Von Alexander Völkel
Man sieht sie an den Sicherheitsschleusen an den Eingängen, mit Postbergen auf den Gängen, beim Vorführen von Gefangenen – die Wachtmeisterinnen und Wachtmeister des Amtsgerichts. Es sind die guten Seelen des Hauses. Ohne sie gerät hier vieles ins Stocken. Das sieht man vor allem dann, wenn sie fehlen. Was gehört alles zu den Aufgaben der Justizwachtmeisterei? Wir haben uns vor und hinter den Kulissen des Amtsgerichts umgesehen.
Verbeamtung: Kein Traumgehalt – aber dafür ein krisensicherer Job
32 Personen gehören zur Wachtmeisterei des Amtsgerichts, die für vier große Gebäude und mehr als 400 Räume zuständig ist. Zum Team gehören auch die Hausmeister und Dienstwagenfahrer. Aber auch der Archiv- und Postdienst gehört dazu – ebenso wie die 18 Kolleginnen und Kollegen im Vorführdienst.
Sie sind vor allem für Sicherheit und Ordnung zuständig – und Anlaufstelle für Fragen aller Art. Leiter ist Jörg Breuer (50). Seit 26 Jahren arbeitet er im Justizdienst. „Sicherheit der Verbeamtung ist in der heutigen Zeit natürlich ein Argument – auch bei Jüngeren“, berichtet der Chef der Wachtmeisterei.
Wo sei man heute noch unkündbar. „Das ist total genial. Jeder hat sich den Job ausgesucht. Aber man wird nicht reich dabei.“ Denn die Beschäftigten werden im „einfachen Dienst“ geführt – lediglich der Leiter wird etwas besser bezahlt.
„Justizwachtmeister“ ist kein klassischer Ausbildungsberuf
Wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen ist er ein Quereinsteiger. Denn „Justizwachtmeister“ ist kein klassischer Ausbildungsberuf. Man kann dies durch zusätzliche Schulungen – beispielweise zu den Themen Erste Hilfe, zu juristischen Fragen, der Ausübung unmittelbaren Zwangs – erlernen. Drei Monate dauert die Schulung in Monschau. Voraussetzung ist aber auch körperliche Fitness und ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis.
„Die Arbeit macht mir Spaß“, sagt der verheiratete Ehemann und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Breuer ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker. Ihn hat die Arbeit im Justizdienst gereizt und die Arbeit mit Gefangenen. Seit sechs Jahren ist er nun Leiter. Er hätte auch damals in der Justizvollzugsanstalt anfangen können. Doch das wollte er nicht.
„Auch als der, der vor der Zellentür steht, fühlte ich mich eingesperrt“, sagt Breuer. Einen ganzen Monat lang war er dort in Ausbildung. „Es war ein beklemmendes Gefühl“, räumt Breuer ein.
Hier im Amtsgericht habe er zwar auch mit Zellen und Gefangenen zu tun, aber die gesamte Atmosphäre sei freier. „Das war für mich ein Grund hier zu bleiben. Hier hat man viel mit Leuten zu tun und kann ihnen auch helfen.“ Dazu gehört vor allem der Publikumskontakt – dies ist natürlich ganz anders als in der JVA.
Wachtmeister sind die Anlaufstelle für BesucherInnen und ZeugInnen
Hilfe leisten ist für die Arbeit der Wachtmeister wichtig. „Für viele Menschen stellt das Gericht eine Ausnahmesituation dar“, weiß Breuer. Dabei ist es fast schon unerheblich, ob man als Zeuge, Opfer oder Beschuldigter mit dem Amtsgericht zu tun hat.
Wenn die Besucherinnen und Besucher vor der Sicherheitsschleuse stehen, geht der Adrenalinspiegel hoch. Hier kommen sie zum ersten Mal mit den Wachtmeistern in Kontakt. Dann kann es gut sein, dass man die Kollegen später vor oder im Gerichtssaal trifft. Allein 9363 Strafsachen wurden 2014 vor dem Dortmunder Amtsgericht verhandelt. Hinzukommen noch viele weitere Verfahren.
Die Richterinnen und Richter bestimmen, ob sie die Anwesenheit der Wachtmeister wünschen – zum Beispiel dann, wenn sie Auseinandersetzungen fürchten. Mehr als ein Mal kam es auch zu Schlägereien. So sind auch die Verfahren, wo Neonazis vor Gericht stehen, im Fokus der Wachtmeisterei.
Die Wachtmeister im Amtsgericht tragen keine Schusswaffen
Mit Schlagstock, Handschellen, Funkgeräten und Schutzwesten sind sie im Fall der Fälle ausgestattet. Allerdings haben sie keine Schusswaffen. In den Sälen gibt es Alarmierungssysteme. „Wenn etwas akut passiert, dann schicken wir alle Wachtmeister, die zur Verfügung stehen“, erklärt Breuer.
Wird es mal eng, können sie Kollegen aus anderen Gerichten oder natürlich auch die Polizei hinzuziehen. Breuer obliegt es, die Einsatzpläne zu machen. „Wir wissen zumindest vorher, wieviele Richter Vorführungen haben.“ Im vergangenen Jahr wurden 1392 Angeklagte oder Zeugen aus einer Haftanstalt vorgeführt.
Die Wachtmeisterei nimmt diese dann von den Kolleginnen und Kollegen der JVA in Empfang, bringt sie in eine der neun Vorführzellen im Gericht und von dort zur Verhandlung. Dort bleiben die Wachtmeister natürlich dabei und bringen sie – sollte der Haftbefehl nicht aufgehoben werden, wieder zurück ins Gewahrsam oder direkt zum Gefangenentransporter.
Für den Dienst ist es wichtig, auch Frauen zur Verfügung zu haben – schließlich gibt es auch weibliche Gefangene. Beate Burmester (56) ist eine von fünf Frauen in Vorführdienst. Seit 1982 arbeitet sie hier und hat den Schritt nicht bereut: „Ich arbeite gerne mit Männern zusammen“ – nicht nur mit ihrem eigenen Gatten, der ebenfalls am Gericht beschäftigt ist.
Sie mag es, wenn es etwas hektischer wird. Dann lässt die resolute Frau zur Not die Akten fallen und stellt sich unerschrocken auch viel größeren Männern in den Weg.
Mehr Sicherheit: Gestiegene Gewaltbereitschaft wird auch hier spürbar
Die Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren verändert. „Früher hat man immer gesagt, dass bei uns mehr oder weniger die Eier-Diebe vor Gericht stehen“, berichtet Jörg Breuer. „Aber ich bemerke die Tendenz, dass die Gewaltbereitschaft sehr stark gestiegen ist. Man wird nicht so richtig respektiert. Bei der Polizei ist das auch nicht anders.“
An Zeiten ohne Sicherheitsschleusen kann sich auch Breuers Stellvertreter Detlef Stennei (53) erinnern. Seit 1983 ist der frühere Kfz-Mechaniker im Justizdienst.
Seit den 1990er Jahren wird deutlich mehr Wert auf Sicherheit in den Gerichten gelegt. Die Trillerpfeife haben sie gegen Funkgeräte getauscht. An den Eingängen gab es Tischchen und eine Handsonde, bevor die großen Schleusen kamen, die es auch an Flughäfen gibt.
Stennei gefällt die abwechslungsreiche Arbeit und der Kontakt zu Menschen, auch wenn die Arbeitszeiten sich verändert haben. Hinzugekommen sind deutlich mehr Bereitschaftsdienste. Montags bis sonntags von 6 bis 21 Uhr muss die Wachtmeisterei zur Verfügung stehen, zum Beispiel wenn es eine Haftbefehlsverkündigung gibt.
Schlüsselaufgabe: Wachtmeister übernehmen auch den Postdienst
Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe ist der Postdienst. Tausende Briefe gehen täglich im Amtsgericht ein oder werden verschickt. Die ganze Post muss bearbeitet, ausgepackt, gestempelt und verteilt werden – es gibt kistenweise Post.
Alles wird erst einmal eingesammelt, dann aufgeteilt, nach Geschäftsstellen. Es werden Pakete geschrieben, Einschreiben etc., dazu kommen Zustellungen mit entsprechender Urkunde, die verschickt werden. Und auch der Archivdienst fällt der Wachtmeisterei zu.
Aber wenn dann ein Notruf kommt, bleibt eben alles stehen und liegen. So wie bei einem Verfahren gegen einen Neonazi. Seine Kameraden hatten Journalisten und Antifaschisten schon vor der Schleuse angepöbelt. Die Wachtmeisterei trommelte alle verfügbaren Wachtmeister zusammen. Sie stellten sich in voller Montur zwischen die verschiedenen Gruppen vor dem Saal, damit es nicht zu Zusammenstößen kam.
Ohne die Wachtmeister geht im Gericht häufig nichts mehr
In dem ein oder anderen Prozess kam es dadurch zu einem „Stillstand der Rechtspflege“, berichtet Dr. Gerhard Breuer. Alle Verfahren, wo Wachtmeister benötigt werden, mussten unterbrochen werden. Die Vorzuführenden mussten vorübergehend zurück in die Zelle, bis sich die Situation geklärt hatte.
Doch das sind Ausnahmesituationen. Aber auch sie gehören zum Job: „Je mehr Theater, desto besser“ sagt Beate Burmester lachend.
Reader Comments
frank
Toller Bericht über die Arbeit des Justizwachtmeisters.
Sehr informativ, besonders für Menschen die sich für den „Beruf“ interessieren, und davon gibt es reichlich 😉
Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich Diesen gerne auf meiner Facebookseite teilen.
Herzlichen Gruß aus Stuttgart
Frank
Nordstadtblogger-Redaktion
Der Beitrag darf gerne geteilt werden!
Dimmalimm
Ich finde den Bericht auch sehr informativ und gut geschrieben.
Zumal ich mich gerade mit der Berufswahl zur Justizwachtmeisterin beschäftige, war es für mich sehr hilfreich.
Danke