André P. ist äußerlich ein klassischer Skinhead, wie es sie eigentlich gar nicht mehr so viele in der Dortmunder Neonaziszene gibt. Er erfüllt viele gängige Klischees – inklusive großen Aggressionspotenzials und offensichtlich fehlender Impulskontrolle.
Daher stand der 24-Jährige, der bei der Kommunalwahl als Direktkandidat für die Partei „Die Rechte“ in Scharnhorst angetreten ist, am Donnerstag vor Gericht. Gleich vier Verfahren sind aktuell gegen ihn vor dem Dortmunder Amtsgericht anhängig.
Großes Interesse an der Verhandlung – Sicherheit musste verstärkt werden
Entsprechend groß war das – auch mediale – Interesse am Prozess. Richterin Andrea Deiters wollte vier Verfahren bündeln, was der Dortmunder Rechts-Anwalt André Picker als Verteidiger von P. aber verhinderte.
So wurden zumindest am ersten Verhandlungstag „nur“ die Attacken gegen Journalisten verhandelt.
Folgen werden noch zwei Verfahren wegen Widerstands gegen Polizeibeamte – u.a. hatte der Angeklagte in Dorstfeld Gegenstände von einem Hausdach auf sie geworfen.
Doch es dauerte am Donnerstag mit dem Prozessbeginn. Schon vor der Sicherheitskontrolle kam es zu Pöbeleien gegen Medienvertreter durch die zahlreich erschienen Neonazis.
Vor dem viel zu kleinen Verhandlungssaal gab es zudem „angeregte Diskussionen“ zwischen Antifaschisten und Neonazis. Daher zog das Gericht mehrere Wachtmeister zum Schutz der Verhandlung sowie Teile einer Einsatzhundertschaft zur Wahrung von Recht und Ordnung im und vor dem Gerichtssaal zusammen.
Wegen des großen Besucherinteresses wurde die Verhandlung kurzfristig in einen größeren Saal des Schöffengerichts verlegt. Dennoch mussten viele Besucherinnen und Besucher mangels Sitzplätzen stehend oder auf dem Boden sitzend die Verhandlung verfolgen.
Angriff auf einen Reporter im Nachgang der Nazidemo am 23. August 2014 in der City
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Nachgang einer Kundgebung der Partei „Die Rechte“ am 23. August 2014 in der Dortmunder City einen Reporter mit Anlauf zu Boden gestoßen zu haben, nachdem er schon mehrere Medienvertreter beschimpft und bedroht haben soll.
Mehrere Augenzeugen – Journalisten und Polizisten – konnten die Attacke gegen den Reporter bestätigen. „Da steckte eine unglaubliche Kraft dahinter“ – mit beiden Händen habe er zugestoßen, so dass der Kollege „nach hinten kugelte“, sagte eine 46-Jährige Kamerafrau aus.
Die Tat erfolgte nicht aus einer Konfrontation heraus: „Ich habe gesehen, wie er sich aus der Menge löste, auf das Opfer zuging und mit beiden Händen schubste, so dass sich der Geschädigte nach hinten überschlug“, berichtete der Polizist, der auch die Anzeige des Reporters und der Zeugen vor Ort aufgenommen hatte.
Die Zeugen bestätigten auch die aufgeheizte und gereizte Stimmung der Neonazis am Tag der Demonstration: „Der Angeklagte hat mehrere Fotografen angebrüllt und dann den Kollegen zu Boden gestoßen“, bestätigte ein 36-jähriger Fotograf, der mit dem Opfer für dasselbe überregionale Medium arbeitet.
Angriff auf eine Reporterin nach einer Bürgerversammlung zur Flüchtlingsunterbringung in Eving
Dies ist aber nur einer von zwei Vorwürfen, die an diesem Tag gegen die Fachkraft für Lagerlogistik erhoben wurden.
Am 7. Januar 2015 hat er nach der Bürgerinfoversammlung in der Evinger Kirche – es ging um die Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Hauptschule – eine 46-jährige Journalistin attackiert, die regelmäßig über Neonazi-Aktivitäten in der Region berichtet.
Die Veranstaltung war massiv von Neonazis gestört und Zuhörer waren eingeschüchtert worden, ein Polizist wurde durch einen Neonazi schwer verletzt.
Auch Journalisten gerieten mal wieder ins Visier der Neonazis: Nach übereinstimmenden Schilderungen des Opfers und einer Zeugin hatte der 24-Jährige nach dem Verlassen der Kirche eine vor der Tür filmende Journalistin am Kragen gepackt, sie beschimpft und nach ihrem Handy gegriffen. Unklar blieb, ob er es ihr entreißen oder sie „lediglich“ am Filmen hindern wollte.
Fakt ist: dem kräftigen Neonazi gelang es nicht, der deutlich schmächtigeren Frau das Handy zu entreißen – falls er es denn wollte: „Er zog mit unglaublicher Kraft“, schilderte sie die Attacke. Aber loslassen wollte sie das Handy dennoch nicht. Nicht nur wegen des materiellen Wertes: Vor allem wegen der E-Mails, Kontakte und Fotos darauf habe sie nicht gewollt, dass das Smartphone in falsche Hände geriet.
Wortreiche Beschimpfungen – Verhandlung wird am 3. Juli fortgesetzt
Dafür bekam sie einige Beschimpfungen zu hören: Gefallen sein sollen die Worte „Fotze“, „Hure“, „dreckige“ und „Scheiß“ gab sie zu Protokoll. In welcher Kombination, daran konnte sich die so herabgewürdigte Journalistin nicht erinnern.
Auch der Angeklagte war sich nicht mehr sicher, was er im Eifer des Gefechts gesagt haben könnte. Aber entreißen wollen habe er ihr das Handy nicht, sondern nur runterdrücken – schließlich habe sie ihn die ganze Zeit fotografiert und auch beleidigt. Allerdings gab es dafür keine Zeugen.
Er ließ erst von seinem Opfer ab, als eine Zeugin mit dem Arm zwischen die Kontrahenten ging und versuchte, deeskalierend zu wirken. „Dann hat er losgelassen und sich von uns entfernt“, gab die 42-jährige Diplom-Pädagogin an, die den Vorfall aus nächster Nähe gesehen und dann eingegriffen hatte.
Eine abschließende Wertung der bisher erhobenen Vorwürfe und gehörten Aussagen hat die souverän agierende Richterin Andrea Deiters noch nicht vorgenommen. Denn am 3. Juli sollen weitere Zeuginnen und Zeugen gehört werden – dann wohl auch zu den anderen Verfahren.