Verunsicherungen in den Handwerksbetrieben in Dortmund und Umgebung wegen drohender Dieselfahrverbote, Existenzängste vor allem bei kleineren Betrieben, weil vielleicht eine erzwungene Flottenerneuerung bevorsteht, wenn sich die Abgasnormen verschärfen. Die HWK-Dortmund wollte es wissen und hat bei den Gewerbetreibenden nachgefragt. Die Ergebnisse wurden jetzt vorgestellt.
HWK Dortmund: Sonderumfrage unter Mitgliedern zu angekündigten Dieselfahrverboten
Sonderumfrage der Handwerkskammer (HWK) Dortmund anlässlich eines tagespolitisch aktuellen Themas: es drohen Dieselfahrverbote in den Städten, daher für viele Unternehmen die zwangsweise Umrüstung bzw. Erneuerung ihres Fuhrparks. Welche Auswirkungen hätte das auf Betriebe in der Umgebung, wie stehen sie dazu?
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Neben seiner alljährlichen Konjunkturumfrage hat der Kammerbezirk reagiert und bei seinen Mitgliedern nachgefragt. Aus gutem Grund: die bundesweit geführte Debatte hat Dortmund schon lange erreicht. Der Stadt, aber mindestens dem innerstädtischen Verkehr drohen wegen der bundesweiten Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor den Verwaltungsgerichten Konsequenzen.
Seither denkt die Kommunalpolitik – und Ratsfraktionen jeweils auf ihre Weise – darüber nach, wie potentiell gerichtlich angeordnete Fahrverbote im Innenstadtbereich verhindert oder gemildert werden könnten, um Lieferverkehre nicht zu gefährden. Dafür müsste das zuständige Oberverwaltungsgericht in Gelsenkirchen vor seiner anstehenden Entscheidung etwas besänftigt werden. Wie?
Kommunalpolitik fasst ganztägige Dieselfahrverbote auf der Ost-West-Querung A40 ins Auge
Beispielsweise indem dort, wo Feinstaub gemessen wird, bessere Werte geliefert werden. Neuralgischer Punkt war hier bis dato die B1. Eine Idee: die Güte der bisherigen Messwerte per Gutachten anzuzweifeln (CDU). Eine andere: gleich ganz auf LKW-Verkehre über die vielbefahrene Ost-West-Querung durch die Stadt zu verzichten, indem durchgehende Fahrverbote ausgesprochen werden (Grüne, Linke&Piraten).
Vor vierzehn Tagen überraschte die SPD-Stadtratsfraktion im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen (AUSW) damit, sich dem schon länger gehegten Ansinnen der genannten Protagonisten anschließen zu wollen.
Gegen eine sichtlich missgestimmte CDU wurde dort in Folge mehrheitlich beschlossen, die Verwaltung damit zu beauftragen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf der Bundesstraße B1 ein „ganztägiges LKW-Fahrverbot für den Durchgangsverkehr und Prüfung der Änderung der Beschilderung des LKW-Nachtfahrverbotes für „Durchgangsverkehr > 7,5t“ durchzusetzen.
Fast jeder zweite Betrieb im Kammerbezirk Dortmund von Fahrverboten betroffen?
Begründet wurde seitens der Sozialdemokraten ihr Beschlussantrag unter anderem durch Benennung dessen, was ihm nicht entgegensteht. Dazu gehörte: nach Konsultation der Kreishandwerkerschaft (KH) Dortmund sei deutlich geworden, dass hier niemand von etwaigen LKW-Fahrverboten auf der A40 betroffen wäre.
Die nun von der übergeordneten Instanz, der Handwerkskammer Dortmund, veröffentlichten Ergebnisse ihrer Sonderumfrage zu dem Thema, zeichnen – gleichwohl diese mit der Auskunft, welche die SPD von der KH erhielt, kaum vergleichbar sind – der Tendenz nach dennoch ein etwas anderes Bild. Vorgestellt wurden sie in der Niederlassung von Ebbinghaus Automobile an der Hagener Straße in Dortmund-Kirchhörde.
Auf die Frage an die daran teilnehmenden Betriebe, wie sehr sie von Fahrverboten betroffen seien, hätte nämlich fast jeder zweite angegeben, dass ihn dies zumindest in einem bestimmten Umfang beträfe; entweder bei der Durchfahrt oder beim Kunden selber, erklärt Gabor Leisten, Leiter der HWK-Unternehmensberatung. Dieser Befund lässt zumindest aufhorchen, muss aber bei genauerem Hinsehen relativiert werden. Was aber nicht bedeutet, dass es etwa kein Problem gäbe – im Gegenteil.
829 Handwerksbetriebe haben an der HWK-Erhebung zu Fahrverboten teilgenommen
3.588 Mails hatte die Bezirkskammer Dortmund im Frühjahr dieses Jahres verschickt; 19.679 Betriebe sind insgesamt in ihr organisiert. Dabei sei „auf ein möglichst repräsentatives Teilnehmerfeld geachtet“ worden, heißt es dazu von der HWK.
Es handelt sich also vermutlich um eine kriterial bestimmte, systematische und nicht um eine Zufallsstichprobe; daher kann ihre Repräsentativität statistisch nicht berechenbar sein. Sei’s drum.
Bei einer Rücklaufquote von gut 23 Prozent nahmen 829 Handwerksbetriebe an der Konjunktur- wie Sonderumfrage teil. Für die spezielle Umfrage zu den Fahrverboten wurden in Abstimmung mit der Kraftfahrzeuginnung Dortmund/Lünen neun Fragen gestellt. Die letzte war offen und ließ weitere Anmerkungen zur Dieselthematik zu; hier nahmen 136 Betriebe Stellung, die durchschnittlich 19 Mitarbeiter beschäftigen und einen Fuhrpark mit zehn Fahrzeugen haben.
In dieser Größenordnung bewegt sich ziemlich genau der Handwerksbetrieb von Kammer-Präsident Berthold Schröder. Der Zimmerermeister beleuchtet die Konsequenzen und die Lage kleinerer und mittlerer Betriebe aus der Region unter der Annahme, dass es im Fall von Dieselfahrverboten zu erheblichen Beeinträchtigungen in deren Betriebsablauf kommen wird.
Voraussetzung der Umfrage: quasi-generelle Dieselfahrverbote unterhalb einer Abgasnorm X
Ob dem so ist und insbesondere unter welchen Voraussetzungen, sei dahingestellt; dafür ist die gegenwärtige Datenlage offenbar unzureichend. Denn die SPD-Initiative im AUSW ging lediglich von einer Vollschließung der B1 für LKWs ab 7,5 Tonnen aus, die Sonderumfrage der HWK hingegen von „Fahrverboten“. Die diesbezüglichen Angaben der Unternehmen lassen sich folglich nicht auf ein solitäres Verbot für LKW-Dieselverkehr auf der Dortmunder Ost-West-Querung übertragen.
Vielmehr liegt die Vermutung nah, dass die Handwerksbetriebe die Frage nach den Auswirkungen von Fahrverboten so beantwortet haben, wie sie als allgemeine Frage ohne nähere Benennung von Verbotszonen nur Sinn macht: als ein generelles oder weitgehendes Fahrverbot für Diesel unter einer bestimmten Abgasnorm. Also etwa, wie im Antrag der Sachkoalitionäre im AUSW gefordert: weniger als EURO 5.
Die Konsequenzen dessen sind für Berthold Schröder – bzw. wären für die Handwerksbetriebe, die er vertritt – und den Ergebnissen der HWK-Erhebung zufolge fatal. Weil eine Fahrzeugflotte, soweit sie aus älteren Dieselfahrzeugen besteht, dann perspektivisch still stünde und deshalb der Erhalt ihrer Mobilität nur vorab mit Ersatz durch modernere Modelle gewährleistet werden könnte. – Und an diesem Punkt sieht die HWK-Dortmund vor dem Hintergrund ihrer Umfrage Probleme zuhauf.
Austausch der Fahrzeugflotte für viele kleinere Handwerksbetriebe existenzgefährdend
Den Angaben der Handwerksbetriebe ist zu entnehmen: über 42 Prozent geben in der Umfrage an, eine Flottenerneuerung sei für sie existenzgefährdend, während eine solche Umrüstung für 29 Prozent der Betriebe nur unter der Voraussetzung in Frage kommt, dass sie durch Fördergelder gestützt wird. Speziell für Kleinbetriebe könnte es hier unüberwindliche Schwierigkeiten geben, weil der Austausch des gesamten Fuhrparks kaum zu tragen wäre.
Daher sagt Gabor Leisten: „Viele Betriebe sehen zur Zeit keine Alternative zu den Fahrzeugen, die sie gerade einsetzen.“ Und es kommt etwas hinzu: Neben der wirtschaftlichen Darstellbarkeit von Neuanschaffungen liegt Leisten zufolge das zweite praktische Hindernis darin, dass es keine (bzw. nur zu teure) technischen Alternativen gäbe. Laut Umfrage könnten sich lediglich 45 Prozent der Betriebe passend zu ihren Betriebsabläufen von den Möglichkeiten her, die der Markt bietet, überhaupt solche Alternativfahrzeuge vorstellen.
Darüber hinaus sieht die HWK die Dieselfahrzeuge ihrer angeschlossenen Betriebe sowieso nicht als Kern des Problems, wenn es um Emissionsschutz geht. Das besondere am Handwerk sei eben, erklärt Berthold Schröder: in den Betrieben gäbe es „erhebliche Standzeiten“, Fahrzeuge mit Sonderausstattungen wie im Baugewerbe: also solche, die auf nur wenige Fahrten kommen.
Dieselfahrzeuge im Handwerk mit verhältnismäßig geringer Laufleistung pro Jahr
Deshalb käme es etwa in seinem Betrieb zu einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von lediglich 12.000 Kilometern und ein Fahrzeug würde respektive im Schnitt erst nach 13 bis 15 Jahren ausgetauscht.
Bei diesen langen Zyklen träfe es daher das Handwerk in besonderer Weise, beklagt der HWK-Präsident: „dass wir vor Jahren dazu angehalten und animiert worden sind, im Zuge der Einführung der Umweltplakette unseren Fahrzeugpark auszutauschen. In meinem Unternehmen haben wir das auch gemacht, und jetzt stellen wir fest, das war doch nicht das Richtige, wir bräuchten wieder was anderes“, beschreibt er symptomatisch die Lage vieler Handwerksbetriebe.
Gerade aus diesem Grund sieht Schröder hier ein potentielles Akzeptabilitätsdefizit für den Fall verhängter, aber nicht durch staatliche Kompensationsleistungen abgemilderter Folgen von Fahrverboten: es sei einem Handwerker schwer zu vermitteln, der vor einigen Jahren ein Fahrzeug mit einer grünen Plakette gekauft hat, dass er jetzt schon wieder nachrüsten soll und das auf seine eigenen Kosten, wo er doch eigentlich nichts falsch gemacht habe.
Große Verunsicherung über zukünftige Entwicklung bei Gewerbetreibenden
Denn er legt sich, bildlich gesprochen, gutgläubig finanziell aus dem Fenster, um nun von der Politik, die seitens des Umweltschutzes unter Druck gerät, ganz raus gestoßen zu werden. Das sorgt in den Betrieben für Verärgerung – und spiegelt sich in der HWK-Umfrage.
In den offenen Kommentaren werden die erzwungenen Investitionen der letzten Jahre wegen der geforderten Umweltplaketten umstandslos und bei wenig Verständnis in Verbindung gesetzt mit erwartbaren Belastungen wegen der drohenden Fahrverbote für ältere Diesel. Zudem beanstanden Betriebe das Zeitfenster für die Umsetzung neuerlicher Maßnahmen und natürlich etwaige finanzielle Belastungen.
Außerdem herrscht große Unsicherheit. Das sei eigentlich die Quintessenz der freien Stellungnahmen, erläutert HWK-Unternehmensberater Leisten. Weil niemand sagen kann, wie sich die Verbotsspirale weiterdrehen wird. Denkbare Fahrverbote der Diesel-Abgasnorm EURO 4 und weniger müssen nicht das Ende der Fahnenstange darstellen, sondern könnten sich ausweiten: über EURO 5 zu 6.
Dies sind politische und juristische Entscheidungen, deren Richtung in der Gegenwart kaum absehbar ist. Sicher ist: Die Fahrzeugflotten des überwiegenden Teils der Gewerbebetriebe bestehen fast ausschließlich aus Dieselfahrzeugen, darunter viele ältere Modelle; eine Einschränkung der Verkehre träfe diese zumeist mittelständischen Unternehmen empfindlich.
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Kleine Korrektur: Fahrverbote drohen nicht wegen Politik, Justiz oder DUH, sondern wegen der Automobilindustrie.
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Alten Lkw abgeben, 15.000 Euro erhalten – Flottenerneuerungsprogramm für Lkw ab 7,5 Tonnen gestartet
Für die Erneuerung der Nutzfahrzeugflotte durch fabrikneue Lkw, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllen oder elektro- bzw. wasserstoffbetrieben sind, können Unternehmen seit gestern, 26. Januar, eine Förderung von der Bundesregierung erhalten. Wenn dafür gleichzeitig ein alter Lkw der Abgasstufen Euro 0 bis Euro V/EEV verschrottet wird, können sie bis zu 15.000 Euro bekommen. Detaillierte Informationen zu den Förderungsbedingungen erhalten Betriebe bei der Handwerkskammer (HWK) Dortmund.
Das Flottenerneuerungsprogramm dient neben der Förderung von elektro- und wasserstoffbetriebenen Nutzfahrzeugen auch der Förderung der Erneuerung der konventionellen Nutzfahrzeugflotte mit modernen Verbrennungsmotoren der Schadstoffklasse VI (hierunter fallen neben Diesel- auch Gasantriebe). Zusätzlich zur Förderung des Austauschs wird ein Zuschuss von bis zu 5.000 Euro für die Anschaffung intelligenter Trailer-Technologie (z.B. Technologien zur Reifendruckmessung oder zur digitalen Ansteuerung für Auflieger und Anhänger oder aerodynamische Anbauteile) gewährt.
Die Antragstellung an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) ist bis zum 15. April 2021 ausschließlich auf elektronischem Wege über die Portalseite https://antrag-gbbmvi.bund.de möglich.
Weitere Informationen gibt es auf der Seite des BAG: https://www.bag.bund.de/DE/Navigation/Foerderprogramme/Flottenerneuerung/Nutzfahrzeugflotte/Nutzfahrzeugflotte_node.html