Die Aufführung musste aufgrund von Protesten abgebrochen werden

Dokumentarfilm „Screams before silence“ sollte die sexualisierte Gewalt der Hamas thematisieren

Der Kinosaal im Dortmunder U-Turm sollte ein safe space sein. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Im Kino des Dortmunder U sollte am Mittwochabend (4. September 2024) der Dokumentarfilm „Screams before silence“ gezeigt werden. Er thematisiert die sexualisierte Gewalt der terroristischen Hamas am 7. Oktober 2023. Die Filmaufführung musste abgebrochen werden, antiisraelische Protestierende sorgten für grobe Störungen, der Feueralarm wurde ausgelöst, das Gebäude evakuiert. Der Vorfall wurde auf TikTok gestreamt.

Filmaufführung sollte Gewalt an Frauen durch islamistische Hamas thematisieren

Während der Angriffe der Hamas vom 7. Oktober auf israelische Städte und auf das Nova Music Festival wurden Frauen und Mädchen vergewaltigt, angegriffen und verstümmelt. Entlassene Geiseln haben angegeben, dass auch israelische Gefangene in Gaza sexualisierte Gewalt erlitten. Trotz vieler Belege hierfür wurden diese Taten von Menschenrechtsgruppen und internationalen Organisationen nur wenig überprüft. Teilweise wurde sogar versucht, sie zu relativieren oder sogar zu leugnen.

In „Screams Before Silence“ (z.D.: „Schreie vor der Stille“), einem 60-minütigen, moderatorischen Dokumentarfilm, interviewt Sheryl Sandberg, ehemalige COO von Meta und Gründerin von LeanIn.org, mehrere Augenzeugen, freigelassene Geiseln, Ersthelfer, medizinische und forensische Experten sowie Überlebende der Hamas-Massaker. Der Film enthält zum Teil drastische Schilderungen von Betroffenen von sexualisierter Gewalt, allerdings kein Bildmaterial entsprechender Taten.

Am Mittwochabend sollte der Film im „Kino im U“ gezeigt werden. Die Veranstaltung wurde organisiert von der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund in Kooperation mit dem Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund.

Nach Auslösen des Feueralarms musste das Publikum evakuiert werden

Allerdings konnte der Film aufgrund von Störungen nicht gezeigt werden. Als Mitveranstalter möchte das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus hierzu Stellung beziehen und kurz die Geschehnisse darstellen:

Das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund ist ein Zusammenschluss verschiedener Akteure.

Bereits bei der Einlassphase zu dem Film zeichnete sich ab, dass neben regulären Besucher:innen auch Personen den Kinosaal betraten, die wir dem Milieu des anti-israelischen Aktivismus zurechnen und hierdurch eine unübersichtliche Situation entstand.

Kurz vor Beginn der Vorführung des Filmes wurde ein Feueralarm im Dortmunder U ausgelöst, der dazu führte dass alle Personen das Gebäude verlassen mussten und zu einem Sammelpunkt evakuiert wurden. Dieser Feueralarm wurde unseren Informationen zufolge höchstwahrscheinlich durch einen manipulierten Rauchmelder in den Toiletten ausgelöst.

Social-Media Streamer veröffentlicht Videos des Vorfalls auf TikTok

Während der Evakuierung wurde deutlich, dass ein anti-israelischer Social-Media-Aktivist das Geschehen via TikTok streamte. Dieser hatte offenbar – wie im Nachgang erkennbar wurde – auch wenige Tage zuvor über seinen TikTok-Account dazu aufgerufen, den Film in kritischer Absicht zu besuchen.

Nachdem die Feuerwehr keinen Brand feststellen konnte, gelangten alle Besucher:innen wieder in den Kinosaal. Bereits an dieser Stelle stand für uns fest, dass wir den Film zu einer solchen Thematik unter derartigen Bedingungen nicht zeigen können und wollen.

Einzelne Personen, die wir eindeutig als potenzielle Störer*innen identifizieren konnten, darunter auch besagter Streamer, wurden zunächst von uns auf Basis des Hausrechts zum Verlassen des Saals aufgefordert. Dieser kam der Streamer erst unter Hinzuziehung der Polizei nach.

Protestierende skandieren „free palestine“, als Filmvorführung abgebrochen wird

Bevor er jedoch von der Polizei hinaus begleitet werden konnte, zog er eine am Körper versteckte Palästina-Fahne hervor, wandte sich an das Publikum und hielt eine kurze Ansprache, in dem er u.a. von einen vermeintlichen „Genozid in Gaza“ sprach, auf die er vehementen Widerspruch aus dem Publikum erhielt. Daraufhin verließ er unter Protest das Gebäude.

Immer wieder gibt es pro palästinensische Proteste. Foto: Paulina Bermúdez

In Folge erließ die Leitung des Hauses aufgrund des Feueralarms und der unklaren Sicherheitslage eine Absage der geplanten Filmvorführung, sodass die Veranstalter:innen dem Publikum mitteilen mussten, dass der Film nicht gezeigt werden kann.

Daraufhin brach ein Teil des Publikums, in Gejohle aus und skandierte u.a. „Free Palestine“. Sämtliche Personen mussten dann endgültig das Gebäude verlassen. An dieser Stelle war eine Vorführung des Filmes nicht mehr möglich.

Angst und Hass in einem vermeintlichen „safe space“

Wir sind entsetzt, dass ein Film, welcher sexualisierte und antisemitische Gewalt im Zuge des Massakers der Hamas thematisiert, von anti-israelischen Aktivist:innen gestört wurde. Es ist bezeichnend, dass diese Gruppe sich eine Veranstaltung zum Ziel ausgesucht hat, die Berichte und Interviews mit Opfern der Ereignisse vom 7. Oktober 2023 zeigt.

Auf diese Weise wird der Terror der Hamas sowie sexualisierte Gewalt verharmlost und die Erfahrungen der Betroffenen in Abrede gestellt. Für die Gruppe der Störer:innen scheint die Thematisierung der Gräueltaten der Hamas eine kaum zu ertragende Provokation zu sein, so als dürfe es nichts geben, was ihre schematische Einteilung der Welt in Gut und Böse in Frage stellt. Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht eindeutig antisemitisch motiviert.

Zusätzlich hat die Störaktion aufgrund des Inhalts des Filmes eine frauenfeindliche Dimension, da sich diese auch gegen die Erfahrungen von Frauen richtet, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Nicht zuletzt wurde der Kinosaal in diesem Moment zu einem unsicheren Ort für anwesende  Betroffene antisemitischer und sexualisierter Gewalt.

Filmvorführung soll schnellstmöglich nachgeholt werden

Wir sind enttäuscht, dass wir durch das Geschehen den Ort nicht sicher halten konnten und den tatsächlich am Film interessierten Besucher*innen die Möglichkeit, den Film in Ruhe zu schauen, nicht bieten konnten.

Israelbezogener Antisemitismus wird immer sichtbarer – auch in Dortmund. Foto: Alexander Völkel

Wir stellen fest, dass diese Aktion für Dortmund eine neue Qualität darstellt, die auch damit zusammenhängt, dass das Milieu des anti-israelischen Aktivismus immer enthemmter auftritt und anscheinend kaum eine Gelegenheit auslässt, um ihre antisemitischen Einstellungen in die Öffentlichkeit zu tragen und damit andere Personen zu gefährden.

Wir werden aus diesen Geschehnissen entsprechende Konsequenzen ziehen und gegen die uns bekannten beteiligten Personen rechtlich vorgehen. Ebenso kündigen wir an dieser Stelle an, uns von der Störaktion nicht einschüchtern zu lassen und so schnell wie möglich eine Wiederholung der Filmvorführung zu organisieren.“


Ein Kommentar von Paulina Bermúdez:

Austausch und Diskussionen sind wichtige Bestandteile meines Verständnisses von einem demokratischen Miteinander: Gegensätzliche Haltungen zu haben, darüber zu sprechen, dem Gegenüber einen Raum zu geben, Verständnis für die Gegenseite auf- und eigene Vorurteile abzubauen ist unerlässlich.

Vorfälle, wie der im Dortmunder „Kino im U“, haben allerdings nichts mit unterschiedlichen Meinungen zu tun, sondern sind das Ergebnis eines starken Gefühls, dem Hass. Und es lässt sich immer häufiger beobachten, dass eben dieser Hass auftritt.

Wie beim CSD in Bautzen, wo rund 400 Rechtsextreme Regenbogenflaggen anzündeten, ihren Vernichtungsfantasien Raum gaben. Wie bei den Landtagswahlen, wo eine Partei stärkste Kraft wurde, von deren Wähler:innenschaft rund 36% Gewalt gegen andersdenkende Politiker:innen gerechtfertigt sieht. Wie in Thüringen, wo der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald regelmäßig Morddrohungen erhält. Wie in Berlin, wo jüdischen Studierenden der Eintritt in ein Universitätsgebäude verwehrt wurde. Wie über all in Deutschland, wo Menschen aufgrund von Hass Opfer von Gewalt werden.

Das Ziel ist klar: Ängste schüren, den Gegenüber niederbrüllen, einschüchtern, mundtot machen. Das ist kein Meinungsaustausch, das ist das Ende der Meinungsfreiheit.

Der 7. Oktober 2023 ist mit Worten kaum zu beschreiben. Es ist der Tag, an dem die terroristische, islamistische Hamas so viele Jüdinnen und Juden massakrierte oder verschleppte, wie seit der Shoa, wie seit dem Holocaust, nicht mehr.

Und seither hört das Elend nicht mehr auf: Israelis bangen um die Geiseln, ihre Angehörigen, die in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die dort gefoltert, ermordet werden. Sie bangen um ihre Sicherheit, die Sicherheit des einzigen Staates, in dem Jüdinnen und Juden geschützt leben können.

Zeitgleich sterben die Menschen im Gazastreifen im Bombenhagel, in Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Geflüchtetenunterkünften, die von der Hamas als militärische Stützpunkte genutzt werden. Die humanitäre Lage ist katastrophal, das Leid groß. 

Und ja, die rechtsextreme israelische Regierung fällt immer wieder mit menschenfeindlichen Aussagen auf. Palästinenser:innen werden vertrieben. Berichte über Folter palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen werden publik. Die israelische Kriegsführung ist brutal.

Aber auch das an den Gazastreifen angrenzende Ägypten nimmt keine fliehenden Palästinenser:innen auf, schließt die Grenzen, aus Angst vor Terrorismus. Israel wird auch aus Syrien und dem Libanon heraus angegriffen und befindet sich geopolitisch in der Nähe anderer großer Islamistischer Player, wie der Hisbollah, dem iranischen Regime oder der türkischen Erdogan-Regierung, die allesamt selbsternannte Antisemiten sind.

Diese Gleichzeitigkeit des Leids, die Parallelität von Perspektiven, die Komplexität des Konflikts muss anerkannt werden. Zeitgleich kann und muss Kritik laut werden.

Nur – und das ist mir wichtig zu betonen – hat das alles nichts mit der Filmaufführung am Mittwochabend zu tun. Dort sollten Frauen im Vordergrund stehen. Ihnen sollte endlich zugehört werden. Den blutverschmierten Frauenleichen, die am 7. Oktober entblößt unter Jubel zur Schau gestellt wurden. Die vergewaltigt, geschändet, ermordet wurden.

Von frauenfeindlichen Islamisten, die das palästinensische Volk unterdrücken, instrumentalisieren und regelrecht ausbluten lassen. Nur um ihr Ziel, einen islamistischen – nein, nicht einen freien palästinensischen – Staat zu errichten, um jeden Preis erreichen wollen.

Wer dagegen protestiert, diese unerträglichen Geschehnisse zu thematisieren, dem Gegenüber die Erfahrungen abspricht und daran hindert, diese zu Teilen, ist nicht pro-palästinensisch, sondern solidarisiert sich mit den extremistischen Werten der Hamas und trägt zur weiteren Spaltung bei. 

Ich bin wütend und ratlos darüber, wie wir als Gesellschaft wieder lernen können zusammenzukommen, zuzuhören, wie wir wieder lernen, zu differenzieren. Gleichzeitig frage ich mich: Was muss eine Demokratie alles aushalten? Und wie weit sollen Diskurse noch verschoben werden? 

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Reaktionen

  1. Elmar

    Ich finde, die Stadt Dortmund muss mehr gegen den palästinensischen Antisemitismus tun. Zuerst muss gegen das pro Palästina Camp sprich: pro Hamas Camp an der Universität vorgegangen werden.Immerhin ist eine von Dortmunds Partnerstädten Netanya in Israe lund Dortmund verleiht den geachteten Nelly Sachs Preis.

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