Aus vielen Kommunen gibt es Hilferufe an den Bund bzw. die jeweiligen Bundesländer, weil ihre Aufnahmekapazitäten erschöpft sind. In Dortmund ist das nicht der Fall. Anders als viele andere Kommunen wurde hier vorgesorgt. Eine Herausforderung ist aktuell „nur“ die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (UMF*).
Dortmund ist derzeit (noch) nicht aufnahmepflichtig
In Dortmund leben aktuell 14.700 Menschen, die als Geflüchtete gekommen sind. Dennoch gibt es viele freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften – und solche, die noch nicht ans Netz gegangen sind bzw. wieder geschlossen wurden. Der Grund ist, dass ein Großteil der Geflüchteten aus der Ukraine privat untergekommen sind. „Nur“ 869 Flüchtlinge hat die Stadt untergebracht – 229 Menschen wohnen in Wohnungen des Wohnraumvorhalteprogramms sowie rund 400 weitere in Übergangseinrichtungen. 224 UMF sind in Jugendhilfeinerichtungen untergebracht.
Zudem werden Geflüchtete normalerweise über den sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ verteilt. Der Königsteiner Schlüssel regelt eigentlich die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen.
Er wird aber auch bei der Verteilung von Geflüchteten angewendet, um eine einigermaßen gerechte bzw. gleichmäßige Verteilung sicherzustellen.
Dortmund war in der vergangenen Woche rechnerisch mit 193 Menschen über der Aufnahme-Verpflichtung. Die Erfüllung der Quote lag 102,52 Prozent, berichtet Sozialdezernentin Birgit Zoerner im Gespräch mit Nordstadtblogger. Zudem seien andere Kommunen teils noch deutlich darunter. Daher sei Dortmund derzeit (noch) nicht aufnahmepflichtig.
Das Jugendamt muss weitere Plätze für unbegleitete Minderjährige schaffen
Anders sieht es aktuell bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus. Diese Minderjährigen bilden eine spezifische Zielgruppe innerhalb der Jugendhilfe, für die es besonders gilt, in Kooperation mit anderen Hilfesystemen rechtskreisübergreifend bedarfsgerechte Strukturen und Angebote sicherzustellen.
Hier steigt die Zahl aktuell wieder an: „Wir haben im Januar mit 228 Plätzen angefangen, jetzt sind wir bei 234. Es wird mehr – aber 224 Plätze sind schon belegt“, berichtet Jugenddezernentin Monika Nienaber-Willaredt.
Da die Zahl der UMF kontinuierlich steigt, muss die Stadt neue Kapazitäten einrichten – quasi als Daueraufgabe. „Wir wollen vor der Lage bleiben. Es darf nicht passieren, dass wir keine Plätze mehr haben“, so Nienaber-Willaredt.
Aktuell richtet das Jugendamt – unterstützt von Trägern der freien Jugendhilfe – zusätzliche Plätze ein. Zurzeit wird Jägerheim in Holzen hergerichtet, nachdem das frühere Clearinghaus im Holzheck in Eving bereits im Herbst wieder „ans Netz“ gegangen ist.
In der vergangenen Woche waren 225 geflüchtete Jugendliche in Obhut des Jugendamtes: Darunter sind u.a. 92 Jugendliche aus Syrien, 27 aus Albanien, 20 aus der Türkei und 16 aus Guinea.
Dortmund stand schon vor deutlich größeren Herausforderungen
Die Herausforderung ist dabei nicht nur, ein Gebäude zu finden, sondern vor allem das benötigte Fachpersonal. Und da hatte das Jugendamt in den vergangenen Jahren bei vielen Trägern „verbrannte Erde“ hinterlassen.
Gerade in den Jahren 2015 und 2016 hatte das Jugendamt die Träger aufgefordert, zusätzliche Plätze zu schaffen. Diese taten das auch und stellten kurzfristig Personal ein und mieteten Räume an.
Das war nötig, weil durch die Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete des Landes NRW in Dortmund überproportional viele Minderjährige nach Dortmund kamen. Denn während Erwachsene landesweit verteilt werden, werden Minderjährige dort, wo sie registriert werden, in Obhut genommen.
Da in der Spitze rund ein Fünftel der bundesweit ankommenden Flüchtlinge durch die EAE in Dortmund-Hacheney lief, war die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen sehr hoch. Das stellte das Jugendamt in Dortmund vor massive Probleme. In der Spitze waren es weit über 1000 (!) Minderjährige, die zeitgleich angemessen untergebracht und betreut werden mussten.
Zurückhaltung bei Trägern nach schlechten Erfahrungen mit dem Jugendamt
Entsprechend groß war der Druck – das Jugendamt „warb“ massiv für die Schaffung von zusätzlichen Kapazitäten. Dafür mieteten Träger Gebäude bzw. Wohnungen an, bauten um und aus, stellten Fachpersonal ein.
Nach der Schließung der EAE in Hacheney im Herbst 2016 und der Verteilung auch von Minderjährigen liefen die teils ganz neu geschaffenen Unterkünfte schrittweise leer. Das Jugendamt zeigte sich damals aber „wenig kulant“, was plötzlich frei werdende Betten und Kapazitäten anging, auf deren Schaffung die damalige Amtsleitung gedrängt hatte. Sie ließ Träger teils mit den Kosten und dem Personal im Regen stehen.
Daher muss die neue Dezernentin auch ein Stück weit um Vertrauen werben – derzeit sind die Träger wegen der früheren Erfahrungen bei der Schaffung neuer Plätze (noch) ziemlich zurückhaltend.
* Hinweis: Seit kurzem werden Minderjährige, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, vielerorts nicht mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF), sondern unbegleitete minderjährige Ausländer:innen genannt (umA). In Fachdiskursen wird jedoch weiterhin an dem Begriff „Flüchtling” statt „Ausländer:in” festgehalten. Auch der Bundesfachverband umF spricht sich gegen die Verwendung der neuen Bezeichnung aus und begründet die Kritik ausführlich in einer Stellungnahme: LINK
Reader Comments
Frank Przibylla
Die „Träger“ sind häufig Vereine, die ehrenamtliche Vorstände haben die für „finanzielle Schieflagen“ verantwortlich sind. Diesen Aspekt sollte die Stadt Dortmund im Blick haben. Unser Gemeinwesen ist komischerweise so organisiert, dass Menschen, die es gut meinen und Vorstandsfunktionen Verantwortung übernehmen, auch haften. Die Stadt Dortmund sollte diesen Aspekt mal überdenken und nicht über die Zurückhaltung von „Trägern“ wundern.