Von Tomas Sager
Die Dortmunder Filiale der Neonazi-Partei „Die Rechte“ bejubelt ihren Propagandacoup. „Nicht nur ganz Dortmund, sondern die gefühlte, halbe Bundesrepublik“ spreche über die „symbolische Besetzung der Reinoldikirche“, feiern die Neonazis ihre Aktion vom vorigen Freitag.
Parolen gegen angebliche Islamisierung wurden von Kirchenglocken übertönt
Acht ihrer braunen „Kameraden“ – sieben Männer aus Dortmund, Wuppertal, Düsseldorf und Chemnitz, zwischen 24 und 38 Jahren alt, sowie eine 26-jährige Dortmunderin – hatten sich auf dem Turm der Kirche in der Dortmunder City verbarrikadiert.
Sie hängten ein meterlanges Transparent mit der Aufschrift „Islamisierung stoppen!“ über die Brüstung, zündeten Bengalos, schossen Feuerwerk in den Himmel.
Dass sie auch noch versuchten, per Megafon Reden zu halten, kam unten, wo hunderte BesucherInnen zwischen den Weihnachtsmarktständen schlenderten, schon nach kurzer Zeit nicht mehr an, da die spontan von Pfarrerin Susanne Karmeier eingeschalteten Kirchenglocken alle Parolen übertönten.
Jede Menge Schlagzeilen waren der Neonazitruppe dennoch gewiss, die einen „durchschlagenden PR-Erfolg“ konstatierte.
Und das bei durchaus überschaubaren rechtlichen Risiken. Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz und eine Störung der Religionsausübung wird den acht „Besetzern“ vorgeworfen.
Im Laufe der Ermittlungen dürfte die Liste jedoch zusammenschmelzen. Nicht umsonst studieren einige aus der Riege der Neonazi-Partei Jura, und gerne bedient man sich dort auch vorbeugend der Expertise von Rechtsanwälten.
Gänzlich ungeschoren dürfte das „Bodenpersonal“ der Turmbesetzer davonkommen. Einige waren von der Polizei zur Verhinderung weiterer Straftaten in Gewahrsam genommen worden.
Sie wurden unter anderem vom Ex-Chef der Dortmunder Feuerwehr, Klaus Schäfer (61) zur Wache begleitet, der sich seit seiner Pensionierung immer unbefangener mit Neonazis gemein macht.
Die Dortmunder Szene ist zwar noch stark, aber kein Trendsetter mehr
Doch trotz aller parteioffiziellen Jubelmeldungen über Kirchturmsbesteigungen: Was wie ein Erfolg Dortmunder Neonazis wirkt, verdient diese Bezeichnung nur mit Einschränkungen. Dortmunds tiefbraune Szene ist zwar nach wie vor die stärkste im Westen der Republik – doch die Zeiten, da sie Trends setzte, sind vorbei.
Vor zehn Jahren war das noch so, als das Phänomen der „Autonomen Nationalisten“ im Ruhrgebiet vorangetrieben wurde. Oder auch noch vor vier Jahren, als der „Nationale Widerstand Dortmund“ verboten wurde und seine Anhänger es schafften, einfach unter dem Label einer Partei weiterzumachen.
Aber die Musik spielt inzwischen anderswo. Eine Zeitlang lief „Die Rechte“ bei Pegida-Veranstaltungen in NRW mit. Doch dort war rasch die Luft raus, und längst nicht allen Pegida-Gängern war die braune Gesellschaft willkommen. Dortmunds „Rechte“ organisierte in der Folge eigene, regelmäßige Veranstaltungen gegen Migranten und Asyl. Sonderlich erfolgreich war das nicht.
Besetzung des Turms der Reinoldikirche war ein geklauter PR-Coup der „Identitären Bewegung“
Ein paarmal suchte man die Nähe zu rechten Hooligans. Doch auch das versandete. Die Kirchturmaktion war ebenfalls abgekupfert. Als Vorbild diente die „Identitäre Bewegung“. Sie hatten nur wenige Tage vorher ein Riesenbanner an der Münchener Frauenkirche aufgehängt.
Es war nicht deren erste Aktion dieser Art: Ihre Anhänger versuchen an möglichst symbolträchtigen Orten, sei es das Brandenburger Tor oder der Balkon einer Parteizentrale, kurze Aktionen durchführen – immer darauf hoffend, dass Medien die News weitertragen und man selbst Bilder produzieren kann, die via Sozialer Medien verbreitet werden.
Dem Anspruch von Neonazis, dass Veranstaltungen mit Action verbunden sein sollten, kommen derlei Rechts-Events entgegen: „Verdammt geil“ sei die Dortmunder „Besetzung“ gewesen, resümiert „Die Rechte“. Von den meisten anderen Aktivitäten kann man das nicht sagen.
Parlamentarische Arbeit – schließlich stellt die Partei ein Ratsmitglied in Dortmund? Öde und langweilig – auch wenn Stadtvertreter Michael Brück es mal schafft, zur Begeisterung der eigenen Klientel ein Hitler-Zitat in seine Haushaltsrede einzubauen. Kundgebungen wie die nächste – von Schäfer angemeldet – am Donnerstagabend oder Demonstrationen wie die am 24. Dezember, die zum Polizeipräsidium führen soll: Rituale, die das eigene Publikum nicht mehr begeistern.
„Die Rechte“ hat ihre Kandidaten für die Landtagswahl benannt – Daniel Grebe könnte die Wahl hinter Gittern erleben
Im nächsten Jahr ist Wahlkampf angesagt. Dabei weiß „Die Rechte“ schon jetzt, dass „der Antritt – gemessen an der aktuellen ,Konkurrenz‘ im politischen Lager ,rechts der CDU‘ – auf Landesebene sicherlich nicht zu einem Prozentergebnis führen wird, welches Rekorde zu sprengen vermag“. Man wolle aber „radikalen Protest gegen die herrschenden Zustände und den antideutschen Zeitgeist“ ausdrücken.
Zuletzt, vor der Bundestagswahl 2013 hatte das so ausgesehen, dass der „Spitzenkandidat“ der Partei demokratischen Politikern indirekt den Tod androhte, dass bei „Wahlkampfdemonstrationen“ der „Straßenkampf“ gefordert wurde, dass bei einer Demo vier Gegendemonstranten und ein Polizeibeamter durch den Wurf eines Sprengkörpers verletzt wurden, dass Wahlplakate mit dem Konterfei des Holocaust-Leugners Horst Mahler aufgehängt wurden und das 25-Punkte-Programm der NSDAP als Vorbild diente.
Das Dortmunder Kandidatenpersonal ist entsprechend. Auf Platz 2 der „Rechte“-Liste zur Landtagswahl und als Direktkandidat tritt Siegfried („SS-Siggi“) Borchardt an, dessen Vorstrafenregister abendfüllend ist. Auf Listenplatz 3 wurde Daniel Grebe gewählt. Das Dortmunder Landgericht verurteilte den Scharnhorster Bezirksvertreter im März 2016 wegen Landfriedensbruchs und weil er einem Piraten-Politiker eine Flasche an den Kopf geworfen hatte, zu 22 Monaten Haft. Inzwischen ist das Urteil rechtskräftig. Gut möglich, dass er den Wahltag hinter Gittern erleben wird.
Der Beitrag von Tomas Sager erschein zuerst auf blicknachrechts.de
Die Dortmunder Direktkandidaten:
- Im Wahlkreis Dortmund I (Stadtbezirke Innenstadt-West, Huckarde und Mengede) wurde Stadtrat und Bezirksvertreter Michael Brück nominiert.
- Im Wahlkreis Dortmund II (Stadtbezirke Innenstadt-Nord, Innenstadt-Ost und Eving) tritt Siegfried Borchardt an.
- Im Wahlkreis Dortmund III (Stadtbezirke Scharnhorst, Brackel und Aplerbeck) kandidiert Matthias Deyda.
- Im Wahlkreis Dortmund IV (Stadtbezirke Hörde, Hombruch und Lütgendortmund) tritt André Hülsmann an, der bei der vergangenen Kommunalwahl nur mit wenigen Stimmen am Einzug in eine Bezirksvertretung scheiterte.
Klaus Schäfer instrumentalisiert Berliner Anschlag
Die Instrumentalisierung und der Missbrauch von Terroranschlägen wie in dieser Woche in Berlin geht weiter. Für den heutigen Donnerstag, 22.12.2016, hat der ehemalige Feuerwehrchef Klaus Schäfer von 20 bis 22 Uhr eine Kundgebung in der Katharinenstraße angemeldet.
Das Thema seiner Mahnwache, zu der er 50 bis 100 TeilnehmerInnen erwartet, hat das Motto: „Gedenken an Opfer islamistischen Terrors“.
Zuletzt hatte Schäfer am Freitag vergeblich versucht, eine Spontandemo in der City anzumelden, um die Besetzung der Reinoldikirche zu begleiten. Dies hatte die Polizei unterbunden und mehrere von Schäfers Kameraden ins Gewahrsam genommen. Schäfer hatte sie begleitet.
Heiligabend Demo gegen angebliche Polizeiwillkür
Die Neonazis haben für Heiligabend ihre vorerst vorletzte Demo gegen Polizeiwillkür angemeldet. Sie wollen sich am Samstag um 12 Uhr auf dem Sonnenplatz treffen und dort mit ihrer Demo beginnen. Diese soll anschließend durch das Kreuzviertel führen und am Polizeipräsidium enden.
Ursprünglich haben sie auch für den 30.12. ab 19 Uhr noch eine Demo durch Dorstfeld angemeldet. Ob es dazu kommen wird, lassen die Neonazis offen. Sie wollen die Entscheidung der Polizei zuschieben – und es von deren Verhalten abhängig machen.
Zitat: „Ob das politische Versammlungsjahr deshalb am 24. Dezember 2016 mit einer abschließenden Demonstration gegen Polizeiwillkür beendet wird oder auch noch einige Nachhilfestunden praktischer Art nachgeschoben werden, liegt letztendlich bei der Repressionsbehörde selbst, die letztendlich nur selbst unterstreicht, wie berechtigt der Protest an Heiligabend ist.“