Auch in den kommenden Wochen und Monaten wird die Stadt Dortmund mit dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern rechnen müssen. Das machen die Belegungszahlen in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Hacheney deutlich: Seit Februar sind trotz aller ergriffenen Maßnahmen die Belegungszahlen in die Höhe geschnellt.
Am Montag 827 Neuzugänge in Hacheney – 688 blieben über Nacht
Allein am Montag kamen in der Landeseinrichtung 827 Neuzugänge an. 688 Menschen (!) mussten hier übernachten – bei maximal 350 Plätzen inklusive der Reserve. Der Grund ist aktuell der Zustrom aus dem Kosovo – 400 Hilfesuchende kamen am Montag von dort in Dortmund an.
„Der Kosovo gehört nicht zu den sicheren Herkunftsländern. Daher gehen die Menschen in das ganz normale Asylverfahren. Für Dortmund ist das eine durchaus ernste Situation“, so Jägers.
Aus eigener Kraft, in Hacheney, könne man dieses Problem nicht lösen. Weitere bauliche und organisatorische Maßnahmen seien nicht möglich – dies sei bereits alles ausgereizt.
Allerdings habe das Land bisher noch keine weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) ans Netz gebracht. Dabei ist das Land verantwortlich für diese Aufgabe – doch es passiert noch immer viel zu wenig.
Erst im Dezember 2015 soll in Essen eine dritte EAE eröffnen. Bielefeld – neben Dortmund die einzige Erstaufnahme in NRW und mit weniger Plätzen als die Einrichtung in der Ruhr-Metropole – soll im Sommer weitere Kapazitäten bekommen.
„Wir stehen daher vor einem angespannten Jahr“, macht Jägers deutlich. Rund 63.000 Menschen seien im vergangenen Jahr durch die Einrichtung in Hacheney geschleust worden – 2013 waren es rund die Hälfte.
„Bugwelle“ aus der Landeseinrichtung wird in Kürze die Kommunen erreichen
Das Problem: „Was wir in Hacheney erleben, werden im Nachgang auch alle Kommunen erleben“, verdeutlicht die Dortmunder Rechtsdezernentin.
„Die Flüchtlinge kommen nicht im geordneten Verfahren und werden noch immer sehr hastig verteilt“, beschreibt sie die Wirklichkeit. „Als Kommune können wir erahnen, dass es in wenigen Wochen zu erhöhten Zuweisungen kommen wird.“
Die Stadt Dortmund muss sich daher auf weiter steigende Zahlen von durch das Land zugewiesenen Menschen einstellen. 2450 Menschen waren es am Jahresende. Im Januar kamen 250 Flüchtlinge und Asylbewerber dazu.
Zum Vergleich: „Vor drei Jahren waren es noch 250 Menschen im Jahr. Da war es kein Problem, die Umzüge aus der Zentralen kommunalen Flüchtlingsunterkunft in Grevendicks Feld in Wohnungen zu organisieren“, verdeutlicht Birgit Zoerner, die Sozialdezernentin.
Ausbau der Notunterkünfte geht weiter – weitere Standorte in Prüfung
Daher werden die bisher geplanten Flüchtlingsunterkünfte benötigt. Dennoch bleibt die Verwaltung bei ihrem Ziel, die kommunale Notunterkunft in den Brügmann-Sporthallen in der Innenstadt bis Ende März zu schließen.
Allerdings warnt Birgit Zoerner davor, dass immer neue Herausforderungen kommen könnten, auf die zu reagieren sei. Eigentlich hatten das Notquartier bereits zum Jahreswechsel 2014/15 schließen sollen. Das war nicht gelungen, weil Alternativen noch nicht zur Verfügung standen.
Daher sind auch zukünftig weitere Standorte in anderen Stadtbezirken denkbar, unterstreicht Oberbürgermeister Ullrich Sierau: „Wir werden weiter Vorsorge treffen und im Dialog mit den Bezirksbürgermeistern dann auch zusätzliche Einrichtungen identifizieren, auf die wir zurückgreifen können, wenn der Zustrom weiter zunimmt.“
Großer Druck: Stadt beschäftigt mehrere „Wohnungsakquisiteure“
Währenddessen tut die Stadt alles, um weitere Wohnungen anzumieten: „Wir haben haben zwei Teams im Einsatz, die nichts anderes tun“, berichtet Stadtdirektor Jörg Stüdemann. Aus dem Wohnungs- und Liegenschaftsamt sind vier Leute Vollzeit damit beschäftigt, Angebote zu sichten und weitere Wohnungen zu recherchieren.
Auch außerhalb der eigentlichen Verwaltung ist noch ein Team mit der Wohnungsakquise beschäftigt. Mit Erfolg: „Innerhalb einer Woche konnten sie 60 Wohneinheiten anbieten“, so Stüdemann.
Karnevalswochenende bereitet Diane Jägers schon jetzt Kopfschmerzen
Das „drohende“ Karnevalswochenende bereitet der Dortmunder Rechtsdezernentin schon im Vorfeld Kopfschmerzen: „In Behörden und Einrichtungen im Rheinland muss die Arbeit wie an Weihnachten und Silvester weitergehen. Es darf nicht zu Stillständen kommen“, verdeutlicht Jägers die prekäre Lage: „Mir graust vor dem Karnevalswochenende.“
„Wir müssen den Rheinländern deutlich machen, dass jetzt mal Dienst ist. Die Behördenvertreter des Landes sind informiert“, so Jägers weiter. Was passiert, sollte der Abfluss aus Hacheney ins Stocken geraten, weil die Behörden im Rheinland in der „fünften Jahreszeit“ nicht mehr erreichbar sind, möchte man sich in Dortmund nicht ausmalen…
Sierau kritisiert das Auftreten der Neonazis in „Ku-Klux-Klan-Manier“
Narren der ganz anderen Art hat die Stadt weiter im Blick: „Wir arbeiten weiterhin an der menschenwürdigen Unterbringung“, betont Sierau. Scharf verurteilte er erneut die Aktion der Neonazis in Eving, die in „Ku-Klux-Klan-Manier“ vor das Flüchtlingswohnheim gezogen seien. „Ich finde es beschämend und empörend.“
Für alle Einrichtungen gebe es ein Sicherheits- und Brandschutz-Konzept. Gemeinsam mit Polizei, den Betreibern der Einrichtungen und dem Wachschutz würden weitere Verbesserungen geprüft. „Wir müssen eine alltagstaugliche Sicherheit herstellen“, sagt Sierau. Man dürfe die Unterkünfte nicht zu Gefängnisse aufrüsten – wohl gemerkt: Nicht um Ausbrüchen, sondern um Einbrüchen vorzubeugen.
Dank an die Polizei und die Zivilgesellschaft für Einsatz und Hilfsbereitschaft
„Es ist eine Gratwanderung“, so der OB. Die Polizei habe schnell und gut reagiert, wehrte Sierau kritische Töne ab. „Ich bedanke mich erneut, dass sie in kürzester Zeit mit 200 Beamten vor Ort waren und 13 rechte Vögel festgesetzt haben“, lobt Sierau.
Dass diese nachts auf freien Fuß gesetzt wurden, sei bedauerlich. „Aber die Rechtslage gibt nichts anderes her.“ Ob der Polizeipräsident weitere Unterstützung vom Land bekomme, vermag Sierau nicht zu sagen: „Aber der Innenminister hat die Lage in Dortmund im Blick.“
„Und die Zivilgesellschaft hat sich – wie kaum eine andere Stadt – gegen Neonazis und für die Aufnahme von Flüchtlingen positioniert“, zieht Sierau ein positives Fazit. „Da können wir uns kaum etwas vorwerfen lassen und darauf weiter aufbauen.“
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Reader Comments
Hasan Eker
Albanische Staatsbürger/Innen (und auch Ukrainische) dürfen seint kurzem Visafrei in die EU einreisen.
Kosovaris (Staatsbürger/Innen aus Kosovo) nicht! Beide Länder gehören zu den ärmsten Ländern Europas. Viele Kosovaris und Serben nehmen jetzt die albanische Staatsbürgerschaft an, damit Sie visafrei in die EU kommen …Es gibt auch vermögende Serben und Kosovaris, die in Griechenland für 2 bis 3 tausend Euro den griechischen Pass legal kaufen können. Die meisten Griechen sind bald auch Armutsflüchtlinge, weil die restiktive Sparpolitik die ärmsten der Gesellschaft (vor allem Familien mit Kinder!) ganz unten zuerst trifft.
Eine Zunahme der Armutswanderung aus den drei vier Ländern (Albanien, Kosovo, Griechenland, Serbien und demnächst auch der Ukraine) vor allem nach Deutschland wird sich damit nicht vermeiden lassen.