Von Klaus Winter
Die Stolperstein-Aktion des Künstlers Gunter Demnig muss man nicht mehr erklären. Fast vierhundert Stück liegen inzwischen in den Bürgersteigen unserer Stadt. Die Zahl derer, die eines dieser kleinen Gedenkmale verdienen, ist allerdings ungleich höher.
Die Familie Hayum wohnte im Haus Heckelbeckstraße 1
In Kirchlinde wurden jetzt an einem Ort, an dem bereits sechs Stolpersteine liegen, fünf weitere verlegt. Sie erinnern sämtlich an Mitglieder der Familie Hayum.
Das alte Haus Heckelbeckstraße 1 an der Ecke Frohlinder Straße gibt es nicht mehr. Es wurde im Jahre 2022 abgerissen. Der ehemalige Standort ist noch nicht neu bebaut. An einigen Stellen ragen die obersten Ziegelsteinlagen der Kellermauern noch bis an die Oberfläche.
Die drei ersten Stolpersteine wurden 2008 verlegt
An der Straßenecke wurden im Februar 2008 drei Stolpersteine für Rosa Hayum, den Kaufmann Julius Hayum und seine Ehefrau Hulda Jenny Hayum geborene Salm gesetzt. Die drei Mitglieder dieser jüdischen Familie waren Ende der 1890er Jahre geboren. Sie wurden im nationalsozialistischen Deutschen Reich ihres Glaubens und nationalsozialistisch definierter „Rasse“ wegen deportiert und ermordet.
Von Rosa Hayum weiß man, dass sie ihr Leben 1942 in Zamosc lassen musste. Auf den beiden anderen Stolpersteinen konnte man lediglich vermerken „deportiert Richtung Osten“ und „ermordet“.
Die Familie aus Haltern kam wegen der Verfolgung nach Kirchlinde
Drei weitere Stolpersteine für Angehörige der Familie Hayum folgten im Dezember 2016. Sie erinnern an Heinrich Daniel, den Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts in Haltern, seine Ehefrau Ella Daniel, geborene Hayum, und deren Tochter Hannelore.
Nachdem ihnen das Leben in Haltern durch Verfolgungsmaßnahmen unmöglich gemacht worden war, zog die Familie Daniel in das Haus an der Heckelbeckstraße ein. Sie wurde 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert. Von dort transportierte man sie später nach Auschwitz, wo sie 1944 ermordet wurden.
Von nun an sollen fünf neue Stolpersteine die Erinnerung an die jüdische Familie Hayum wachhalten. Sie tragen die Namen, Verfolgungs- und Lebensdaten von Joseph, Flora, Johanna und Isidor Hayum sowie von Julius Sternberg.
Viele Besucher:innen hatten sich zur Verlegung eingefunden
Engagierte Schüler:innen der AG gegen Rechts an der Droste-Hülshoff-Realschule haben die Verlegung der Steine auf den Weg gebracht. Die AG gegen Rechts befasst sich seit vielen Jahren mit dem Schicksal der jüdischen Familie Hayum.
Die Schüler:innen haben an einer ausführlichen Dokumentation über die Familie Hayum mitgewirkt. Sie betreuen eine Ausstellung zu dem Thema in den Räumen der Droste-Hülshoff-Realschule.
Mit den Schüler:innen waren die Schulleiterin sowie ehemalige und aktuelle Lehrer:innen zur dritten Stolpersteinverlegung an der Heckelbeckstraße gekommen. Es waren aber auch der Dortmunder Rabbiner Avigdor Nosikov und der Kantor der jüdischen Gemeinde sowie Bezirksbürgermeister Spineux zugegen.
Ein besonderer Gast kam aus den Niederlanden
Ein besonderer Besucher war der Zeitzeuge Bert Woudstra. Er wurde 1932 in Enschede (Niederlande) als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater wurde deportiert und im nationalsozialistischen Rassenwahn 1941 ermordet.
Bert Woudstras Kindheit war geprägt von einer langen Flucht. Seine Mutter und sein Bruder begannen die Flucht gemeinsam mit ihm, doch schon bald trennten sich ihre Wege.
In dieser Zeit fanden sich für den jungen Bert – kaum vorstellbar! – dreizehn Menschen, die ihm nacheinander Unterschlupf gewährten und vor den NS-Häschern versteckten. So konnte er Nationalsozialismus und Krieg überleben.
Bei der Organisation der Stolpersteinverlegung und des Zeitzeugengesprächs hat der Jugendring Dortmund unterstützend mitgewirkt. Hier der Link zur Webseite der AG gegen Rechts der Droste-Hülshoff-Realschule: droste-huelshoff-realschule.de/ag-gegen-rechts/
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Reader Comments
Anne Graf
Sehr geehrte Redaktion!
Den Artikel habe ich mit Interesse gelesen, und die Stolperstein Aktion hat mich beeindruckt. Ich finde es nur schade, dass die entsprechende Arbeitsgruppe „AG gegen Rechts“ heißt, und nicht AG gegen Antisemitismus, da dieser bekanntermaßen in diesen Tagen vor allem von muslimischer Seite kommt.