Die Ankündigung der Thyssenkrupp Steel Europe AG Ende November, bis zu 13.000 Arbeitsplätze zu streichen, davon rund 600 in Dortmund, hat viele Beschäftigte kalt erwischt. Die Reaktion auf diese drastischen Einschnitte beschreibt Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte, im Gespräch mit dem Nordstadtblogger so: „Die Kolleginnen und Kollegen erleben eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Angst.“ Moritz Engels, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am Standort Dortmund, fügt im gleichen Gespräch hinzu: „Solche Pläne schüren Ängste, gerade weil sie kaum Details enthalten.“
Vor allem die Forschung am Standort in Dortmund ist in Gefahr
Am Standort Dortmund wird vor allem Flachstahl hergestellt, der dann für allem für die Produktion von Autos genutzt werden. In Dortmund sitzt aber auch eine große Forschungsabteilung des Unternehmens, die auch an umweltfreundlichen Produktionsmethoden forscht. Diese Abteilung könnte vom Stellenabbau besonders betroffen sein, wie Engels ausführt.
„Wir sehen das sehr kritisch, wenn da dran gegangen wird, weil Forschung erzeugt ja Innovation und Zukunft und wenn man da jetzt sparen möchte, dann sind wir generell totgeweiht.“ ___STEADY_PAYWALL___
Outsourcing wird auch ein großes Thema sein. „Der Vorstand hat klargemacht, dass alles, was nicht zur Kernproduktion gehört, auf den Prüfstand gestellt wird“, erklärt Engels.
Hölter ergänzt: „Outsourcing mag kurzfristig günstiger sein, aber oft gehen damit schlechtere Arbeitsbedingungen einher. Die soziale Verantwortung bleibt dabei völlig auf der Strecke.“ Die Gewerkschaft vermisst zudem eine klare Strategie des Unternehmens, wie Arbeitsplätze langfristig erhalten und sozial verträglich gestaltet werden können.
Betriebsinformationsveranstaltung vor der Westfalenhütte
Einen Tag nach der Ankündigung versammelten sich rund 400 Beschäftigte vor dem Werkstor von Thyssenkrupp Steel Europe in Dortmund, für eine Betriebsratsinformationsveranstaltung, um gegen die angekündigten Stellenstreichungen zu informieren.
Moritz Engels ist im Gespräch sehr stolz auf diese hohe Beteiligung: „Ohne großen Aufruf standen sofort hunderte Kolleginnen und Kollegen draußen, um ihren Unmut zu zeigen. Das zeigt, wie groß die Wut ist.“
Ein zentraler Kritikpunkt seitens der Belegschaft ist die mangelnde Transparenz des Vorstands. „Die Kolleginnen und Kollegen haben keine Details zu den geplanten Maßnahmen, aber sollen in Angst und Schrecken versetzt werden. Das ist eine Zumutung“, so Ulrike Hölter. Das Unternehmen habe nicht den gemeinsamen Weg mit den Arbeitnehmendenvertretungen gesucht, sondern alleine agiert.
Thyssenkrupp will eine langfristige Perspektive schaffen
Das Unternehmen bestätigte auf Anfrage den im Eckpunktepapier geplanten Stellenabbau, erklärte aber auch, dass es das Ziel von Thyssenkrupp Steel Europe sei, „das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen und damit langfristige Perspektiven für seine Beschäftigten zu schaffen“, was aus der Unternehmenssicht nur mit diesem Schritt leistbar sei. Das Unternehmen betont, die weiteren Schritt im Dialog mit dem Aufsichtsrat und der Arbeitnehmendenvertretung gehen zu wollen.
Größere Arbeitsniederlegungen verhindert im Moment noch die tarifliche Friedenspflicht, in der sich die IG Metall im Moment mit Thyssenkrupp befindet.
Anders als in der Autoindustrie, wo es in den letzten Wochen mehrmals zu großen Arbeitsniederlegungen gekommen ist, während die IG Metall die Belegschaft bei Thyssenkrupp nicht zu Warnstreiks aufrufen darf.
Die Belegschaft in Dortmund habe aber gezeigt, dass es auch mit „kreativen Lösungen“, wie der Durchführung einer Betriebsratsinformationsveranstaltung Präsenz zeigen kann.
Großer Aktionstag am 15. März
Hölter fügt außerdem hinzu, dass „das Unternehmen ja tatsächlich nicht nur Arbeitsplätze abbauen, sondern auch Entgeltkürzungen vornehmen“ will. Dadurch stelle das Unternehmen ihrerseits die tarifpolitischen Bedingungen in Frage und wäre ein Weg, arbeitskampffrei zu sein. „Dafür ist es aber noch zu früh“, konstatiert Hölter.
Zuerst will man die Belegschaft auch wirklich informieren, erklärt Engels. „Der Arbeitgeber hat damit gerechnet, dass wir nach diesen Ankündigungen, unser Pulver verschießen.“ Der Betriebsrat suche mit allen Beteiligten das Gespräch und bereite sich auf größere Aktionen im Frühjahr vor.
Am 15. März plant die IG Metall zum Beispiel einen großen Aktionstag, der sich Branchen-übergreifen gegen Stellenstreichungen stark machen wird. Auch „um Druck auf die sich in der Regierungsbildung befindenden Parteien zu machen“, betont Hölter.
Stahlindustrie wichtig für Dortmund
Die IG Metall und die Arbeitnehmendenvertretung sperren sich im Übrigen nicht grundsätzlich gegen Umstrukturierungen, die aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage geboten scheinen. Doch für Engels steht fest: „Aber man darf jetzt nicht kopflos handeln, auch von Vorstandsseite nicht. Und wir müssen die dabei unterstützen, die richtigen Lösungsansätze zu finden, aber vor allem soziale Lösungsansätze.“
Vor allem dürfe man nicht die große Bedeutung der Stahlindustrie in Dortmund vergessen. Am Standort Dortmund arbeiten teilweise Beschäftigte in dritter Generation in der Stahlindustrie, das Werk sei ein großer Identifikationsfaktor für die Nordstadt. Industriearbeitsplätze sind außerdem „gut bezahlte Arbeitsplätze“, streicht Hölter heraus. Also auch für „die finanzielle Lage der Stadt nicht unlukrativ“.
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