Der Katalog zur Ausstellung sieht aus und fühlt sich an wie Zeitung. Vorn drauf, in Rot, ein Piratenmotiv mit Sektglas und der Titel. „Ausnahmezustand“ heißt die Kunstschau, mit der das Künstlerhaus am Sunderweg seit Ende August (bis 6. Oktober) sich einmal selbst feiert, denn es gibt es seit dreißig Jahren; man kann aber auch „Ausnahme Zustand“ lesen, im Sinne von „immer in Bewegung“. Die Seiten 2 und 3 der „Zeitung“ sind richtig spannend, sie sind der Schlüssel zum Ganzen. Also muss man sie entschlüsseln.
Rund 3000 Künstler kamen in den 30 Jahren in die Nordstadt
Die Seiten, überschriftenlos, enthalten nichts als Namen. Es müssten etwa dreitausend sein, denn so viele Künstler haben sich beziehungsweise ihre Arbeiten in den vergangenen dreißig Jahren im Künstlerhaus positioniert.
Die Namen sind alphabetisch geordnet, nach Vornamen allerdings. Auf Abi Walther folgen fünf Achims, den Beschluss bildet die ZWAR-Gruppe, Zwischen Arbeit und Ruhestand.
Einige Namen, einunddreißig, wenn ich mich nicht verzählt habe, sind so rot wie das Piratenmotiv auf dem Titel des Blattes. Es sind die Namen der Künstler, die die aktuelle, die Ausnahme-Austellung bestücken.
Die sind oder waren Residenten in den Künstlerhaus-Ateliers. Von denen, die waren, sind nur solche vertreten, die über ein Netzwerk weiter mit der Einrichtung verbunden sind. Ihre Namen sind als „KiN“, Künstler im Netztwerk, markiert.
Lebhafter Eröffnungsabend
Es geht lebhaft zu am Eröffnungsabend. Reden, Erinnerungen, Musik. In der „Zeitung“ kann man die vergangenen drei Jahrzehnte gerafft nachblättern, aber so manche Anekdote kann nur erzählt weitergegeben werden. Gab es da nicht die Dortmund-Ansichtskarte mit Grotten-Motiv? Den Vorschlag, die Gichtgasleitungen erwanderbar zu machen? Den größten Adventskranz der Welt, die Antwort auf den Weihnachtsriesenbaum auf dem Alten Markt? Alles, teils skurrile, Einfälle aus dem Künstlerhaus! An einem Erinnerungsabend wie diesem kommen auch die schrägen Seiten der Kunst wieder zum Vorschein, warum auch nicht?
Eine Ausstellung als Gesamtkunstwerk
Ein Gesamtkunstwerk ist die Ausstellung – Keller, Ergeschoss und Treppe rauf – eh sicher nicht, das war von den Veranstaltern auch nicht angestrebt. Jede, jeder Einzelne zeigt, was sie, was er hat und kann. Jeder Gedanke. jedes Thema, jede Technik stehen also für sich. Es sei denn, da kollidieren mal zwei. Da macht sich ein kunterbuntes Skulpturengestell über Malerei als solche lustig, und der monochrome Wandbemaler nebenan fühlt sich ganz persönlich angesprochen. Der Konflikt wird belacht. So viel zu Zufallsprinzip und Sinnzusammenhang.
Das Große erdrückt natürlich leicht das Kleine. Der Raum die Fläche. Der Film die Zeichnung.
Automatisierung: Nieder mit den Glückskeksen
Natürlich ist die Riesenmaschine mit Fließband, deren einziges Ziel es ist, Glückskekse zu zertrümmern, ein Blickfang, dem sich kein Eintretender entziehen kann. Welch symbolische Ansspielung auf den Zustand (Ausnahmezustand!) unserer Gesellschaft aber auch!
Mag aber auch sein, dass der Besucher die Orientierung verliert und die eine oder andere „Position“ schlicht übersieht (aber „über-sehen“ ist ja auch eine Form von Sehen). Macht nichts, nicht alles hier wird in die Kunstgeschichte eingehen.
Sonst aber wird er aus der ungesammelten Fülle seine Lieblingssituationen herausfinden. Mein Favorit ist eine Zeichnung, die gar keine ist, sondern die tausend- oder vieltausendfache Vergrößerung des Negativs einer Fotografie. die die Oberfläche einer Zitrone zeigt. Jawohl, einer Zitrone!
Die Ausstellung ist vom 31. August bis 6. Oktober zu sehen.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler:
Pat Arnao (K.i.N.), Christoph Bangert (K.i.N.), Patrick Borchers, Jörg Daniel (K.i.N.), Lisa Domin (K.i.N.), Laura Eschweiler, Rosa Fehr-von Ilten (K.i.N.), Anett Frontzek, Etta Gerdes(K.i.N.), Maria Gerdwilker (K.i.N.), Cornelius Grau, Ulrike Harbach, Horst Herz, Barbara Koch, Dagmar Lippok (K.i.N.), Linda Opgen-Rhein (K.i.N.), Willi Otremba, Gaby Peters, Dirk Pleyer, Rona Rangsch, Arno Schidlowski (K.i.N.), Maria Schleiner, Ulrike Stockhaus(K.i.N.), Jens Sundheim, Elly Valk-Verheijen, Adriane Wachholz, Caspar Walbeck, Ulrich Weber, Denise Winter, Marco Wittkowski (K.i.N.), Hannes Woidich (K.i.N.)
FOTOSTRECKE MIT KÜNSTLERARBEITEN
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Kuenstlerhaus DO – TRAP Katalogankündigung (PM)
Kuenstlerhaus DO – TRAP Katalogankündigung
TRAP – heißt die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus Dortmund. 17 Künstler des Kunstmentorats NRW haben die Gelegenheit, die Räume des Künstlerhauses als Experimentierfeld zu nutzen. 17 Positionen, die neugierig machen und so ihre Fallen für das Dortmunder Publikum aufstellen sind dabei entstanden.
Das Kunstmentorat NRW ist ein Professionalisierungsprogramm für bildende KünstlerInnen, das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft das Landes Nordrhein-Westfalen finanziert und vom Landesbüro für Bildende Kunst (LaBK) durchgeführt und im nächsten Jahr fortgeführt wird.
17 künstlerische Positionen gilt es, in der von den Mentees Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr, Anna Schütten und der Mentorin aus dem Künstlerhaus Anett Frontzek kuratierten Ausstellung, zu entdecken. 17 Künstler, die die verschiedensten Techniken verwenden: Video, Skulptur, Malerei und Fotografie – das alles ist in den Räumen des Künstlerhauses zu sehen und verspricht eine große Bandbreite für das Publikum.
Auf Grund des verlängerten Lockdowns kann die Ausstellung in den Räumen des Künstlerhaus Dortmund aktuell nicht besucht werden. Wer trotzdem neugierig geworden ist kann unter besuch@kh-do.de einen kostenlosen Katalog zur Ausstellung anfordern.
Beteiligte Künstler*innen
Ale Bachlechner, Maurits Boettger, Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhus,
Stefani Glauber, Brigitta Heidtmann, Alwina Heinz, Lisa Klinger, Thomas Kuhn,
Jennifer Lubahn, Tonka Malekovic, Nadjana Mohr, Roya Noorinezhad,
Stefanie Pluta, Klaus Schmitt, Anna Schütten, Melanie Windl
Ausstellungskonzept Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr, Anna Schütten
Organisation Anett Frontzek
Die Ausstellung wird unterstützt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Landesbüro für bildende Kunst.