Vorläufige Inobhutnahme: Dortmund braucht sechs Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Die Stadt richtet derzeit das ehemalige Kreiswehrersatzamt als Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) her.
Die Stadt richtet derzeit das ehemalige Kreiswehrersatzamt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge her.

Die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ist bei vielen Kommunen das beherrschende Thema. In Dortmund ist das nicht anders, wobei hier die Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) eine ganz besondere Herausforderung ist.

1150 UMF wurden vom Dortmunder Jugendamt in Obhut genommen

Die EAE Hacheney ist dramatisch überbelegt - viele Familien bekamen keine Betten mehr.
Neben den kommunalzugewiesenen Flüchtlingen muss die Stadt auch UMF in Obhut nehmen.

Denn Dortmund belegt in Nordrhein-Westfalen den absoluten Spitzenplatz, was diese spezielle Zielgruppe angeht.

Bisher war es so, dass diese alleinreisenden Jugendlichen ohne Erziehungsberechtigten in der Stadt vom Jugendamt in Obhut genommen werden und unterbracht werden müssen, wo sie erstmals registriert werden.

Durch die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Dortmund ist das in sehr vielen Fällen die Ruhr-Metropole. Anders als bei erwachsenen Flüchtlingen werden diese nicht auf andere Kommunen verteilt. Das sorgte für einen besonderen Druck in Dortmund.

Aktuell sind rund 1150 Flüchtlings-Jugendliche in Dortmund in Obhut des Jugendamtes. 80 bis 100 neue UMF kommen pro Woche dazu.

Neuregelung lässt seit dem 1. November Umverteilungen von Jugendlichen zu

Seit dem 1. November gelten allerdings andere gesetzliche Reglungen. Eine Umverteilung ist jetzt unter bestimmten Voraussetzungen möglich Für Dortmund ist daher nun eine Entlastung in Sicht.

Die neuen Regelungen sehen vor, dass ab sofort auch „vorläufige“ Inobhutnahmen möglich sind. Die Jugendlichen könnten dann auch auf andere Städte verteilt werden. Das würde Dortmund entlasten. Denn die Unterbringung der Jugendlichen gemäß der Jugendhilfestandards ist kaum mehr möglich. Außerdem fehlt das Personal.

Jugendamt plant mit sechs Einrichtungen für die vorläufige Inobhutnahme

Für die vorläufige Inobhutnahme richtet das Jugendamt derzeit spezielle Einrichtungen ein. Vier Einrichtungen sind bereits am Netz bzw. im Aufbau: Zwei große Häuser in Dorstfeld und in der Innenstadt (das ehemalige Kreiswehrersatzamt wird dafür genutzt) sowie zwei kleine Häuser in Hombruch und Lütgendortmund.

Zwei weitere Einrichtungen befinden sich noch in der Projektierung. Insgesamt 400 Plätze will die Stadt für die vorläufige Inobhutnahme vorhalten. Wenn das neue System funktioniert, könnte Dortmund die hohe Zahl von 1150 Jugendlichen schrittweise „abschmelzen“.

Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau kritisiert Horst Seehofer scharf

Allein im Juni 2015 wurden mehr als 53.000 Flüchtlinge durch die EAE Hacheney geschleust.
Dortmund ist durch die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes zur einem UMF-Hotspot geworden.

Allerdings nur dann, wenn jemand auf Bundes- und NRW-Ebene den Bayern auf die Finger klopft. Scharf hat Dortmunds OB Ullrich Sierau den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) kritisiert.

„Seehofer meint, alle UMF durch die Republik schicken zu können. Die Rechtslage ist nicht so außer Kraft gesetzt worden, dass nun alle Jugendlichen nach Dortmund kommen müssen“, so Sierau.

Nachdem mehrere Busse mit Jugendlichen aus Bayern in Dortmund ankamen, hat die Stadtspitze die Landesregierung eingeschaltet. Der Innenminister wurde involviert. Außerdem war auch am Dienstag die zuständige Stadträtin Daniela Schneckenburger zu Gesprächen in Düsseldorf.

Denn eine Umverteilung war eigentlich dafür gedacht, auch Umlandkommunen mit der Betreuung von UMF beauftragen zu können. Das Landesjugendamt ist für die Verteilung zuständig.

Eine „Kinderlandverschickung“ durch die gesamte Republik, mit der sich Bayern auf Kosten von anderen Bundesländern – insbesonders NRW – entlastet. „Seehofer kann nicht auf dem Rücken von UMF machen, was sich nicht gehört“, so Sierau.

Klare rechtliche Voraussetzungen für eine Umverteilung von Jugendlichen

Am Sonntag werden in Dortmund drei Flüchtlingszüge erwartet. Der erste Zug brachte 800 Menschen, die im DKH versorgt und dann landesweit verteilt wurden.
1150 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sind derzeit in Dortmund. Fotos: Alex Völkel

Denn eine Verteilung kommt eigentlich nur nach einer eingehenden Prüfung in Frage.

So muss das Jugendamt nach der Altersfeststellung ein Erstgespräch führen, ärztliche Untersuchungen inklusive Röntgen veranlassen, prüfen, ob es Verwandte in Deutschland oder anderen EU-Ländern gibt oder ob es andere Gründe gibt, bei denen eine Weiterverteilung das Kindeswohl gefährden würden.

Dies alles muss binnen von einer Woche erfolgen. Erst dann kann die Stadt die Jugendlichen zur Umverteilung anmelden. Die Verteilung soll dann binnen von vier Wochen erfolgen – wenn das neue System denn funktioniert.

Das Problem: „Es gibt auch Jugendämter, die den Begriff UMF noch nicht gehört haben“, formuliert Sierau spitz die Herausforderung. Wann das neue System reibungslos funktioniert, bleibt abzuwarten.

Solange muss sich Dortmund um die Unterbringung dieser besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge kümmern. Allerdings sind es nicht die Einzigen: 5300 kommunal zugewiesene Flüchtlinge leben derzeit in Dortmund.

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