Dr. Frederic Rudolph zum Dortmunder Mobilitätsplan 2030: Restriktives Vorgehen gegenüber dem Autoverkehr fehlt

Dr. Frederic Rudolph ist Verkehrswissenschaftler am Wupperinstitut für Klima, Umwelt und Energie. Er hat sich kritisch mit dem Dortmunder Masterplan Mobilität 2030 auseinandergesetzt. Foto: Brussels, 13 March Pics @vivianhertz

Von Anna Lena Samborski

Dass der Rad- und Fußverkehr sowie der ÖPNV ausgebaut werden müssen ist mittlerweile wohl allen klar. Trotzdem: Um die Klimaziele zu erreichen, führt kein Weg daran vorbei, restriktiv gegen den Autoverkehr vorzugehen – das macht Dr. Frederic Rudolph mehr als deutlich. Der Verkehrswissenschaftler vom Wupperinstitut für Klima, Umwelt, Energie stellte in der Dortmunder Auslandsgesellschaft seine Forschungsergebnisse zu erforderlichen Maßnahmen für eine erforderliche Verkehrswende vor – und nahm auch den Dortmunder Mobilitätsplan 2030 kritisch unter die Lupe.

CO2-Emissionen im Verkehrssektor stagnieren seit 30 Jahren

Die Maßnahmen der unterschiedlichen Handlungsfelder des Masterplans reichen dem Experten nicht aus.

Um die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen – und damit die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden – müssten in den nächsten 15 Jahren alle Aspekte unseres Lebens dekarbonisiert werden. So auch der emissionsreiche Mobilitätssektor – doch Rudolphs Resümee über die „Fortschritte“ in dem Bereich fällt eher düster aus:

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Trotz zum Teil wohlklingender Mobilitätskonzepte – wie zum Beispiel der Dortmunder Masterplan 2030 – belegen die Zahlen: Die CO2-Emissionen im Verkehrssektor stagnieren seit 30 Jahren. Besonders auffällig dabei: Trotz des Wissens über die bevorstehende Klimakrise ist die Anzahl der PKWs in Deutschland in den letzten 10 Jahren weiterhin leicht gestiegen.

Gerade die Anzahl an großen Autos – wie SUVs – steigt dabei besonders rasant an. Auch sei es ein Mythos, dass die Treibhausgasemissionen pro gefahrenen Kilometer bei neuen Autos sinken würden, bestätigt der Verkehrswissenschaftler. Die Anzahl von E-Autos auf deutschen Straßen – also die etwas klimafreundlichere Variante – bliebe außerdem hinter den Erwartungen zurück.

Erfahrungen aus Kopenhagen und Freiburg: Restriktionen gegenüber dem Auto zwingend nötig

Zwei Drittel aller mit dem Auto zurückgelegten Strecken sind unter fünf Kilometern lang. Hier kommt für Rudolph gerade den Städten eine besondere Verantwortung zu, denn eine „Stadt kann gut Einfluss nehmen auf die Verkehrsmittelwahl“.

Dabei ist für Rudolph klar: Eine reine Förderung des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV reiche nicht aus – Es müsse gleichzeitig restriktiv gegen das Auto vorgegangen werden. Nur so könne der dringend erforderliche Umstieg weg vom Auto auf andere Verkehrsmittel erfolgen.

Dies würden Erfahrungen aus den Städten Kopenhagen und Freiburg zeigen. Hier sei die Nutzung des Autos durch eine konsequente Bevorzugung des Fahrradverkehrs und des ÖPNV gegenüber dem Autoverkehr stark zurück gegangen.

Dortmunder Mobilitätsplan 2030: Maßnahmen, um „das Auto zu ärgern“, fehlen

So sah das Ergebnis einer Haushaltsbefragung im Jahr 2013 aus. Quelle: Omnitrend
So sah das Ergebnis einer Haushaltsbefragung im Jahr 2013 aus. Quelle: Omnitrend

Nicht so in Dortmund: In der Zeit von 2005 bis 2013 ist die Zahl, der mit dem Fahrrad zurück gelegten Strecken zwar leicht – von 5,9 Prozent auf 6,8 Prozent – gestiegen. Der Autoverkehr ist jedoch nicht zurück gegangen: Immer noch legen die DortmunderInnen rund die Hälfte (!) aller Strecken mit dem Auto zurück.

Auch für die Zukunft setzt die Stadt mit ihrem Masterplan Mobilität 2030 auf Freiwilligkeit und die Schaffung von alternativen Verkehrsmittelangeboten. Nicht müde werden die Beteiligten zu betonen, dass mit Angeboten und nicht Verboten gearbeitet werden soll.

Aus Rudolphs Sicht allerdings fehlen Maßnahmen um „das Auto zu ärgern.“ Der Wissenschaftler ist sich somit mit Hinblick auf die positiven Erfahrungen in Kopenhagen und Freiburg sicher: „Auch wenn sie es noch so gut meinen, wird es so nichts mit der Verkehrswende.“

Wissenschaftliche Studie fordert: 200 Pkw pro 1000 Einwohner im Jahr 2035

Im Auftrag von Greenpeace erstellte Rudolph mit weiteren WissenschaftlerInnen des Wupperinstituts die Studie „Verkehrswende für Deutschland: Der Weg zu einer CO2-freier Mobilität bis 2035“.

Auch die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass eine drastische Reduktion des Pkw-Verkehrs in Deutschland dringend erforderlich ist. Dies müsse mit einem massiven Ausbau des ÖPNV und der Fuß- und Radwege einhergehen. Dazu fordert Rudolph, das Schienennetz auch für den Güterverkehr großflächig auszubauen.

Der verbleibende Straßenverkehr sei außerdem zu elektrifizieren. Die Energiewende müsse dabei massiv beschleunigt und die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, denn nur so könne E-Mobilität tatsächlich klimaneutral sein.

Konkret zeigt Rudolphs Studie auf: pro 1000 Einwohner stehen im Szenariojahr 2035 200 private Pkw zur Verfügung – und 66 Prozent der Wege können mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder nicht-motorisiert zurückgelegt werden.

Europäische, nationale und kommunale Maßnahmen erforderlich

Durch Dialogveranstaltungen können BürgerInnen sich am Masterpaln Mobilität beteiligen Foto: Heike Thelen, Stadt Dortmund

Einige Forderungen, die sich aus der Studie ergeben, seien auf nationaler oder europäischer Ebene umzusetzen – wie eine Abschaffung umweltschädlicher Subventionen z.B. im Flugverkehr. Außerdem sei die Energiewende und der Ausbau der Netze Aufgabe des Bundes bzw. der EU. Des Weiteren fordern die WissenschaftlerInnen die Zulassungs- und Umlaufsteuern auf Basis des Energieverbrauchs zu strukturieren –  sowie eine distanzbasierte Pkw-Maut.

Aber auch auf kommunaler Ebene müssten drastischere Maßnahmen ergriffen werden. Basierend auf den Forschungsergebnissen reiche der Dortmunder Mobilitätsplan 2030 somit nicht aus, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Es müsse auch hier konsequent und restriktiv gegen das Auto vorgegangen werden – auch wenn dies in Teilen der Bevölkerung wohl kaum auf Gegenliebe stoßen würde.

So könnten z.B. Straßen- und Parkraum für andere Zwecke, wie Fuß- und Radwege verwendet werden. Durch die Ampelschaltung – wie das Paradebeispiel Kopenhagen zeige – könne dem Rad- gegenüber dem Autoverkehr konsequent der Vorrang gegeben werden.

Je mehr Zeit vergeht, desto drastischer müssen die Maßnahmen werden

Auf allen Ebenen, von kommunal bis bundesweit müssten die Anstrengungen zum Ausbau des ÖPNV erheblich erhöht werden. Außerdem sei auch auf kommunaler Ebene nötig, die Ladeinfrastruktur für E-Autos großflächig zu erweitern.

Zusammenfassend werde auch im Bereich Mobilität ersichtlich: Die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hätten sich zu lange zu wenig mit dem Klimawandel beschäftigt. Je mehr Zeit verstreiche, desto drastischer müssten die Maßnahmen sein, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abzuwenden.

Doch die Studie von Rudolph und seinen Kollegen zeigt auf, dass eine Transformation des Verkehrssektors mit der konsequenten Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen bis ins Jahr 2035 möglich ist.

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Weitere Informationen:

  • Homepage des Wupperinstituts, hier:
  • Studie „Der Weg zu einer CO2-freien Mobilität bis zum Jahr 2035“; hier:

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