Die Stadt Dortmund bemüht sich weiter um die Schaffung und (Re-) Aktivierung von Unterkünften für Geflüchtete aus der Ukraine. 3959 haben sich Stand Dienstagmittag bei der Stadt gemeldet. Es dürften aber noch deutlich mehr sein, da Ukrainer:innen ja Visafreiheit genießen und sich zumindest 90 Tage in Deutschland aufhalten dürfen. Für die Inanspruchnahme von Leistungen – zum Beispiel eine Unterkunft oder medizinische Versorgung – müssen sie sich beim Sozialamt melden.
„Wir konnten die Menschen halbwegs adäquat unterbringen“
Die Unterbringung ist eine schwierige Aufgabe, da der Wohnungsmarkt ohnehin angespannt ist: Allein am gestrigen Montag haben sich 248 Menschen bei der Stadt Dortmund gemeldet. Bislang musste die Stadt noch niemanden in Notunterkünften unterbringen, wo „Bett an Bett“ steht, wie in der Westfalenhalle 6. „Wir konnten die Menschen halbwegs adäquat unterbringen“, betont Detlev Harries, stv. Leiter des Krisenstabes bei der Stadt Dortmund.
Bei der Suche nach geeigneten Gebäuden für die Unterbringung hat die Stadt vor allem jene im Blick, die bereits 2015 bis 2017 für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt wurden. Einige davon stehen – auch wenn sie für eine andere Nutzung vorgesehen sind oder abgerissen werden sollten – nun auch wieder zur Verfügung.
Wobei die Reaktivierung aber auch nicht von einem auf den nächsten Tag funktioniert, macht Detlev Harries deutlich. „Da hängen viele Probleme dran“, sagt er beispielsweise mit Blick auf die Keimbelastung von Trinkwasseranlagen, die lange außer Betrieb waren oder den Brandschutz.
Außerdem steht die Stadt bei der Suche nach geeigneten Objekten in einer gewissen Konkurrenz mit der Bezirksregierung, die für die Erstaufnahme des Landes ebenfalls Gebäude sucht. Nicht in Frage kommt dafür (bisher) die ehemalige Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney, die seit Jahren leer steht.
Landhaus Syburg, Kreiswehrersatzamt und Hauptschule Derne reaktiviert
Aktuell sind 640 Menschen in städtischen Formaten untergekommen – der größte Teil der Geflüchteten ist somit privat untergekommen. Die Stadt Dortmund hat mittlerweile das ehemalige Landhaus Syburg in der Vollnutzung. Nach der Nutzung für Flüchtlinge diente es in der Zwischenzeit als Quarantäne-Einrichtung.
62 Plätze sind noch frei. Zudem hat die Stadt 500 Plätze in Notunterkünften wie in der Westfalenhalle 6 in Hinterhand. Man möchte aber lieber andere Unterbingungen ermöglichen, die mehr Privatsphäre ermöglichen.
Reaktiviert wird daher das ehemalige Kreiswehrersatzamt in der Leuthardstraße, welches ertüchtigt wird. Auch das ehemalige Berufskolleg in der Sckellstraße – bisher als Notüberlauf vorgesehen, soll eine Übergangseinrichtung werden.
Ebenfalls bietet sich das ehemalige Seniorenzentrum „Weiße Taube“ an: „Der Auszug dort ist noch nicht lange her und das Gebäude strukturell sehr gut geeignet.“, betont Sozialdezernentin Birgit Zoerner.
Auch kleinere Einrichtungen mit Kapazitäten für weniger als 100 Menschen guckt sich die Stadt an. Denn die Zahl der Flüchtlinge wird weiter steigen. „Von der Reihenfolge her schauen wir erst mal auf die Formate, die wir schon mal am Start hatten“, so Zoerner. Dazu gehört auch die ehemalige Hauptschule in Derne, wo es bis zum Einzug aber noch etwas dauern wird.
Die fehlenden Impfungen bei Ukrainer:innen ist ein Thema
3959 haben sich Stand Dienstagmittag bei der Stadt gemeldet. Bei der Anmeldung beim Sozialamt wird die zusätzliche Außenstelle am Entenpoth in Hörde gut angenommen. Mittlerweile werden dort mehr Menschen registriert an der Leopoldstraße in der Nordstadt.
Dort steht wegen der neuen Baustelle auch wenig Platz zur Verfügung, weshalb das mobile Impfmobil mittlerweile in Hörde steht. Doch sowohl die Impfquote als auch die Impfbereitschaft ist noch übersichtlich. Insgesamt 161 Menschen aus der Ukraine haben sich bisher impfen lassen.
Die Impfquote in der Ukraine liegt bei 35 Prozent. Aber über die Aussagekraft der Impfungen kann Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner wenig sagen, da die Menschen dort mit Impfstoffen geimpft wurden, zu denen die deutschen Behörden keine Informationen haben, weil die Hersteller keine Zulassung in der EU beantragt hatten.
Daher wird die Stadt die Ukrainerinnen auch weiter über Impfangebote und Impfstoffe informieren. Doch das ist – verständlicherweise – nicht das vordringliche Thema bei den Geflüchteten. Die Unterbringung und Versorgung, die medizinische Betreuung und arbeitsrechtliche Fragen stehen dort eher im Vordergrund.
Die Registrierung bei der Ausländerbehörde kostet viel Zeit
Dabei muss die Anmeldung beim Sozialamt und die ausländerrechtliche Registrierung bei der Ausländerbehörde unterschieden werden. Beide Ämter sind stark gefordert. Beim Sozialamt müssen sich die Menschen melden, wenn sie Leistungen brauchen. Dort kann man jedoch mit Blick auf die Identität nur wenig prüfen. Die Bewilligungen laufen daher vorerst nur bis zum Monatsende.
Denn die Menschen sollen sich auch „ausländerrechtlich“ bei der Dortmunder Ausländerbehörde anmelden, damit geprüft werden kann, dass sie sich nur ein Mal angemeldet haben, um Sozialmissbrauch zu verhindern. Allein das Sozialamt in Dortmund hat in diesem Monat bereits 1,3 Millionen Euro an Leistungen ausgezahlt.
„Man muss zwischen Anmeldung und Registrierung unterscheiden. Denn zu einer Registrierung gehört auch eine erkennungsdienstliche Behandlung. Doch diese dauert 45 bis 60 Minuten. Dazu fehlen die Kapazitäten. „Wir sollen da Unterstützung von Bund und Land bekommen – mit mobilen Einrichtungen“, macht Ordnungsdezernent Norbert Dahmen deutlich.
Die Arbeitserlaubnis ist übrigens nicht von einer Anmeldung abhängig. Ukrainer:innen dürfen grundsätzlich arbeiten – das ist bei Asylverfahren normalerweise anders.
Die geordnete Verteilung der Geflüchteten hat noch nicht begonnen
Dass noch viel mehr Menschen kommen werden, darin sind sich alle Verantwortlichen einig: „Die Sorgen um die Zivilbevölkerung wachsen weiter, wenn wir sehen, was in Mariupol passiert – die Menschen werden aus ihren Städten vertrieben“, betont Dortmunds OB Thomas Westphal. Bereits rund 230.000 Ukrainer sind in Deutschland angekommen. Andere Länder – auch deutlich kleinere als Deutschland – haben bisher deutlich mehr Geflüchtete aufgenommen.
Doch noch gibt es weder verlässliche noch belastbare Prognosen, wie viele Geflüchtete nach Deutschland und auch nach Dortmund kommen werden. Klar scheint nur, dass die Westfalenmetropole – regional betrachtet – schon im Verhältnis deutlich mehr Menschen aufgenommen hat als das Umland.
Das soll bei den kommenden Verteilschlüsseln berücksichtigt werden. Denn die eigentliche Verteilung – der Bund registriert, verteilt nach einem festen Schlüssel auf die Länder und die dann auf die Kommunen – hat noch gar nicht begonnen. Denn die Ukrainer:innen bewegen sich bisher noch recht willkürlich durch Deutschland. Dies ist wegen der Visa-Freiheit auch erlaubt und möglich.
Schulbesuch für die Kinder wird die nächste große Herausforderung
Wenn diese dann in der jeweiligen Stadt angekommen sind, geht es nicht nur um Wohnen, sondern auch um Besuche in Kita und Schule. Denn für die ukrainischen Kinder gilt die Schulpflicht. Das Dienstleistungszentrum Bildung registriert schon die vermehrte Nachfrage von ukrainischen Familien.
In der vergangenen Woche gab es insgesamt 55 Neuanmeldungen, davon 44 aus der Ukraine. Normalerweise gibt es pro Monat 90 neue Anmeldungen. Die Ukraine kommt nun noch „on Top“. „Wir haben auf der Warteliste für einen Schulplatz aktuell 217 Kinder und Jugendliche, davon 48 aus der Ukraine“, berichtet Schuldezernentin Daniela Schneckenburger.
„Die Zahl der Ukrainestämmigen wird sich sicher noch erhöhen in den nächsten Tagen und Wochen. Das Geschehen dort ist wesentlich dynamischer als aus anderen Ländern und Kulturkreisen“, so die Dortmunder Schuldezernentin.