 tierischen Bewohner:innen in 35 Arten des Amazonas-Hauses ziehen zum Teil bereits jetzt um. Die Tiere werden im Rahmen von Erhaltungs-Zuchtprogrammen in andere Zoos abgegeben. Dieser Prozess läuft zurzeit.
Das sei keine Überraschung, sondern Alltag in Zoos: „Wir haben nie gesagt, dass wir bei einem Neubau den Tierbestand 1:1 umziehen lassen. Das neue Tropenhaus wird eine andere Ausrichtung haben“, so Brandstätter. „Wechsel im Tierbestand sind unser Tagesgeschäft. Mehrere hundert Mal haben sich unsere Bestände geändert.“
Damit reagiert er auf Irritationen aus der Politik. Doch er machte klar, dass das Wohlergeben der Tiere an erster Stelle. Für sie müsse es eine vernünftige Unterbringung geben. Und es mache keinen Sinn, jetzt für Jahre Provisorien hinter den Kulissen aufzubauen, wo niemand die Tiere sehe könne. Das mache keinen Sinn. „Die, die wir behalten werden, dafür werden wir dann auch eine Präsentation schaffen. Doch das sind die nächsten Schritte“, so der Zoo-Direktor.
Einblick in die Vielfalt der tropischen südamerikanischen Tierwelt
Das Amazonas-Tropenhaus ermöglichte in den letzten 30 Jahren den Zoobesucher:innen einen Einblick in die Vielfalt der tropischen südamerikanischen Tierwelt. In der unteren Etage tauchten die Besucher*innen gefühlt unter in den Amazonas und seine Nebenflüsse ein: dort lebten in mehreren Aquarien verschiedene Fischarten, Amphibien und Reptilien.
In der ersten Etage begegneten sie Tieren, die sich hauptsächlich an der Wasseroberfläche oder in der Nähe des Flusses aufhalten, wie Brauen-Glattstirnkaimane, Große Anakondas und Waldschildkröten.
In der obersten Etage konnten die Besucher:innen Affen wie Zwergseidenäffchen und Kaiserschnurrbarttamarine, sowie diverse Amphibien, Insekten und Reptilien oben in den Bäumen beobachten. Langfristig ist der Bau eines neuen Tropenhauses im Zoo vorgesehen.
Kommunalpolitik kritisiert die „Nicht-Kommunikation“ der Verwaltung
In der Politik stieß die Ankündigung der Schließung zwar auf Verständnis und auch auf Bedauern, aber der Art der (Nicht-) Kommunikation stieß auf Kritik. Denn die Stadt hatte die Entscheidung des Verwaltungsvorstands am Montag per Pressemitteilung bekannt gemacht – die Fachpolitiker:innen erfuhren davon aus den Medien.
Man könne zwar nachvollziehen, dass das Amazonashaus „energetisch abgerockt“ sei. „Wir bemängeln aber den Informationsfluss. Ansonsten bekommen wir Informationen bis zum Abwinken, aber eine so grundsätzliche Sache nicht. Das hat uns stutzig gemacht. Die Schließung ist okay, aber wir hätten uns die Vorgehensweise anders gewünscht.“
„Nicht alles, was nicht mehr gut ist, muss man aufrecht erhalten. Aber die Kommunikation kann man schon etwas bemängeln. Es wäre schön, wenn wir demnächst eine kurze Mail bekommen, anstatt das man es aus dem Radio hört. Dann kann man es besser vertreten“, machte Ute Mais (CDU).
Sozialdezernentin Birgit Zoerner verteidigte die Entscheidung, dass nämlich der Krisenstab bzw. der Verwaltungsvorstand entschieden habe und nicht die Politik. „Alle Fachbereiche waren aufgerufen zu sehen, welche Einspar-Potenziale gehoben werden können. In dem Kontext hat der Zoo sich auch Gedanken gemacht“, so Zoerner. Die Schließung des Amazonashauses sei naheliegend gewesen: „Im März wäre das Haus drei Jahre zu und es gibt keine Perspektive auf Wiedereröffnung – auch nicht in sanierter Art.“