Nicht aus festgestampftem verdichteten Lehm oder einem Steinpflaster besteht der älteste bekannte Weg, über den die Bürger*innen der Stadt, Händler oder auch Reisende, von Osten kommend, in das hochmittelalterliche Dortmund gelangten, sondern offensichtlich aus Eichenhölzern. Das haben jetzt aktuelle Ausgrabungen ans Licht gebracht. Den exzellent erhaltenen Bohlenweg am Ostentor konnten die Archäologen nun im Zuge der Fortsetzung der Schachtarbeiten für das neue Fernwärmenetz der DEW21 auf einer Fläche von circa acht Quadratmetern freilegen und dokumentieren.
In ein paar Jahren soll der Bohlenweg als Rekonstruktion im Museum erlebbar werden
Die Hölzer des Bohlenweges hatte man seinerzeit quer zur Fahrtrichtung verlegt und mit mittelgroßen Flussgeröllen verkeilt. So reduzierte sich das Risiko, dass die teils schwer beladenen Ochsenkarren durch ihr Gewicht die Hölzer auseinander schoben und die Räder sich zwischen den einzelnen „Bohlen“ verkeilten.
Bei den bis zu 1,90 m langen Eichenhölzern handelt es sich keineswegs um eigens für die Wegebefestigung gefällte und zugearbeitete Bohlen, wie der Name vermuten lässt. Vielmehr hatte man überwiegend, kosten- und ressourcensparend auf altes „Bauholz“ zurückgegriffen. Das belegen die verschiedenen Spuren an diesen sogenannten Spolien.
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Fachleute der Firma Archäologen Linnemann, Quenders und Partner (LQ-Archäologie) ein kleines Teilstück dieses Bohlenwegs freigelegt. Schon damals wurde aufgrund der Lage des Befundes „innerhalb“ des mittelalterlichen Ostentores und wegen der auffälligen Tiefe (etwa 1,80 Meter unter der Fahrbahn) diskutiert, dass es sich womöglich um einen älteren Weg handeln könne.
Ein Labor in Miami musste das Alter der Bohlen durch Radiokohlenstoffdatierung ermitteln
Da zu diesem Zeitpunkt die These nicht durch archäologische Funde in Form von Gefäßscherben, Münzen o.ä. gestützt werden konnte, ließ die Stadtarchäologie im Zuge der archäologischen Ausgrabung Holzproben für naturwissenschaftliche Untersuchungen bergen.
Die Hoffnung, über eine dendrochronologische (Datierungsmethode der Geowissenschaft, der Archäologie, der Kunstwissenschaft und der Dendroökologie, bei der die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden, Wikipedia) Auswertung auf das Fälldatum der Hölzer schließen zu können, erfüllte sich jedoch nicht.
Denn keine der Proben lieferte die erforderliche Mindestanzahl an Jahresringen, um eine sichere Aussage zum Alter der Hölzer treffen zu können. Um dennoch eine Datierung des Bohlenweges vornehmen zu können, wurden die Proben in ein Labor nach Miami geschickt, um dort mittels der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung das Holzalter zu bestimmen zu lassen.
Das Ergebnis ist eine Sensation und bestätigt die Vermutung der Fachleute, denn der Eichenbohlenweg wurde aus Hölzern errichtet, die in einem Zeitraum von 1116-1219 nach unserer Zeitrechnung (n.u.Z.) gefällt wurden bzw. mit einer Wahrscheinlichkeit von 34,9 Prozent sogar aus einer Zeit zwischen 1042-1108 stammen.
Bohlenweg ist älter als das bislang bekannte Ostentor!
Damit ist dieser archäologische Befund älter als alle bisher bekannten (Hell-)Wegtrassen im Bereich des Ostentores und auch womöglich älter als das Ostentor selbst. Denn erst 1255/56 n.u.Z. findet das Ostentor in einer historischen Quelle eine erste Erwähnung.
Bis zum jetzigem Zeitpunkt ist nicht geklärt, wie lange die Torburg vor diesem Datum bereits bestand und welche Größe diese dann besaß. Sicherlich wird die Toranlage in einer älteren „Ausbaustufe“ nicht den Ausmaßen des uns bekannten, knapp 50 Meter langen Tores entsprochen haben.
Naheliegend ist daher, dass der Bohlenweg in einem Zusammenhang mit einem älteren und kleineren Torwerk steht oder aber in eine Phase des hochmittelalterlichen Dortmund gehört, in der die Stadt bspw. nur durch eine einfache Wall-Graben-Struktur geschützt war.
Die Uhr tickt – Nach Freilegung des Bohlenweges darf nicht viel Zeit verstreichen
Dank des feuchten Bodenmilieus hat sich der Bohlenweg über die vergangenen Jahrhunderte sehr gut erhalten. Doch nun drängt die Zeit, denn jede Stunde, die das alte Holz an der Luft verbringt, sorgt für irreparable Schäden.
Trotz der intensiven Auslotung aller möglichen Alternativen ist der Erhalt dieses einzigartigen Bodendenkmals unter der Erde bauseits nicht möglich, weshalb die Stadtarchäologie gemeinsam mit der DEW21 die Bergung und Konservierung des Bohlenweges initiiert hat.
In den kommenden Tagen werden Archäologen daher die Konstruktion vorsichtig in ihre Einzelteile zerlegen. Steine und Holzelemente werden durchnummeriert und aufwendig vermessen, die Hölzer im Anschluss sicher verpackt zur Konservierung nach Schleswig in das Museum für Archäologie Schloss Gottorf gebracht. Dort verbleiben sie für mehrere Jahre in einem Konservierungsbad mit Polyethylenglykol (PEG). Nach und nach dringt diese Flüssigkeit in das Holz ein, „verdrängt“ das herkömmliche Wasser und macht das Jahrhunderte alte Eichenholz dauerhaft haltbar.
In ein paar Jahren dann wird auf Basis der modernen Dokumentationsdaten der mittelalterliche Bohlenweg wieder rekonstruiert, jedes Holzelement an seine ursprüngliche Position gesetzt und mit den zugehörigen Flusskieseln verkeilt. Auf diese Weise soll dieser einmalige Befund, der hochmittelalterlichen Bohlen-(Hell-)weg vom Ostentor, dann später für Besucher*innen im Museum erlebbar werden.
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Einzigartiger Bohlenweg aus dem Hochmittelalter ist Denkmal des Monats Mai 2021 (PM)
Einzigartiger Bohlenweg aus dem Hochmittelalter ist Denkmal des Monats Mai 2021
Der kürzlich vorgestellte Fund eines alten Holzbohlenweges am Ostwall konnte inzwischen durch das Team der Archäologen fast vollständig geborgen werden. Aufgrund seiner Bedeutsamkeit für die Geschichte dieser Stadt erklärt ihn die Untere Denkmalbehörde der Stadt Dortmund zum Denkmal des Monats Mai 2021. Wider Erwarten sind die Hölzer im Kern besser erhalten als erwartet. Die Archäologen stießen auf keine Probleme, die den Prozess der Bergung hätten erschweren können.
Nachdem die Fachleute die Eichenbohlen vorsichtig freigelegt und entnommen hatten, zeigte sich, dass sich unter diesen in der Tat eine Substruktion befand, die in diesem Fall nicht mehr gut erhalten ist. Man hatte damals im 11. Jahrhundert parallel zur Fahrtrichtung zwei lange Hölzer in den Lehm gelegt und darauf die Bohlen befestigt. Hinweise zur Art dieser Fixierung bzw. Befestigung konnten bisher trotz des sehr guten Erhaltungszustandes nicht dokumentiert werden.
Allerdings fanden sich zwischen den einzelnen Eichenbohlen kleinste Reste von Flechtwerk. Dieses hatte man über die Holz-Stein-Konstruktion gelegt und wahrscheinlich mit einer Lehmpackung bedeckt. So schaffte man seinerzeit einen relativ ebenen Untergrund und verringerte auf diese Weise deutlich die Erschütterungen beim Befahren des Bohlenweges.