Von Sonja Neuenfeldt
In der Nordstadt wurde ein Platz nach „Edelweißpirat“ Kurt Piehl benannt. Sein Einsatz gegen Hitler-Jugend und Polizei im Dritten Reich wurde damit gewürdigt. Oberbürgermeister Thomas Westphal und Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum weihten nach einem einstimmigen Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt Nord feierlich den Kurt-Piehl-Platz ein – vormals nördlicher Teil der Flensburger Straße/Ecke Brunnenstraße.
Kurt Piehl und die „Edelweißpiraten“ vom Brügmannplatz
Kurt Piehl hat hier im Quartier gewohnt. Er wurde am 6. Januar 1928 in Dortmund geboren, am 2. Januar 2001 starb er in der Nähe von Lübeck, wo noch eine Tochter von ihm lebt. ___STEADY_PAYWALL___
Er gehörte zu den „Dortmunder Edelweißpiraten“. Deren Treffpunkt war ein kleiner Park am Brügmannplatz in der Nähe des Fritz-Henssler-Hauses.
Von den „Edelweißpiraten“, die ihre Verfolgung überlebt hatten, war Kurt Piehl einer derjenigen, der sich traute, seine Erfahrungen im Konflikt mit dem Nationalsozialismus und mit der in der Nachkriegszeit fortgesetzten Kriminalisierung öffentlich zu machen.
Mirja Düwel von der AWO fasste in ihrer Laudatio auf Kurt Piehl die Bedeutung der Jugendbewegung „Edelweißpiraten“ mit Wirkung bis in die heutige Zeit u.a. so zusammen:
„Die Jugendlichkeit der Menschen berührt mich – sie wollten frei sein, wollten sich und die Liebe erfahren, Lebensperspektiven haben – vergleichbar mit den heutigen jungen Menschen, die sich für die ihnen wichtigen Ziele engagieren, z.B. die Bewegung Fridays For Future.“
Davor begrüßte Andreas Koch (Grünbau GmbH) als ein Mitstreiter des Bündnisses „Nordstadt gegen Nazis“ die Besucher*innen und Teilnehmer*innen des Festakts. Die Gruppe „Nordstadt gegen Nazis“ war der Organisator der Veranstaltung und der Impulsgeber für den Antrag auf die Benennung des Platzes nach Kurt Piehl. Der Antrag wurde bereits im August 2020 eingereicht bei der Bezirksvertretung. Jetzt endlich war es soweit, der Platz wurde eingeweiht und das Namensschild befestigt.
Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“ – Verbunden mit Kurt Piehls Vita
Markus Günnewig und Dr. Stefan Klemp von der Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“, dem ehemaligen, berüchtigten Dortmunder Gestapogefängnis, nahmen ebenfalls an der offiziellen Einweihung des Platzes teil. Kurt Piehl war dort selbst Häftling und Opfer von brutaler Gewalt.
Er trat nicht nur als „Edelweißpirat“ für seine Überzeugungen ein. Nach 1945 hat er als Romanautor und Zeitzeuge zur Aufarbeitung der lokalen NS-Geschichte beigetragen. In den 80erJahren engagierte er sich für den Erhalt der „Steinwache“ und sammelte Unterschriften für eine Ausstellung in dem ehemaligen Polizeigefängnis. Nun ist er selbst Bestandteil in dieser Ausstellung.
Kurt Piehls Romane enthalten autobiographische Elemente. Zudem hat Dr. Stefan Klemp für die „Steinwache“ recherchiert und dabei neue Erkenntnisse zur Biographie Piehls gewonnen. Weitere Informationen zu Kurt Piehls Jugend und weiterem Lebensweg stammen vor allem von der Cousine und Wegbegleiterin Kurt Piehls, Magdalene Birnitzer, sowie aus der Auswertung von Piehls Nachlass.
Magdalene Birnitzer – Cousine Kurt Piehls, Ehrengast bei Einweihung
Besonders bewegend: Die 89-jährige Cousine von Kurt Piehl, Magdalene Birnitzer, aus Dortmund-Brechten, war bei der Einweihung des Platzes anwesend. Sie fasste symbolisch bei der Enthüllung des neuen Straßenschilds mit an.
Nach den Grußworten der Ehrenredner auf der „Echt-Nordstadt-Bühne“ und der Enthüllung des Straßenschildes führte die Theater-Gruppe „Löwenherz“ eine szenische Lesung mit Auszügen aus „Edelweißpiraten – Ein lesender Annäherungsversuch an mutige, heute fast vergessene junge Menschen“ auf.
Damals und Heute – Zeichen für Respekt und couragierten Widerstand
Kurt Piehl kämpfte dafür, dass der „Widerstand“ der „Dortmunder Edelweißpiraten“ anerkannt wird. Nach herkömmlichem Verständnis des Begriffs seien die „Edelweißpiraten“ vielleicht keine „Widerstandskämpfer“, denn staatsgefährdende Aktionen seien nicht ihr Ziel gewesen. So drückt es Dr. Stefan Klemp von der Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“ aus, der an einer Biographie über Kurt Piehl arbeitet.
„Sie haben sich nicht angepasst, nicht dem NS-Staat untergeordnet, und sie haben sich direkt und auch unter Gewaltanwendung gegen Nationalsozialisten gewehrt. Wenn man eine bewusste Ablehnung des Nationalsozialismus zum Kriterium für den Begriff macht, dann hat Kurt Piehl Widerstand geleistet.“ Unermüdlich habe Kurt Piehl nach dem Krieg politische Bildung gemacht. Regelmäßig stand er Schülern Rede und Antwort über seine Aktivitäten vor und nach 1945.
Ablehnung des Nationalsozialismus, eigene Werte vertreten und sich verwerflichen Ideologien nicht unterordnen – auch das sind Formen des Widerstands: damals wie heute.
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