Von David Peters
Heute hat die Polizei den Startschuss für die Videobeobachtung der Münsterstraße in der Nordstadt gegeben. 18 Kameras decken den Bereich zwischen dem Platz vor der St. Joseph-Kirche und der Mallinckrodtstraße ab. Zwischen 16 und 24 Uhr übertragen sie das Geschehen auf der beliebten Einkaufsstraße ins Polizeipräsidium, wo speziell geschulte Mitarbeiter*innen die Bilder sichten. „Es ist geprüft worden, es ist diskutiert worden, die rechtlichen Argumente sind abgewogen worden und jetzt können wir einen weiteren Baustein für die Sicherheit der Menschen in der Münsterstraße legen“, erklärt Polizeipräsident Gregor Lange.
330 Straftaten im überwachten Bereich 2020 – Polizeigesetz erlaubt Einsatz der Videotechnik
Die Dortmunder Polizei hatte die Überwachung der Münsterstraße schon lange geplant. Sie sieht in der Straße einen Kriminalitätsschwerpunkt. Obwohl die Straftaten in der Nordstadt zwischen 2014 und 2019 um fast 40 Prozent zurückgegangen sind, würden sie sich in der Münsterstraße weiter auf einem hohen Niveau bewegen, so Lange. ___STEADY_PAYWALL___
„Die Videotechnik und ein darauf abgestimmtes Präsenzkonzept helfen uns dabei, für mehr Sicherheit zu sorgen.“ Besonders bei der Drogenkriminalität sei „noch viel zu tun“.
Bei Demonstrationen werden die 18 Kameras, wie auch in der Brückstraße abgeschaltet. Anhand eines sogenannten „Shutters“ ist an den Kameras zu erkennen, ob sie eingeschaltet sind oder nicht. Bei „rot“ läuft die Kamera, bei „grün“ findet keine Aufzeichnung statt. Gestützt wird die Überwachung auf Paragraph 15a des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes.
Erlaubt ist diese, wenn „an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden.“ Die Polizei zählte im vergangenen Jahr rund 330 Straftaten im nun überwachten Bereich. Auch hatte sie immer wieder betont, dass die Münsterstraße durch die enge Bebauung, parkende Autos und Cafés Rückzugsmöglichkeiten für mögliche Straftäter*innen bieten würden.
Initiative „NoCamDo“ kritisiert Überwachung und erwartet Verdrängungseffekt
Der neue Leiter der Polizeiwache Nord, Martin Gaide betont: „Die Videotechnik ist kein Allheilmittel, sondern Bestandteil eines Einsatzkonzeptes.“ Andernfalls wäre sie auch nicht rechtens.
Die Überwachung könne außerdem dazu dienen, Straftaten bereits in der Vorbereitung zu erkennen, so dass diese durch Polizeibeamte vor Ort verhindert werden könnten. Aber auch im Nachgang könnten die Kameras helfen Fluchtwege zu erkennen oder genauere Personenbeschreibungen zu ermöglichen.
„Wir werden hier mit einer Nulltoleranzstrategie gegen Menschen vorgehen, die meinen, sie könnten in der Nordstadt Straftaten begehen“, kündigt Gaide an. Gregor Lange betonte außerdem, dass der Einsatz der Videoüberwachung jährlich evaluiert werde, man aber darin ein langfristiges Konzept sehe.
Gegen die geplante Videoüberwachung hatte sich bereits im vergangenen Jahr Widerstand formiert. Die Initiative „NoCamDo“ kritisierte, dass die Überwachung die Probleme vor Ort nicht lösen würde und hatte gegen die Pläne der Polizei geklagt. Im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen blieben sie damit erfolglos.
Vor dem Oberverwaltungsgericht läuft die Klage aber noch. Dass die Polizei das Ende des Verfahrens nicht abgewartet hat, ärgert die Kamera-Gegner*innen. Sie befürchten, dass durch die Überwachung lediglich ein Verdrängungseffekt stattfinden werde. Dem gegenüber würde ein Eingriff in die Privatsphäre der Anwohner*innen stehen, die der Überwachung nicht „entgehen“ können.
Überwachungs-Container auf Gedenkplatz für Mehmet Kubaşık soll in der kommenden Woche folgen
Zusätzlich zur Münsterstraße will die Polizei auch den angrenzenden Mehmet-Kubaşık-Platz überwachen. Dies soll mit einem umgebauten Überseecontainer geschehen. Dieser soll über vier Kameras verfügen und flexibel einsetzbar sein.
Ab dem 7. Juni soll er auf dem Platz aufgebaut werden und dann in Betrieb gehen. Polizeipräsident Lange betonte, dass dem Platz, neben den rechtlichen Voraussetzungen für die Überwachung, durch die Widmung an „NSU“-Opfer Mehmet Kubaşık eine besondere Bedeutung zukomme.
„Das darf kein Platz sein, der für kriminelles Geschehen missbraucht wird und für Drogengeschäfte und -Dealer interessant ist. Hier werden wir alle Anstrengungen unternehmen, um der Würde des Platzes Rechnung zu tragen.“ Der Einsatz ist temporär angelegt und soll zunächst für drei Monate erfolgen.
Der Frage, ob die Dortmunder Polizei weitere Orte in Hinblick auf eine mögliche Kameraüberwachung überprüfe, wich der Polizeipräsident aus: „Wir wollen keine flächendeckende Überwachung des öffentlichen Raums.“ Man wolle sich auf Brennpunkte konzentrieren, die man auflösen könne, so Lange.
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Der Überwachungstestbetrieb der Münsterstraße ist die Fortführung einer falschen Sicherheitspolitik in der Dortmunder Nordstadt (PM Initiative „NoCamDO“
Der Überwachungstestbetrieb der Münsterstraße ist die Fortführung einer falschen Sicherheitspolitik in der Dortmunder Nordstadt
Zur Inbetriebnahme der Kameras erklärt Arthur Winkelbach von der Nachbarschaftsinitiative gegen Kameraüberwachung: „Sicher hat die Polizei Dortmund viel Geld und Zeit in dieses große Überwachungsprojekt gesteckt. Nach mehr als einem Jahr der politischen und juristischen Auseinandersetzung sehen wir aber weiterhin organisatorische, soziale und datenschutzrechtliche Probleme, die sich mit der Technik nicht lösen lassen.“
Die Initiative stellt den Sinn von Kameraüberwachung insgesamt in Frage und hat im Konzept klare Mängel identifiziert. Daher wurde im Herbst 2020 erst eine allgemeine Klage und später ein Eilantrag gegen die Überwachung eingereicht. Letzterer liegt derzeit beim Oberverwaltungsgericht in Münster.
Gleichzeitig klagt in Köln eine Initiative gegen die Ausweitung von dortiger Videoüberwachung. In den bisherigen Urteilen dieser juristischen Auseinandersetzung werden weitere Auflagen genannt, die die Polizei Dortmund derzeit nicht umsetzt.
Ein Beispiel:
Die Polizei möchte mit den Kameras Straßenkriminalität bekämpfen, filmt aber gleichzeitig Hauseingänge, Fenster von Privatwohnungen und auch die Zugänge zu grundgesetzlich geschützten Versammlungen. Die bisher vorgelegten Dokumente, die überhaupt nur aufgrund der Klage einsehbar wurden, zeigen kein Lösungskonzept für die Probleme mangelnder Transparenz und Grundrechtseingriffe.
Zwar hat die Polizei Hinweisschilder für Besucher*innen sowie für Anwohner*innen in der Münsterstraße aufgestellt, jedoch sind die Schilder erst im videoüberwachten Bereich sichtbar. Insbesondere Anwohner*innen können der Überwachung nicht entgehen. Sie werden dabei beobachtet wann und mit wem sie ihre Wohnungen betreten und verlassen.
Die hochhängenden Kameras können außerdem in Fenster und auf Balkone filmen. Die Polizei hat bisher nicht schlüssig erläutern können, wie sie durch sogenannte „Schwärzungen“ die Übergriffe in die Privatssphären verhindern kann. Es bleibt auch offen welche „Schwärzung“ der Außengastronomie – die vor Gericht zugesagt wurde – konkret umgesetzt wird oder wie die Polizei Dortmund gedenkt mit der Erfassung von KFZ-Kennzeichen umzugehen.
Hierzu hatte das Verwaltungsgericht Köln (Aktenzeichen 20 L 2344/20) bereits im Februar in einem Grundsatzurteil festgestellt:
„§ 15a PolG NRW ermächtigt allerdings weder zur Videoüberwachung privater und/oder sensibler Bereiche noch zur KFZ-Kennzeichenerfassung.“
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss klargestellt:
„Entsprechend hat der Antragsgegner sicherzustellen, dass Privatbereiche, d.h. Wohn- und Geschäftshauseingänge im Videobereich Neumarkt, der Eingangsbereich des Gesundheitsamtes und die KFZ-Kennzeichen der den Videobereich befahrenden Straßenverkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer unkenntlich gemacht/ verpixelt werden.“
„Jenseits dieser konkreten Gestaltungsfragen kritisiert die Initiative die Pläne für die Videoüberwachung aber weiterhin grundsätzlich“, so Martin Pilpul, weiterer Sprecher der Initiative. Studien haben gezeigt, dass Videoüberwachung meist keine Effekte auf die Kriminalität haben. Die überwiegend sozialen Probleme lassen sich damit nicht lösen.
Stattdessen befürchten wir, dass von der Polizei unerwünschtes Verhalten in die Nebenstraßen abwandert. Videoüberwachung, Taser, Schwerpunkteinsätze dienen vor allem der Stigmatisierung der Nordstadt und ihrer Bewohner*innen, um dann wiederum weitere ordnungspolitische Maßnahmen zu rechtfertigen.“
Weitere Informationen zur Nachbarschaftsinitiative und ihren Klage gegen die Überwachung der Münsterstraße finden Sie unter:
https://www.nocamdo.org/
twitter.com/nocam_do
Videobeobachtung in der Münsterstraße – GRÜNE sind nach wie vor skeptisch. (PM Bündnis 90 / Die Grünen)
Videobeobachtung in der Münsterstraße – GRÜNE sind nach wie vor skeptisch.
Heute um 13:30 Uhr wurden sie nun enthüllt: die Videokameras der Polizei in der Münsterstraße. Die GRÜNEN in der Nordstadt sind nach wie vor skeptisch und bezweifeln, ob dadurch die Kriminalität wirksam bekämpft wird.
Mit 18 Kameras zwischen Josephplatz und der Einmündung zur Mallinckrodtstraße will die Dortmunder Polizei Rauschgift- und typische Beschaffungskriminalität bekämpfen. Allerdings dürfen einige Bereiche wie Straßengastronomie und ein Kulturzentrum nicht gefilmt werden.
Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum befürchtet, dass sich die Kleinkriminalität auf die benachbarten Wohngebiete und Kinderspielplätze verlagert:
„Die Kleinkriminalität verlagert sich dann halt einfach in die Nebenstraßen oder den Keuningpark. Wir sehen hier keine Verbesserung des Sicherheitsgefühls bei den
Bewohner*innen, sondern vernehmen schon den Ruf nach weiteren Kameras in den Seitenstraßen.“
Marko Unterauer, Fraktionssprecher der GRÜNEN in der BV Innenstadt-Nord:
„Noch Anfang 2016 war die Polizei selbst der Meinung, dass eine Videobeobachtung dort die Dealerszene und andere Straftäter in umliegende Wohnviertel verdrängen könne. Deshalb hatte man damals die Brückstraße für den Feldversuch ausgesucht. Die Evaluation durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat einen Nutzen nicht bestätigt, die Ergebnisse aus Dortmund sprechen laut Studie ‚tendenziell gegen eine positive Wirkung der Videobeobachtung im Sinne einer Reduktion des Kriminalitätsaufkommens.“
Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum ergänzt: „Wir brauchen eine gut qualifizierte und angemessen ausgestattete Polizei. Die Organisation der Polizeiarbeit muss aber in eine andere Richtung gehen. Wie wäre es, in der Nordstadt auch Fahrradstreifen einzusetzen. Sie sind in den engen Straßen beweglicher als Polizeiwagen und für die Bevölkerung besser ansprechbar im
Sinn von mehr Bürger*innennähe.“
Karls Radek
Der Artikel schafft es leider nicht, die Frage der polizeilichen Überwachung des öffentlichen Raumes in den offensichtlichen Zusammenhang von Armut, Rassismus und autoritären Umbaumaßnahmen des bürgerlichen Staates zu legen. Damit reproduziert er die Ideologie des „pragmatischen Sicherheitsdiskurses“, der stets von den gesellschaftlichen Bedingungen abstrahiert und ganz bürgerlich eine vermeintliche Zwischenposition unter pseudo platonisch Gleichgestellten suggeriert. Nein die Kameraüberwachung ist kein Angriff auf die Grundrechte „aller“ und es gibt nicht gute „Argumente“ der Polizei“, er ist ein Klassenprojekt der CDU/FDP und GDP, er ist ein sinnloses Vertreibungsprojekt von Schmalhirnen der lokalen Petit Bourgoisie, die nicht verstehen, dass nur weil ne Kamera hängt, nicht gleich mehr Kunden kommen. Wer sind eure Kunden? Das Elend der Linken ist in diesem Artikel und seiner offensiven Weigerung gesellschaftliche Bedingungen von Staat, Repression und Überwachung zu hinterfragen so offenbar, dass es keine Zweifel geben kann: Mit dieser Linken ist JEDER STAAT ZU machen.