„Kurzer Prozess“ nach der Entlassung von DSW21-Chefin Heike Heim: Jörg Jacoby ist neuer Vorstandssprecher der Dortmunder Stadtwerke AG. Das hat der Aufsichtsrat um seinen Vorsitzenden, Oberbürgermeister Thomas Westphal, am Montag (22. Juli) in außerordentlicher Sitzung einstimmig beschlossen. Jacoby soll diese Funktion bis zu seiner endgültigen Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden der Dortmunder Stadtwerke in einer der nächsten regulären Aufsichtsratssitzungen ausüben. Damit entfällt der zeitaufwändige und streitträchtige Personalpoker um den wichtigsten und best-dotierten Job in der Dortmunder Kommunalwirtschaft – wenn der Rat denn die entsprechenden Maßnahmen mitträgt.
Das Stadtwerke-Vorstand soll wieder auf drei Personen verkleinert werden
Als neuer DSW21-Vorstandsprecher löst Jörg Jacoby nun Arbeitsdirektor Harald Kraus ab, der als dienstältestes Vorstandsmitglied bislang die Abwesenheitsvertretung von Heike Heim übernommen hatte.
Die bisherige Vorstandsvorsitzende Heike Heim war in der Aufsichtsratssitzung am 10. Juli abberufen worden, nachdem der Skandal um die DEW21-Tochter »stadtenergie« bekannt wurde, der für einen massiven Ansehens- und Vertrauensverlust gesorgt und den Stadtwerken nach jetzigem Stand rund 46 Millionen Euro Verlust beschert hat.
Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat festgelegt, dass die Konzernmutter der kommunalen 21-Gruppe künftig – wie bis Anfang 2020 über viele Jahre hinweg – wieder dauerhaft von einem dreiköpfigen Vorstand geführt wird. Neben Jacoby und Kraus gehört ihm Verkehrsvorstand Ulrich Jaeger an.
Jörg Jacoby übernimmt fortan zudem die Position als Sprecher der Geschäftsführung der Dortmunder Stadtwerke Holding GmbH, während DSW21-Arbeitsdirektor Harald Kraus die Geschäftsführung der Dortmunder Stadtwerke Beteiligungsgesellschaft mbH verstärkt.
Jacoby will den „Teamspirit pflegen und langfristig erhalten“
„Die Ernennung von Jörg Jacoby zum Vorstandssprecher ist ein klares Signal, dass der Aufsichtsrat von DSW21 vollstes Vertrauen in ihn und seine beiden Vorstandskollegen hat. Die nun eingeleitete Neuordnung des Vorstands werden wir in aller Ruhe in den regulären Sitzungsterminen nach den Sommerferien formal abschließen“, lässt der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Westphal via Pressemitteilung mitteilen.
„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Jörg Jacoby. Er steht seit 2008 in Diensten von DSW21 und war vorher für das Klinikum Dortmund tätig. Er kennt sich in der Kommunalwirtschaft bestens aus und kennt ebenfalls die kommunale Unternehmensfamilie in Dortmund und alle handelnden Akteure aus dem Effeff“, so Westphal weiter.
Der neue Vorstandssprecher Jörg Jacoby richtet den Blick sogleich nach vorne: „Ich bedanke mich für das Vertrauen des Aufsichtsrates und verstehe es als Auftrag, nach diesen schwierigen Monaten schnell wieder Ruhe in die 21-Gruppe einkehren zu lassen und die Stadt Dortmund weiter konsequent bei der Mobilitäts- und Energiewende zu unterstützen. DSW21 ist ein tolles Unternehmen mit tollen Mitarbeitenden. Das haben wir während der Fußball-Europameisterschaft gerade erst wieder eindrucksvoll bewiesen. Diesen Teamspirit möchte ich pflegen und langfristig erhalten.“
Der Organisator des STEAG-Deals steht nun an der Spitze von DSW21
Jörg Jacoby war 2008 vom Klinikum Dortmund als Finanzprokurist an die Deggingstraße gewechselt. Aufgrund der hohen Komplexität der DSW21-Beteiligungsstruktur auch am Essener Energiekonzern STEAG, übernahm er 2020 auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Vorstandsvorsitzenden Guntram Pehlke das neu geschaffene Vorstandsressort Finanzen. Seither setzte sich der Vorstand aus vier Personen zusammen.
Am erfolgreichen Verkauf der STEAG-Anteile war Jacoby ebenso maßgeblich beteiligt wie an der Bewältigung weiterer großer Herausforderungen: Nur wenige Wochen nach seiner Berufung in den Vorstand legte die Corona-Pandemie das öffentliche Leben nahezu komplett lahm – mit massiven Auswirkungen auf den ÖPNV, das Kerngeschäft von DSW21.
Auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der die Energiemärkte in Aufruhr versetzte, traf die Dortmunder Stadtwerke mit dem energieintensiven ÖPNV und ihrem breiten Portfolio an Energiebeteiligungen massiv. Ein schwieriges Themenfeld stellte und stellt auch die Finanzierung des 9 €-Tickets und seines Nachfolgers, dem DeutschlandTicket, dar.
Jahresabschluss 2023 bilanziert 46 Millionen Euro Schaden durch »stadtenergie«
Festgestellt hat der Aufsichtsrat von DSW21 in seiner heutigen Sitzung auch den von PKF Fasselt geprüften Jahresabschluss 2023. Gegenüber den im April präsentierten vorläufigen Zahlen verändert sich das Ergebnis, wie Anfang Juli angekündigt, von 91,1 auf 75,1 Millionen Euro. Ursache ist der insgesamt rund 46 Millionen Euro umfassende Schaden, der sich nach eigenen Angaben für die Konzernmutter DSW21 aus den im April festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der »stadtenergie« ergibt.
Bei der DEW21-Vertriebstochter waren Abrechnungen an Kund:innen manipuliert worden. Die entsprechenden Untersuchungen und Gutachten zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts werden weiter konsequent fortgesetzt.
DSW21 muss aus diesem Grund auf die eingeplante Ergebnisabführung von DEW21 in Höhe von 30 Millionen Euro verzichten und zudem für DEW21 die Garantie-Dividende an deren kleineren Gesellschafter »Westenergie« in Höhe von 11,7 Millionen Euro übernehmen. Dies wird zum Teil durch ein Vorziehen von 30 Millionen Euro aus dem STEAG-Verkaufserlös in die Bilanz 2023 kompensiert.
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CDU-Fraktion fordert politische Befassung der Vorgänge bei DEW21 und StadtEnergie GmbH: Vollständige Aufklärung ist zwingend (PM)
Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund befürwortet die vom Aufsichtsrat vollzogene Ernennung des bisherigen Finanzvorstandes Jörg Jacoby zum Vorstandssprecher der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21) und die damit verbundene Festschreibung der Vorstandsgröße auf drei Personen. Über die Bestellung von Jacoby zum Vorstandsvorsitzenden der DSW21 wird der Rat zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Die Neuordnung des DSW21-Vorstandes mit der Trennung von Heike Heim und der Bestellung von Jörg Jacoby bedeutet nicht, dass damit der inzwischen staatsanwaltschaftlich verfolgte Abrechnungsskandal um die StadtEnergie GmbH und die Vorwürfe der Unternehmensschädigung von DEW21 durch zu teure und zu langfristige Energieeinkäufe, die in die Zeit von Heike Heim als zuständige Geschäftsführerin der DEW21 fallen, für die Stadt Dortmund erledigt sind.
Die vollständige Ermittlung und Bewertung der Sachverhalte stehen nach wie vor noch aus. Dies gilt insbesondere auch für die politische Bewertung der Vorgänge bei DEW21 und ihrem Tochterunternehmen StadtEnergie. Die CDU-Fraktion wird daher den Themenkomplex jenseits der fürs Erste getroffenen Personalentscheidungen von Heim und Jacoby im jetzt anstehenden Sitzungslauf auf die Tagesordnung der zuständigen Gremien des Rates bringen.
„Die vom Aufsichtsrat vorgenommene Bestellung von Jörg Jacoby zum Vorstandssprecher des DSW21-Konzerns ist ein Signal der Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Ausrichtung der DSW21-Gruppe mit ihren unterschiedlichen Geschäftsfeldern und vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der DSW21-Konzern wird auch weiterhin einen enorm wichtigen Beitrag dazu leisten, unsere Stadt im Interesse der hier lebenden Menschen weiterzuentwickeln und Zukunftsaufgaben zu lösen“, erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Jendrik Suck.
Zugleich stellt Suck aber klar: „Weder die Abberufung von Heike Heim, in deren Zeit als DEW-Chefin der Abrechnungsskandal bei der StadtEnergie GmbH und die fragwürdige Beschaffung von Strom und Gas im Herbst 2022 fallen, noch die Bestellung von Jörg Jacoby zum Vorstandssprecher von DSW21 ziehen für uns einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Vorgänge. Diese steht noch aus. Die rechtliche Würdigung der Vorgänge bei der StadtEnergie GmbH ist genauso wenig abgeschlossen wie die rechtliche Einordnung der Energieeinkäufe bei DEW21. Das Ganze hat aber selbstverständlich auch eine politische Dimension. Deshalb werden wir den Themenkomplex zur Sitzung des Rates am 26. September 2024 anstoßen und die Vorgänge bei DEW21 und StadtEnergie auf die Tagesordnung der Ratsgremien bringen. Dies muss im Interesse aller Beteiligten liegen. Die Bürgerinnen und Bürger Dortmunds fragen danach und haben auch einen Anspruch auf möglichst umfassende Aufklärung.“