Die Nordstadt könnte eine zweite Gesamtschule bekommen. Darin würden die fusionierte (Haupt-) Schule am Hafen mit ihren beiden Standorten sowie die Gertrud-Bäumer-Realschule aufgehen. Im Januar soll das im Schulausschuss ausführlich diskutiert werden.
Anne-Frank-Gesamtschule und Helmholtz-Gymnasium bleiben unverändert
Einen Vorgeschmack gab es dazu schon in der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt-Nord sowie zeitgleich im Schulausschuss. Einige BV-Mitglieder – darunter Cornelia Wimmer (Linke & Piraten) und Nikolai Schäfer vom Integrationsrat – hatten in den vergangenen Monaten eigene Vorschläge erarbeitet. Mittlerweile haben sie sie dann an die bisher nicht öffentlich diskutierten Pläne aus der Schulverwaltung angepasst.
Die bisher mit Schulverwaltungsamt, Bezirksregierung und Fraktionsvertretern diskutierten Pläne sehen vor, die Anne-Frank-Gesamtschule und das Helmholtz-Gymnasium unverändert zu lassen. Beide haben bisher jeweils vier Züge. Auch für die Grundschulen (Primarstufe) müsste sich nichts ändern.
Zwei Standorte für die Sekundarstufe und ein Standort für die Oberstufe
Die beiden verbliebenen und zur Schule am Hafen fusionierten Hauptschule sowie die Gertrud-Bäumer-Realschule sollen – sofern es den politischen Willen dafür in Dortmund und die Zustimmung dafür aus Arnsberg gibt – die Standorte für eine neue Gesamtschule geben.
Einer der drei Standorte würde dann zum Zentrum für die Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe). Die beiden anderen Standorte würden insgesamt eine sechszügige Sekundarstufe I (Klassen 5-10) bilden.
Fraglich ist noch, ob an beiden Standorten jeweils die Klassen 5 bis 10 unterrichtet werden oder ob es auch hier eine Zentrenbildung geben soll – also einen für die Klassen 5-7 und einen für die Klassen 8-10.
Langer Diskussions- und Entscheidungsprozess ist nötig
Schuldezernentin Daniela Schneckenburger bestätigte auf Nachfrage der Nordstadtblogger, dass es erste Gespräche mit Arnsberg gegeben habe und ein solches Modell im Prinzip genehmigungsfähig sei.
Allerdings sei es bis dahin ein langer Weg. Der Schulausschuss soll sich im Januar 2016 intensiv mit dem Für und Wider eines solchen Modells beschäftigen. Wenn er eine solche Einrichtung empfiehlt, würde gemeinsam mit den Schulen, Fachleuten und der Bezirksregierung ein genehmigungsfähiges Konzept erarbeitet.
Der Rat müsste dann bis zum 31. Oktober 2016 darüber entscheiden, damit dann im Anschluss die Bezirksregierung über die Neuordnung der Schullandschaft in der Nordstadt entscheidet.
Die betroffenen Schulen werden am Diskussionsprozess beteiligt
Sollte diese endgültige Prüfung positiv ausfallen, könnte die neue Gesamtschule mit den drei Standorten entstehen. Während des Prozesses werden die bisherigen Schulen in einer pädagogischen Planungsgruppe beteiligt.
Auch die Bezirksvertreter sind an einer Beteiligung am Diskussionsprozess interessiert. „Wir versuchen unsere Vorstellungen, wie Schulen im Norden funktionieren können, einzubringen“, machte Wimmer deutlich. „Damit es nicht nur ein Umhängen von Türschildern, sondern einen Neuanfang gibt.“
Ganztagsbetrieb an den drei neuen Standorten wäre die Folge
Zwar würde es für die neue Gesamtschule kein neues Gebäude geben. Dennoch müssten Investitionen erfolgen. Denn eine neue Gesamtschule hätte einen Ganztagsbetrieb.
Daher müsste auch eine Verpflegung für die Schülerinnen und Schüler her. Doch Schulkantinen bzw. eine Mensa sind an den bisherigen drei Schulstandorten nicht vorhanden.
In der BV-Sitzung gab es von Wimmer und Schäfer eine ganze Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen.
Doch in eine ausführlichere Diskussion wollte die BV jetzt noch nicht einsteigen: „Wir können hier ja keine Änderungen beschließen zu etwas, was noch garnicht vorliegt“, betonte Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder.
Bezirksvertetung will Schulverwaltung und Schulen in die Sitzung einladen
Dazu wollen die BV-Mitglieder erst Vertreter der Schulverwaltung und der Schulen hören und sie nach Möglichkeit in die BV einladen.
„Denn beide Modelle haben Vor- und Nachteile, das sollte mit den Schulleitern erörtert werden“, fand Brigitte Jülich (SPD). „Das möchte ich von den Praktikern hören und ungerne ohne die betroffenen Schulleiter machen.“
Die hätten sich in den vergangenen Jahren als kommunikativ erwiesen und dem Gremium auch ihre Modelle vorgestellt.
Ziel müsse es sein zu klären, was das Beste für die Kinder des Stadtbezirkes sei. Dazu gehörten auch kleinere Klassengrößen. „Ein Runterfahren auf 18 wäre machbar, aber Wunschdenken. Unsere Haushaltslage ist beschissen und daher werden wir keinen Schulneubau erleben“, so Jülich. Daher müssten sie sehen, ob neue Konzepte in vorhandenen Räumen umgesetzt werden könnten.
Auch Dorian Marius Vornweg (CDU) würde gerne mehr von den Praktikern hören, erhofft sich aber nicht viel davon: „Nicht weil die Schulleiter es nicht können, sondern weil sie es nicht dürfen. Schulleiter können dienstrechtlich nicht von der Verwaltungsvorlage abweichen.“
Handlungsbedarf: Nur halb so viele türkische wie deutsche Kinder machen Abitur
Doch der Handlungsbedarf sei groß, erinnerte Schäfer: Nur 14,3 der türkischen Migranten, aber 28,8 Prozent der Deutschen machten Abitur.
„Wir können nicht immer nur von Potenzialen reden und sie dann nicht heben“, betonte der Integrationsrats-Vertreter Nikolai Schäfer – früher selbst Lehrer an der Anne-Frank-Gesamtschule – deutlich. „Wir müssen die Kinder fördern, sonst kriegen wir den Hintern in der Nordstadt ja nicht hoch.“
Reaktionen
CDU-Fraktion
CDU-Kritik: Weder Wahlfreiheit noch ausreichend Klassen in der Nordstadt!
Den Entwurf der Schulverwaltung für die Umgestaltung der Schullandschaft in der Nordstadt kritisiert die CDU-Fraktion vehement.
Haupt- und Realschule sollen zu einer neuen Gesamtschule fusioniert werden. Da eine Gesamtschule zwingend eine eigene Oberstufe bereithalten und räumlich unterbringen muss, verliert die Nordstadt als kinderreichster Stadtteil Dortmunds 3 Züge in der Mittelstufe, die dort aber dringend benötigt würden.
Auch besteht kein Handlungsbedarf: Haupt- und Realschule in jetziger Form sind langfristig in ihrer Existenz gesichert – das hat die eigens von der Stadt in Auftrag gegebene Befragung von Eltern ergeben, deren Kinder derzeit die Grundschulen im Stadtbezirk besuchen.
Beide Schulen genießen dank der engagierten Arbeit der Kollegien einen hervorragenden Ruf. Lediglich ein Viertel der Eltern wünscht laut Befragung für die eigenen Kinder eine Gesamtschule als weiterführende Schule. Mit den Plänen der Verwaltung werden jedoch alle Kinder, die nicht das Gymnasium besuchen, in eine solche Schule gedrängt.
Für die CDU zeigt sich deutlich: „Entgegen dem erklärten Elternwillen und ohne Rücksicht auf realistische Bedarfszahlen wird hier aus rein ideologischen Gründen die Axt einmal mehr an das mehrgliedrige Schulsystem gelegt.“
Erstaunlicher Weise hat die Leiterin des Schulverwaltungsamtes sich noch am 25. Juni in der Presse so geäußert: „Wir sind froh, dass Hauptschulen erhalten geblieben sind“ und „Die Bedarfslage gibt keine weitere Gesamtschule her.“ Warum jetzt eine Entscheidung im Sinne der Ideologie und gegen Bedarf und Elternwunsch gefällt wird, wird wohl nur die Schulverwaltung selbst wissen.
„Für uns ist klar, dass wir einer solchen Vorlage nicht zustimmen können, zudem muss hier noch für viel Klarheit im Detail gesorgt werden“, so die schulpolitische Sprecherin Dr. Eva-Maria Schauenberg.
Auf welcher Basis erfolgte die mit der Zulassungsbehörde abgestimmte Prognose der Schülerzahlen?
Was gibt zu der Annahme Anlass, dass die Schülerzahlen in der Mittelstufe im Vergleich zum jetzigen Zeitpunkt drastisch sinken?
Gab es bisher einen so deutlichen Engpass an Plätzen in der gymnasialen Oberstufe der Nordstadt, dass sich neben der Oberstufe des Gymnasiums die Oberstufen zweier Gesamtschulen rechnen?
Welche Haupt- und welche Realschule(n) in den angrenzenden Stadtbezirken haben noch Aufnahmekapazitäten für (wie viele) Kinder aus der Nordstadt, die eine Schule der entsprechenden Schulform besuchen möchten?
Ist sichergestellt, dass Kinder, die eine Haupt- oder Realschule außerhalb der Nordstadt besuchen in jedem Falle ein Schokoticket erhalten – oder hängt Schulwahlfreiheit à la Rot-Grün am Geldbeutel der Eltern?