Ende nächsten Jahres soll das „Horrorhaus“ Geschichte sein – der Abriss der Kielstraße 26 wird 4,5 Millionen Euro kosten

Das 16-stöckige Gebäude wurde 2002 wegen starker Baumängel von der Stadt Dortmund für unbewohnbar erklärt. Archivfotos: Alex Völkel
Das 16-stöckige Gebäude wurde 2002 wegen starker Baumängel für unbewohnbar erklärt. Archivfotos: Alex Völkel

Der Niedergang und geplante Abriss des 16-stöckigen Hochhauses Kielstraße 26 – es macht bundesweit als „Horrorhaus“ Schlagzeilen – ist eine unendliche Geschichte. Rund 20 Jahre nach der Schließung des Gebäudes soll es nun endlich abgerissen werden. In diesem Jahr erfolgt die Vergabe – im kommenden Jahr sollen die Bagger das Gebäude herunterknabbern. Ende 2021 möchte Planungsdezernent Ludger Wilde dort eine freie Fläche sehen. Doch die Kosten dafür sind weiter gestiegen. 4,5 Millionen Euro soll der Abriss kosten.

Für OB Sierau ist die Problemimmobilie ein „wohnungswirtschaftlicher Kollateralschaden“

102 Wohnungen gibt es im Haus - sie gehörten dutzenden Eigentümern bzw. ihren Gläubigern und Banken.
102 Wohnungen gibt es im Haus – sie gehörten dutzenden Eigentümern bzw. ihren Gläubigern und Banken.

80 Prozent Landesförderung erhofft sich die Stadt Dortmund für den Abriss. So oder so – die gescheiterte Privatisierung beschert den Steuerzahler*innen horrende Kosten. „Es ist ein wohnungswirtschaftlicher Kollateralschaden, der uns vor die Füße geknallt wurde. Sie finden bundesweit kein ähnliches Projekt“, erinnert OB Ullrich Sierau. ___STEADY_PAYWALL___

Nachdem die Privatisierung – die 102 Wohnungen wurden zu Spekulationsobjekten – gescheitert und die 44 Käufer*innen der Eigentumswohnungen teils in Privatinsolvenz gingen, passierte jahrelang nichts. Der Markt regelte – wie so oft – nichts. Daher musste die Stadt die Scherben auffegen. Doch der Erwerb der 102 Wohnungen brauchte Jahre. Gutachter*innen und Expert*innen mussten die Besitzverhältnisse aufdröseln und klären. Dann musste die Stadt mit 44 Eigentümer*innen, Banken und Gläubiger*innen verhandeln. 

Teils waren die Besitzer*innen – viele von ihnen Türkischstämmige aus Süddeutschland, die über den Wert der Wohnungen getäuscht wurden – verschwunden. Um den Schulden und Forderungen zu entkommen, hatten nicht wenige das Land verlassen. Bis an die iranische Grenze mussten die Unterhändler der Stadterneuerung zwischen 2016 und 2019 reisen, um die Verträge für den Rückkauf wasserdicht zu bekommen.

Immenser Aufwand für Ankauf – Inwertsetzung kommt nicht in Frage – Abriss ist „alernativlos“

Oberbürgermeister Ullrich Sierau erleichtert. 
Oberbürgermeister Ullrich Sierau erleichtert, dass der Abriss bis Ende 2021 erledigt sein könnte.

Der Aufwand  – auch der finanzielle – war immens. Vergleichsweise günstig waren die Kosten für den Ankauf. Auf rund 700.000 Euro beziffert Planungsdezernent Ludger Wilde die Kosten für den eigentlichen Ankauf der 102 Wohnungen. Die Gesamtkosten übersteigen die Millionen-Grenze.

Der Ankauf gelang nur, weil die Stadt den 44 Eigentümer*innen und ihren Gläubiger*innen deutlich machen konnte, dass nur ein Abriss in Frage käme. Eine Inwertsetzung des Gebäudes – wie vielfach gefordert – würde entsprechende Nachforderungen nach sich ziehen.

Daher gehe an einem Abriss kein Weg vorbei, versucht der Oberbürgermeister mögliche neue Diskussionen über eine Wiederbelebung im Keim zu ersticken. Denn auch die Restriktionen, Baulasten und viele weitere Faktoren machten die Gemengelage für einen privaten Investor nicht realisierbar, verdeutlicht Wilde. „Wir sind am Ende eines sehr langen Weges. Wir werden das Fass nicht wieder aufmachen. Ein Abriss ist alternativlos“, stellt OB Sierau klar.

Bis Ende 2021 soll das Punkthochhaus verschwunden sein. Eine Sprengung kommt wegen der Tiefgarage darunter und der Nebengebäude – sie werden erhalten bleiben – nicht in Frage, verdeutlicht Baudezernent Arnulf Rybicki. Entstehen soll dort eine „Gemeinbedarfsfläche“. Bislang geht die Stadt in den Planungen von einer Kita aus. „Aber vielleicht fällt uns da ja noch mehr ein“, so Wilde. 

Die Abrisskosten verdreifachen sich auf 4,5 Millionen Euro – 80 Prozent Förderung erwartet

Klar ist schon jetzt: Der Abriss wird nun deutlich teurer als geplant. Mehrfach mussten die Planungen angepasst werden. Zudem sind über die Jahre – seit 15 Jahren wird über den Abriss diskutiert – die Kosten deutlich gestiegen. Die Stadt geht nun von 4,5 Millionen Euro aus. Bei der letzten Kalkulation der Kosten im Jahr 2013 war noch von 1,5 Millionen Euro die Rede.

„Die Adresse Kielstraße 26 sagt vielen Leuten in der Nordstadt etwas. Dass es jetzt gelöst wird, ist eine besonders erfreuliche Angelegenheit“, betont Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder.
Die benachbarten Gebäude des Hochhauses sowie die gemeinsame Tiefgarage bleibt erhalten.

Gestiegene Baukosten, aber auch hohe Schadstoffbelastungen, der schwierige Abriss des 16-stöckigen Baukörpers mit den benachbarten und bewohnten Nebengebäuden sowie die notwenige Verlegung von Fernwärme- und Stromleitungen treiben die Kosten in die Höhe, verdeutlichte Rybicki. 

Auch soll die Eigentümergemeinschaft mit den Nebengebäuden aufgelöst werden. Die Nebengebäude (sie sind derzeitig im Besitz von 19 Eigentümer*innen bzw. Gemeinschaften), die künftige Freifläche sowie die Garage werden eigene Grundstücke und eigene wirtschaftliche Einheiten. Die Stadt wird dann auch die Tiefgarage übernehmen und sie soll dann auch weiter genutzt werden.

2022 könnte dann mit einer neuen Nutzung begonnen werden – 20 Jahren nachdem die Stadt im Jahr 2002 das Gebäude aufgrund erheblicher Baumängel für unbewohnbar erklärte. Die Beseitigung der Problemimmobilie „Kielstraße 26“ wird durch Zuwendungen des Landes und des Bundes in Höhe von voraussichtlich 3.612.000 Euro (80 Prozent) gefördert. Der Betrag des städtischen Eigenanteils (20 Prozent) beträgt 903.000 Euro.

 

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 HINTERGUND: 

Chronik: Wie aus dem Wohnkomplex eine „Schrottimmobilie“ wurde 

  • 1969 Erstbezug nach etwa zweijähriger Bauzeit. 
  • Anfang der 90er Jahre wurde das Hochhaus von der vormaligen Eigentümerin verkauft und anschließend vollständig in Eigentumswohnungen aufgeteilt zunächst Eigentum „in einer Hand“. 
  • 1993 wurden die 102 Wohneinheiten an insgesamt 44 Einzeleigentümer, bzw. kleine Eigentümergemeinschaften aus dem süddeutschen Raum als Kapitalanlagen verkauft. 
  • Die Verkaufspreise standen in keinem ausgewogenen Verhältnis zu der in Teilbereichen modernisierungsbedürftigen Immobilie. 
  • Gesetzlich festgelegte Mietpreis- und Belegungsbindungen zum Schutz der Mieter haben dazu geführt, dass die teils sehr niedrigen Mieten über einen Zeitraum von 10 Jahren nicht angehoben werden konnten. 
  • Erforderliche Modernisierungs-, Reparatur- und Wartungsaufträge an der Immobilie konnten von der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund von teils erheblichen Zahlungsausständen nicht ausgeführt werden. 
  • Im November 2001 legte die Hausverwaltung ihr Mandat nieder. 
  • Im April 2002 wurde die Heizungs- und Warmwasserversorgung eingestellt. Der drastische Qualitätsverlust und die angekündigte Unterbrechung der Stromversorgung führten zu einem sukzessiven Leerzug der gesamten Immobilie. 
  • Am 21.11.2002 wurde das Hochhaus von der Stadt Dortmund im Rahmen einer bauordnungsbehördlichen Sicherungsmaßnahme geschlossen. 
OB Ullrich Sierau, Baudezernent Arnulf Rybicki und Planungsdezernent Ludger Wilde sind von der Aussicht begeistert.
OB Ullrich Sierau, Baudezernent Arnulf Rybicki und Planungsdezernent Ludger Wilde sind von der Aussicht begeistert.

Bisherige Projektmeilensteine 

  • Dezember 2007: Abschluss der Machbarkeitsstudie 
  • März 2009: Ratsbeschluss für die Vorbereitung des Eigentumserwerbes 
  • 2009 – 2011: Vorbereitung des Ankaufs 
  • Mai 2012: Ausschreibung und Beauftragung der Koordinations- und Regiestelle 
  • Dezember 2012: Ratsbeschluss über die Festlegung eines Stadtumbaugebietes 
  • Januar 2013: Tätigkeitsaufnahme der Koordinations- und Regiestelle  
  • Oktober 2015: Ratsbeschluss zum Erwerb der Eigentumswohnungen 
  • Dezember 2015: Vertragsabschluss für die ersten Wohneinheiten
  • 2016 – 2017: Ankauf von 98 Wohneinheiten
  • Ende Mai 2019: Ankauf der letzten Wohnung

Ausblick: So soll es weiter gehen

  • Bis zum Sommer soll der Rat den Abriss beschließen
  • In der zweiten Jahreshälfte 2020 erfolgt die Ausschreibung der Bauleistungen (Abbruch) 
  • Im Frühjahr 2021 sollen die Abbrucharbeiten beginnen und Ende 2021 eine Freifläche entstehen

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